Test the West
Deutsche Geschichte
Sonntag, 08.01.2012
Jeder, der schon einmal eine Immobilie mieten oder kaufen wollte kennt sie: diese lästigen Makler. Sie profitieren von Geschäften Dritter, machen nichts, was man nicht auch selbst hinbekommen hätte, das aber viel schlechter, und verlangen dann Geld für ihre so genannte Dienstleistung. Genau das gleiche passiert mir jetzt hier am Gare de Cotonou. Ich steige von einem Okada und suche ein Buschtaxi nach Agbodrafo. Nachdem ich dank Imodium seit gestern wieder Herr über meine Schließmuskeln bin, habe ich mich heute für einen Tagesausflug nach Togoville entschieden. In die Geschichte ging dieser Ort ein, als der deutsche Mediziner und Forscher Gustav Nachtigal im Jahr 1884 einen Protektoratsvertrag mit dem König Mlapa III. schloss, mit dem er Togoland dem Deutschen Reich unterstellte. Togoville ist so zusagen der Geburtsort Togos und von hier aus am schnellsten mit einer Piroge über den Togosee vom etwa 40 Kilometer entfernten Ort Agbodrafo zu erreichen. Nun kommt einer dieser "Makler" und wird mir, ob ich will oder nicht, das richtige Taxi vermitteln - gegen Provision versteht sich. Dass ich dafür nicht auf die andere Straßenseite muss ist klar, aber meinem Makler nicht. Jetzt tut er mir irgendwie leid, also spiele ich mit und dappele hinterher.
Buschtaxis in Togo verkehren wieder so, wie ich das zum Beispiel aus Jamaika kenne. Auf dem Beifahrersitz sitzen zwei, auf der Rückbank vier Passagiere. Wir fahren mit hoher Geschwindigkeit auf der Küstenstrecke Richtung Osten. Als ich eine Stunde später merke, dass was faul ist, frage ich meine Sitznachbarin, ob Agbodrafo noch vor uns liegt. Natürlich nicht, dabei hatte ich dem Fahrer ausdrücklich gesagt, dass ich nach Togoville muss und daher in Agbodrafo aussteigen will.
Ich verlasse das Taxi mitten in der Pampa, wechsele die Straßenseite und warte auf ein Taxi zurück nach Westen. Dann entdecke ich eine Gruppe Okadafahrer im Schatten eines Baumes und wenig später bringt mich einer von Ihnen ans Ufer des Togosees. Dass man dafür irgendwo in einen nicht beschilderten sandigen Feldweg einbiegen muss, steht im Lonely Planet nicht, auch nicht, wie man an die Anlegestelle kommt, wenn man nicht zufällig über ein Okada stolpert. Überhaupt steht in diesem Reiseführer eigentlich nichts zu diesem Land.
Am Ufer des Sees kassiert ein Kassenmann für die Überfahrt und während ich auf eine Piroge warte, treffe ich Roger, einen netten und hilfsbereiten gebürtigen Togoviller (nennt man die so?). Er ist etwa Mitte Vierzig, lebt und arbeitet in Accra und spricht daher gut verständliches Englisch. Seine Frau, offensichtlich nicht der englischen Sprache mächtig, will wissen, was ich da gerade fotografiert habe, übersetzt Roger. Nichts Besonderes: eine Piroge am Ufer und im Hintergrund das andere Ufer in Togoville. Dass die Togoviller unerwartet hysterisch auf Kameras reagieren, kann ich natürlich noch nicht wissen.
Die nächste Überraschung wartet am anderen Ufer auf mich. Keine Guides stürzen sich auf mich und niemand will mir etwas verkaufen. Roger meint, wenn ich etwas sehen will in der Kürze der Zeit, würde sich ein Stadtführer sehr empfehlen. Dann sucht er mit meiner Zustimmung nach einem, der ein wenig Englisch spricht und verabschiedet sich von mir.
Zaire, mein Stadtführer, führt mich zunächst zum Chief's House, wo ich von Vertretern des Königshauses begrüßt werde und etwas über die Geschichte von Togoville erfahre. Zum Beispiel, dass es früher Togo hieß, unter den Deutschen dann Togostadt genannt wurde und erst seit der Abgabe an die Franzosen nach dem ersten Weltkrieg seinen heutigen Namen trägt. Eigentlich würde ich gern noch ein Foto des Gebäudes machen, doch eine dicke alte Frau sitzt barbusig vor dem Haus. Eine Ablichtung der Szenerie verbietet sich allein aus Pietätsgründen, allerdings sind diese fetten Kanister auch nicht sonderlich fotogen.
Dann geht es weiter, vorbei an dem unter deutscher Herrschaft errichteten Dorfbrunnen hin zur Hauptsehenswürdigkeit des Ortes, der 1910 von den Deutschen erbauten Kathedrale Notre-Dame du Lac Togo. Von hier aus hat man auch einen traumhaften Blick über den Togosee. Weiter unten befinden sich die Kunsthandwerksstätten, in denen man völlig überteuerte Souvenirs kaufen kann. Ich belasse es bei einem Flaschenöffner mit geschnitztem Holzgriff, für den ich letztendlich die Hälfte des geforderten Preises hinlege.
Dann erzählt mir Zaire vom Voodoo in Togoville und bietet mir an, den Kontakt zu einem Voodoo-Priester herzustellen, der für mich einen Fetisch bauen und für mich beten würde. Ich wittere Nepp und lehne ab. Aber ein Bier könnte ich gut vertragen, Zaire auch und so führt er mich in eine sehr gemütliche Bar mit Blick auf das Geschehen der Stadt. Die Menschen machen einen überwiegend glücklichen Eindruck. Aus irgendeinem Haus kommt laute Musik und die Kinder tanzen dazu auf der Straße. Dann fahren zwei Weiße auf ihren Motorrädern vorbei. Deutsche, die sich hier nieder gelassen haben, erklärt mir Zaire.
Kurz vor Sonnenuntergang mache ich mich wieder auf den Heimweg. Zaire begleitet mich noch bis zu Ufer und wir regeln das Geschäftliche. Er will 10000 CFA mit der Begründung, er müsse davon dem Königshaus noch etwas geben und der Kirche etwas spenden. Ich sage ihm, wenn er frech wird bekommt er gar nichts. Meine Stimmung beginnt zu kippen.
Ich setze mich in eine Piroge und mache in aller Beschaulichkeit ein Foto vom Sonnenuntergang über dem Togosee, als mir von links ein Kahn vor die Linse schippert. Dessen Kapitän diskutiert nun aufgeregt über den "Englishman" der ihn fotografieren würde. Aber nicht etwa mit mir, sondern mit den Leuten am Ufer. Als ich begriffen habe, dass es um mich geht, erkläre diesem aufgezogenen Hampelmann, dass er sich nicht ins Hemd pissen braucht, da er auf dem Foto gar nicht zu sehen ist. Vermutlich geht es aber auch weniger um die Persönlichkeitsrechte, sondern mehr darum, dass ich diese nicht bezahlt habe.
Eine junge Frau kommt noch an Bord, dann legen wir ab. Der Stecher (oder wie nennt man den Führer eines Stocherkahns?) ächzt und stöhnt unter der Last der Holzstange. Er bekommt den Kahn nicht aus dem Flachwasser gelöst. Ich steige aus und schiebe das Boot ins tiefere Fahrwasser. Offensichtlich hat es den Leuten hier die Sprache verschlagen. Auch hier gibt's natürlich kein Bitte und kein Danke. Meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
Am anderen Ufer fragt mich der Kassenmann, wie es mir da drüben gefallen hat und was ich denn alles gesehen habe. "Genug", sage ich genervt, "vor allem auch schon mal freundlichere Orte". Dann laufe stur stracks auf ein Buschtaxi zu, welches am Strand bereits wartet.
Der Fahrstil des Fahrers deckt sich mit meiner Laune und am liebsten würde ich ihm allein dafür noch ein dickes Trinkgeld extra geben. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass er das in seiner Preisfindung bereits berücksichtigt hat.
Als ich im Hôtel le Galion etwas zu essen bestelle, treffe ich Vincent, ein allein reisender Franzose. Genauer gesagt ist er aus Paris und macht hier eine Woche Urlaub. Auch Vincent mag Lomé nicht sonderlich, will morgen mit einem Leihwagen Richtung Norden aufbrechen und bietet mir an, ihn ein Stück zu begleiten. Ich werde mit dieser Stadt und seinen Vororten so schnell sicher keine Freundschaft mehr schließen. Dem Land allerdings gebe ich noch eine Chance und vereinbare mit Vincent, dass wir morgen gemeinsam nach Kpalimé fahren. Vincent spricht sogar ein paar Sätze Deutsch, das hatte er einmal in der Schule gelernt. Da sein Deutsch aber ungefähr so gut ist, wie mein Französisch, belassen wir es beim Englischen. Ich erzähle ihm von meiner Tour und was ich da schon alles gesehen habe. Vincent fragt mich, was denn so das Highlight meiner Reise war. Da muss ich nicht lange überlegen: Das war ganz klar Nigeria. Ich habe dort zwei Städte kennen gelernt, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch etwas gemeinsam haben: Die Freundlichkeit der Menschen die dort leben. Die ehrliche und warmherzige Gastfreundschaft, die zwanglose lockere Art und der Humor der Nigerianer haben mich schlicht beeindruckt. Wenn man von dort aus nach Togo kommt, erlebt man einen beispiellosen Kulturschock.
Aufbruch: | 13.12.2011 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 20.01.2012 |
Niger
Nigeria
Togo
Ghana