Test the West
Kumasi bei Nacht Teil 2
Samstag, 14.01.2012
Heute früh um drei kam ich in meine Koje. Kein Wunder also, dass ich heute etwas länger ratzen will, doch der Hunger siegt und ich komme gerade noch rechtzeitig zum Frühstück. Was gibt's denn hier eigentlich noch zu sehen? Da wäre noch der grausame Zoo, das Prempeh II Jubilee Museum, wo man etwas mehr über Geschichte und Kultur der Aschanti erfahren kann und das Militärmuseum im Kumasi Fort. Letzteres liegt nur wenige Minuten fußläufig von hier; die Entscheidung ist gefallen.
Ghana hat im Vergleich zu seinen Nachbarn eine eher moderne Armee mit Heer, Marine und Luftwaffe. Die Kernkompetenz der ghanaischen Streitkräfte liegt heute überwiegend in der Teilnahme an Friedensmissionen der Vereinten Nationen. So überwachten sie die Grenzregion zwischen Äthiopien und Eritrea, waren in Sierra Leone und Liberia im Einsatz und sie beteiligten sich am eher kläglichen Versuch, den Friedensplan nach dem unvorstellbar grausamen zweiten Kongokrieg durchzusetzen. In Europa waren die Blauhelme aus Ghana zur Jahrtausendwende an der Überwachung einer zivilen Übergangsregierung im Kosovo beteiligt. Zu Kolonialzeiten allerdings, mussten sie widerwillig für ihre britischen Besatzer kämpfen. In Togoland gegen die Deutschen und während des zweiten Weltkrieges auch gegen die Verbündeten der Nazis aus Italien und Japan.
Wer allerdings glaubt, der Pogrom und die Vernichtungsfabriken des Deutschen Reiches seien hinsichtlich des menschlichen Vorstellungsvermögens an Abscheulichkeit nicht mehr zu überbieten, wird hier eines besseren belehrt. In einer Zelle hier im Kumasi Fort wurden während der britischen Invasion gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf zirka drei Quadratmetern 20 Gefangene gehalten. Die Wände sind schwarz, es gibt kein Fenster, kein Essen und kein Klo und die Zelle diente allein dem Zweck, den Insassen einen qualvollen und langsamen Tod zu bescheren. Geöffnet wurde die Tür erst wieder, wenn auch der letzte Häftling kalt war. Wie krank muss man sein, sich einen solch widerwärtigen Scheißdreck auszudenken? Ich habe die Gelegenheit, mich für einige Sekunden in diesen Katakomben einschließen zu lassen, was für einen Freiheitsmenschen wie mich schon ausreicht, um ein gewisses Paniklevel zu erreichen.
Nicht wirklich verwundernd war da das Bestreben der Aschanti, diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Prempeh I. war es, der auf friedlichem Wege versucht hat, den Einmarsch der Peiniger aus Europa abzuwenden. Die Königsmutter Yaa Asantewaa war es, die selbst handelte und Anfang des 20. Jahrhunderts eine sehr erfolgreiche Rebellion gegen die Eindringlinge anführte. Sie soll sogar als einziger Mensch diese ekelhaften Zellen überlebt haben. Klar, dass Yaa Asantewaa hier bis heute verehrt wird wie eine Göttin.
Zu Mittag speise ich im Vic Baboo's. Das wurde in meinem Bradt in den höchsten Tönen gelobt, doch in bin ein wenig enttäuscht über die eher sterile Atmosphäre. Das Ambiente des vom selben Eigentümer wie mein Gästehaus geführten Restaurants erinnert mich irgendwie an so ein Old School US-Schnellrestaurant der 60er Jahre. Das Essen und die Auswahl sind jedoch hervorragend.
Dann mache mich fertig für die Nacht. Heute ist Samstag und ich habe mich mit Mike verabredet, Kumasi unsicher zu machen. Als ich das Gästehaus verlassen will, ruft mir eine Frauenstimme nach. Chiara kommt aus Süditalien, ist etwa Mitte zwanzig und fragt mich nun, ob ich sie nicht durch die Stadt begleiten kann - irgendwo etwas essen. Obwohl sie nicht zum ersten Mal in Afrika ist, hat sie doch etwas sorge, sich allein durch Kumasis Nacht zu kämpfen. Doch so gern ich sie auch begleiten würde, ich habe leider schon etwas vor. Als sie mir dann noch erzählt, dass sie morgen um fünf Uhr mit dem Tro-Tro nach Cape Coast aufbrechen will, erübrigt sich dann auch die Frage, ob sie sich uns anschließen will. Denn das ist ungefähr die Zeit, die ich für meine Rückkehr anvisiere. Dass unsere Tour für weibliche Begleitung auch etwas ungeeignet erscheint, kann ich natürlich noch nicht wissen, ahne es aber.
Mike führt mich quer über den Kejetia Markt zu einem Taxistand. Mit dem Sammeltaxi geht's dann weiter in die Nähe des Flughafens. Dort gibt es eine Bar, in der dermaßen laute Mucke läuft, dass wir uns nach draußen begeben müssen. Hinten im Hof treffen wir dann ein paar Kumpels von Mike. Lauter durchgeknallte Gestalten, zum Beispiel Atta. Stolz zeigt er mir auf seinem Smartphone die Aufnahmen von seiner Arbeitsstätte. Atta ist Miner in einer Goldmine.
Ich habe, Prostituierte mal ausgenommen, noch nie eine Afrikanerin rauchen gesehen. Diese hier raucht 'nen Joint. Sie gehört auch zum weiteren Bekanntenkreis von Mike und wohnt scheinbar in der Nachbarschaft. Sie setzt sich zu uns, holt eine Riesentüte aus ihrer Handtasche und verabschiedet sich etwa eine halbe Stunde später mit roten glasigen Augen wieder von uns.
Einige Zeit später gehen wir noch 'ne Runde abhotten und als der Laden gegen ein Uhr seine Pforten schließt, ziehen wir mit dem Taxi weiter in Richtung Vienna City. Im Vergleich zu seinem Kumpel Akwasi hat Mike heute alles richtig gemacht und wir dürfen gegen einen Unkostenbeitrag von 20 Cedi eintreten. Wir spielen eine Runde Billard und machen uns es dann an der Tanzfläche zu schaffen. Ich schätze, zirka 80 Prozent der Mädels hier sind Nutten, die anderen 20 Prozent sind in männlicher Begleitung. Ich würde echt gern wissen, wie sich die Paare hier so kennen lernen, in Clubs wie diesem hier jedenfalls ganz sicher nicht. Viele der Prostituierten sind aus Nigeria, wirklich hübsche Mädels. Wie man allerdings für ein paar Kröten so offensichtlich seine Gesundheit aufs Spiel setzen kann, geht einfach nicht in meine Birne rein.
Gegen drei Uhr in der Früh suchen wir uns ein neues Betätigungsfeld und während wir vor dem Vienna auf ein Taxi warten, treffen wir eine der Professionellen aus dem Club wieder. Mike findet, er könnte sich mal einen blasen lassen und beginnt schon gleich mit den Preisverhandlungen doch ob der vielen Biere, die ich ihm eingeflößt habe, kann man sein Gelalle natürlich nicht für bare Münze nehmen. Das merkt auch seine Gesprächspartnerin. "Zeig doch mal deine 1000 Naira", sagt sie irgendwann müde und gestresst und trifft damit seinen wunden Punkt. "Hier, mein Kumpel hat Kohle", versucht sich Mike aus dieser misslichen Lage heraus zu winden. "Dein Kumpel will aber nicht", kombiniert die Lady scharfsinnig.
Den letzten Club, ich habe zwischenzeitlich die Orientierung verloren, verlassen wir etwa um vier. Zurück in der City wollen wir unseren Hunger stillen, aber das einzige, was an Streetfood noch zu finden ist, ist Rührei mit Weißbrot, doch das reicht aus, um den ganzen Alk und das viele Ganja zu binden.
Aufbruch: | 13.12.2011 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 20.01.2012 |
Niger
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Togo
Ghana