Test the West

Reisezeit: Dezember 2011 - Januar 2012  |  von Stefan O.

Eine Seefahrt ...

Mittwoch, 11.01.2012

In Kenia heißen sie Matatu, hier werden sie Tro-Tro genannt: Kleinbusse, meist japanischer Bauart, wie die ollen Bullys in Nigeria mit 14 statt der sonst üblichen sieben Sitzplätze ausgestattet und oft hoffnungslos überladen. Sie sind meist viel zu schnell auf viel zu schlechten Straßen unterwegs und in technisch bedenklichen Zuständen. Der Fahrer des Tro-Tro, das mich heute Morgen nach Hohoe bringt, findet offensichtlich vor allem ein ganz bestimmtes Geräusch technisch bedenklich und beobachtet besorgt das linke Vorderrad. Ein Geräusch, das für mein Gehör im Konzert artfremder Töne vollständig versinkt. Doch die Bedenken unseres Fahrers sollen sich bestätigen, als ein Teil des unter Beobachtung stehenden Rades mit einem lauten blechernen Knall gegen den Unterboden des Fahrzeuges schlägt. Was mich allerdings noch viel mehr beeindruckt ist, dass er dieses Teil auf dem Asphalt (beziehungsweise, was davon noch übrig ist) mit einem geschulten Blick sofort wieder findet. Es handelt sich um ein nicht unwesentliches Befestigungselement: Einer der Radbolzen, genauer gesagt dessen Gewinde, hat sich plastisch verformt und infolge dessen sprichwörtlich das Weite gesucht.

Sofort wird die Werkstatt im nächsten Dorf verständigt. Mit voller Besatzung steuert das Tro-Tro nun mit halber Kraft auf den bereits wartenden Mechaniker zu, der sozusagen im Drive-In-Verfahren ein neues Gewinde in die Radaufhängung dreht und einen frischen Bolzen montiert.

Hohoe - Die sympathische Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts in der Volta Region. Lange will ich nicht bleiben. Das einzige was ich brauche, ist eine neue SIM-Karte, welche ich recht problemlos im Vodafone-Kundencenter bekomme und ich brauche genügend Bargeld, um die nächsten zwei Tage in den dünn besiedelten Afram Plains zu überleben. Dann mache ich mich auf die Suche nach den Tro-Tros Richtung Kpando, einer Kleinstadt am Ufer des Volta-Sees. Zeitgleich stolpere ich förmlich über ein Taxi, dessen Fahrer mich nun interessiert nach meinem Ziel fragt. Eigentlich will ich nur zum Motorpark, doch der junge Mann bietet mir an, mich für 20 Cedi direkt nach Kpando zu befördern. Klingt verlockend und als er den Preis nach kurzer Verhandlungsphase auf 15 Cedi reduziert, kann ich endgültig nicht mehr widerstehen, schmeiße meinen Rucksack in den Kofferraum und mache es mir dann auf dem Rücksitz des augenscheinlich gut erhaltenden E-Kadetts bequem.

Immer wieder lese ich von abenteuerlichen und unzuverlässigen öffentlichen Verbindungen in dieser Region, doch als ich geschlagene zwei Stunden zu früh am Bootsanlegeplatz von Kpando aufschlage wird mir klar, dass ich wieder mal viel zu viel Zeit eingeplant habe. Wie kriege ich diese Zeit jetzt herum? Klar - mit einem Star in einem Spot. Spot - das ist hier die Bezeichnung für eine Bar, einen Biergarten oder einen Imbiss. Wenigstens kann ich schon mal einchecken und mein Gepäck ins Boot tragen.

Die Anlegestelle in Kpando, das da hinten ist mein Boot

Die Anlegestelle in Kpando, das da hinten ist mein Boot

Kurz vor halb zwei betrete ich den Kahn. Ich suche mir einen gemütlichen Platz im hinteren Teil. Doch schon bald muss ich diesen Sitz räumen, da das darunter stehende Wasser noch eben mit Kanistern nach draußen befördert werden muss. Immerhin werden hier Schwimmwesten verteilt, die sich auch hervorragend als Kopfkissen eignen. Zwei Stunden dauert die Überfahrt über den flächengrößten künstlichen Stausee dieses Planeten. Und das hier ist noch die kurze Seite des Sees. Für die lange Seite von Süden nach Norden braucht man mit dem Schiff mehrere Tage. Die sechs Turbinen des Wasserkraftwerks in Akosombo, etwa 100 Kilometer südlich von hier, leisten zusammen knapp einen Terawatt; zirka viermal so viel wie ein gleichaltriges Kernkraftwerk.

Mein Ex-Sitzplatz wird noch vom Wasser befreit

Mein Ex-Sitzplatz wird noch vom Wasser befreit

Am Anfang ist der Blick über den gigantischen Stausee und seine zahlreichen kleinen Inseln noch interessant. Die zweite Hälfte der Fahrt nutze ich jedoch für ein Nickerchen. Wir erreichen das andere Ufer in Agordeke und da sich die dort wartenden Tro-Tros innerhalb von Sekundenbruchteilen füllen, verzichte ich auf einen Besuch der Ortschaft, zwänge mich in eines hinein und fahre gleich durch bis Donkorkrom.

Mein Gott! Wenn die Welt wirklich einen Arsch hat, bin ich ganz in der Nähe. Dabei ist Donkorkrom noch einer von wenigen Orten in den Afram Plains, der knapp mehr als 5000 Einwohner zählt. Mehr noch: Donkorkrom ist sogar die Hauptstadt des Kwahu North (ehemals Afram Plains) Distrikts. Hier werde ich meine Reise unterbrechen, checke im St. Michael's Hotel ein und bestelle mein Dinner zu 17 Uhr. Genug Zeit für einen kleinen Rundgang durchs Dorf, ähh ich meine durch die Hauptstadt.

Willkommen am Arsch der Welt

Willkommen am Arsch der Welt

Natürlich ist man hier schnell durch und das einzig halbwegs interessante ist der Marktplatz. Erwähnenswert ist allerdings, dass einige Kilometer nördlich von hier das mit 3750 Quadratkilometern zweitgrößte Naturschutzgebiet des Landes liegt: der Digya Nationalpark, einer der artenreichsten Nationalparks Westafrikas. Doch offiziell wurde er wegen seiner schwer zugänglich Lage nie für den Tourismus geöffnet. Allerdings, so erfahre ich später im St. Michael's Hotel, gibt es durchaus Möglichkeiten, diesen Park zu besuchen.

Als ich dann pünktlich um 17 Uhr wieder im St. Michael's Hotel aufschlage, ahne ich noch nicht, dass ich von nun an geschlagene anderthalb Stunden auf mein Essen warten werde. Naja, außer dem Studium meines Reiseführers (für Ghana habe ich den viel gelobten Bradt im Gepäck) bei ein paar Bier habe ich heute eh nichts mehr vor. Irgendwo in der Ferne findet scheinbar eine Beerdigung statt. Der Abschied von einem Toten dauert in Afrika gewöhnlicherweise bis in den frühen Morgen und wird von viel Musik begleitet.

Gute Nacht!

Gute Nacht!

© Stefan O., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
"Burkina Faso - Ist da irgendwas?", "Wo liegt Niamey?" und "Ist Lagos nicht die gefährlichste Stadt der Welt?" Diese und andere Fragen wurden mir gestellt, bevor ich los zog um nach Antworten zu suchen. Das Motto: "Travel and see"
Details:
Aufbruch: 13.12.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 20.01.2012
Reiseziele: Burkina Faso
Niger
Nigeria
Togo
Ghana
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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