Test the West

Reisezeit: Dezember 2011 - Januar 2012  |  von Stefan O.

Willkommen im Jahr 2012

Sonntag, 01.01.2012

Seit Stunden schon durchdringt Gospelgesang aus der benachbarten evangelischen Kirche die dünnen Wände zu meinem Zimmer. Ich will ein Internetcafe suchen, um die Regionalflüge nach Lagos zu checken. Laut Lonely Planet kann man das Ticket kurz vor dem Abflug kaufen, man muss halt nur wissen, wann das ist. Als ich vor das Tor trete, traue ich meinen Augen nicht: Die Straße ist voll mit parkenden Autos und es kommen immer mehr dazu. Frauen und Männer, ja ganze Familien kommen im feinsten Zwirn zur Neujahresmesse in die Kirche. Scheint so, als würde der Jahreswechsel hier eher im neuen Jahr gefeiert und wer schon mal irgendwo in Afrika einer christlichen Messe beigewohnt hat weiß, dass es hier meist eine sehr ausgiebige Feier ist. Ein wenig unbehaglich wird mir das Ganze nur, da hier augenscheinlich überhaupt keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, damit sich so etwas wie am 1. Weihnachtsfeiertag nicht wiederholt. In jedem der parkenden Autos könnte eine Bombe stecken. Vielleicht habe ich zu viele Filme gesehen, aber die Bedrohung ist echt. Was ich in Ermangelung geeigneter Nachrichtenquellen nicht wissen kann ist, dass die Boko Haram am heutigen Tage den Christen ein Ultimatum von drei Tagen stellt, um die Gebiete zu verlassen.

Das habe ich eh vor nur leider haben heute alle Läden inklusive der Internetcafés zu. Das Land überrascht mich immer wieder. Ich habe bisher noch nirgends in Afrika erlebt, dass am Sonntag auch nur irgendein kleiner Shop zu hat. Im Gegenteil: Oft ist Sonntag der Markttag. Aber damit nicht genug, die Nigerianer sind clever: Da heute nämlich außerdem noch ein Feiertag ist, hat man den Sonntag auf morgen verschoben - oder umgekehrt. Auf jeden Fall haben nach Aussage der Jungs vom Gästehaus die Geschäfte morgen auch zu.

Ich beschließe also, diesen Tag zum Faulenzen zu opfern und gehe am Nachmittag ins Al-Amir, einem stadtbekannten Restaurant in der Club Road, wie es authentischer nicht sein könnte. In schummrigem Licht sitzen ausschließlich Ortsansässige an riesigen Tischen. Das Restaurant ist gut besucht und man muss sich zu den Einheimischen an einen Tisch setzen. Das Essen ist gut, viel und billig aber eben landestypisch.

Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal zu einem Moppedfahrer sagen werde, nun tue ich es: "Zum Flughafen bitte". Ich habe mich entschieden, in Vorbeugung auf Hektik und unliebsamen Überraschungen meinen morgigen Flug direkt vor Ort zu buchen. Zeit habe ich ja im Moment genug.

Wie man es von afrikanischen Flughäfen gewohnt ist, wird auch dieser hier am Eingangstor von der Polizei überwacht. Mein Okadafahrer hält es wie seine zwei vorausfahrenden Kollegen: Er brutzelt einfach durch. Das gefällt dem Mann in der schwarzen Uniform so gar nicht und er brüllt sich die Seele aus dem Leib. Alle drei sollen sofort anhalten und absteigen. Der Typ kreist voll aus, fuchtelt mit seinem Gewehr herum, als würde er jeden Moment Gebrauch davon machen, sollte auch nur einer eine falsche Bewegung ausüben. Jetzt sollen die drei Moppedfahrer sich die Ohrläppchen festhalten und vor das Tor marschieren. Keine Ahnung, ob das eine Art "Hände hoch" sein soll oder so etwas wie eine Bestrafung beziehungsweise Schikane ist. Ich weiß nur, dass sich in solch einer Situation ein Moppedfahrer bei uns bestenfalls den Bauch gehalten hätte - vor Lachen. Zum Lachen ist mir aber hier so gar nicht zu Mute, auch wenn ich, wie die Fahrgäste der anderen beiden Motorräder mir das Spektakel eher aus der Zuschauerperspektive anschauen darf.

Der Polizist kommt auf mich zu und erklärt mir mit einer fast schon heuchlerischen Freundlichkeit, dass hier aus Sicherheitsgründen keine Okadas einfahren dürfen und dass hierzu spezielle Okadas etwa 50 Meter weiter bereit stehen. Ich solle meinen Fahrer entlohnen und mich dann dorthin begeben. Dann dreht er sich um und wendet sich wieder seinen Kandidaten zu. Einer der Fahrer muss wohl etwas besonders schlimmes verbrochen haben, denn der soll jetzt sofort mitkommen.

Mit einem offiziellen Okada lasse ich mich also auf das Flughafengelände bringen und erkläre dem Fahrer, dass ich ein Ticket nach Lagos brauche. Er fährt mich daraufhin zum Buchungsbüro von IRS Airlines. Nie gehört, was aber nichts heißen muss. Das Ticket kostet 28000 Naira und wird mit afrikanischer Gelassenheit innerhalb einer halben Stunde in einem kleinen chaotischen Kabuff ausgestellt. Ich habe mich für den 7:30 Uhr Flug entschieden da der spätere Flug in Abuja zwischenlandet. Als ich dann mit meinem Okada das Flughafengelände durch das Tor wieder verlasse, sind die Moppeds weg, nur eines nicht. Die werden den doch wohl nicht sofort in den Knast gesteckt haben?

Abends mache ich mich dann noch ein letztes Mal auf den Weg nach Sabon Gari. Ich begebe mich zunächst in meine Lieblingsbar in der Abeokuta Road. Man kennt mich hier schon. Später marschiere ich dann weiter in das Prince Entertainment Centre. Als ich dort in die so genannte VIP-Bar hoch will, werde ich von einem Sicherheitsmann kontrolliert, der etwas ehrfürchtig auf meine futuristisch anmutende Taschenlampe blickt und nun wissen will, was das da ist. Dass mir genau dieser Umstand an meinem letzten Tag in Ghana gewissermaßen den Arsch retten wird, ahne ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Die VIP-Bar befindet sich auf dem Dach des Gebäudes und ist mehr so etwas wie ein Biergarten. Ein Animator tanzt auf einer Bühne wie Michael Jackson zu der entsprechenden Musik; ganz lustig. Als er fertig ist, leert sich die Terrasse relativ schnell und während ich noch grübele, was ich noch so anstelle, entdecke ich, dass das Prince Entertainment Centre auch einen Nachtclub hat. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen: der vermutlich einzige Nachtclub der Millionenstadt Kano.

Meine Stammpinte in Sabon Gari

Meine Stammpinte in Sabon Gari

Doch hier ist auch nicht so die Stimmung. Eines muss man sagen: Die Kanawa sind superfreundliche Menschen, aber Party machen können sie nicht. Ich fahre gegen Mitternacht zu meinem Gästehaus und packe meinen Kram ein. Morgen steht ein ganz besonderes Ziel auf dem Programm.

© Stefan O., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
"Burkina Faso - Ist da irgendwas?", "Wo liegt Niamey?" und "Ist Lagos nicht die gefährlichste Stadt der Welt?" Diese und andere Fragen wurden mir gestellt, bevor ich los zog um nach Antworten zu suchen. Das Motto: "Travel and see"
Details:
Aufbruch: 13.12.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 20.01.2012
Reiseziele: Burkina Faso
Niger
Nigeria
Togo
Ghana
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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