Test the West
Nationales
Freitag, 23.12.2011
Ich habe schon gleich morgens das Gefühl, dass es mit meinem Visum vor dem Wochenende nichts mehr wird. Sollte sich mein Gefühl bestätigen, werde ich Weihnachten wohl hier in Niamey verbringen.
So langsam gehen mir die Ideen aus, was man hier noch so anstellen kann. Da ist aber noch das Nationalmuseum, von dem ein holländischer NGO-Mitarbeiter, der bis vor kurzem in meinem Hotel residierte, mal berichtete, man könne sich das durchaus einmal anschauen. Da ich ja Zeit habe, lege ich die etwa 3,5 Kilometer weite Strecke dort hin per Pedes zurück. Am Eingang bezahle ich Eintritt sowie eine Fotoerlaubnis und werde gefragt, ob ich einen Führer brauche. Das ist immer die Frage, braucht man einen oder braucht man keinen. Ich stimme zu und mir wird Ibrahim zur Seite gestellt, ein angenehmer Zeitgenosse. Anfang 30, unaufdringlich und er spricht ein wenig Englisch.
Ibrahim erklärt mir zunächst, dass das Museum aus drei Teilen besteht: dem Zoo, den Kunstwerkstätten und dem eigentlichen Museum, wobei sich die Teile vermischen und sich in einzelnen kleineren Gebäuden auf einem großen Freigelände präsentieren. Das Museum mache aber erst um 15 Uhr auf, also starten wir mit dem Zoo. Hier sind die Tiere des Landes in winzigen Pavillons ausgestellt: Löwen, Affen und sogar Hyänen, auch Flusstiere wie Hippos und Krokodile. Zoos waren noch nie meine Welt und auch dieser hier macht einen eher erbärmlichen Eindruck. Ich muss aber zugeben, dass die Hyänen auf mich eine gewisse Faszination ausüben. Ich habe zwar schon einige in freier Wildbahn gesehen, aber nicht aus dieser Nähe. Dann betreten wir die Kunstwerkstätten. Hier werden Holzfiguren, Silberschmuck und Ledererzeugnisse hergestellt und auch zum Kauf angeboten. Die Tuareg sind bekannt als gute Silberschmiede. Reizvoll finde ich auch die Lederarbeiten: vom Schlüsselanhänger über kleine Schachteln und Bilderrahmen bis hin zu Kissen und Hocker, bezogen mit Ziegenleder und liebevoll verziert. Einzigartig in Niger sind die so genannten Kountas, speziell gewobene Djerma-Decken. Wie sie hergestellt werden, kann man hier auch lernen.
Die Zeit bis zur Öffnung des Museums vertreibe ich mit Ibrahim bei einem Bier in der Museumsbar und wir plaudern ein wenig. Im Museum selbst sind einige landestypische Artefakte zu sehen, von dem das beeindruckendste wohl der Nachbau eines Dinosaurierskeletts ist, das man bei Agadez in der Sahara gefunden hat. Ansonsten gibt es noch Musikinstrumente, Geld, Waffen, traditionelle Kleidungsstücke sowie weitere Fundstücke von Ausgrabungen in der Sahara. Thematisch geordnet in einzelnen Pavillons.
Mit etwas gemischten Gefühlen studiere ich die Ausstellung über die Uranförderung im Norden des Landes. Ein bisschen über die Geschichte, ein paar Werkzeuge, Gesteine und ein Poster über die Gewinnung der gelben Substanz aus dem Gestein. Ein Gläschen Uran neben einem großen Ölfass und einem beträchtlichen Haufen Holz soll verdeutlichen, dass im Vergleich zu fossilen Brennstoffen nur wenig Uran erforderlich ist um eine bestimmte Menge Strom zu produzieren. Aus wie vielen Tonnen Gestein diese Menge Uran stammt bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen. Nicht zu sehen ist außerdem, unter welchen Bedingungen die Bergleute arbeiten müssen, dass sie aufgrund der Strahlung, der sie ausgesetzt sind meist früh an Krebs krepieren und dass die gesamte Produktion direkt von den Betreibern (im Wesentlichen ein großer französischer Energiekonzern) außer Landes geschafft wird, ohne dass ein nennenswerter Teil des Profits im Land bleibt. Es steht auch nirgends, dass dieser Umstand im immer wieder aufflammenden Konflikt zwischen den Tuareg-Rebellen im Norden und der Regierung im Süden eine entscheidende Rolle spielt, da das Uran auf dem immer knapper werdenden Weideland der Tuareg abgebaut wird. Vielleicht habe ich es aber auch nur infolge meiner lausigen Französischkenntnisse überlesen.
Ibrahim hatte mir schon gesagt, dass er auch Safaris organisiert, mich aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass man im Parc national du W eine endliche Chance hat, Tiere zu sehen, aber das ist ja in jedem Nationalpark eigentlich so. Ich frage ihn, ob er auch etwas nach Kouré organisieren kann, zu den letzten Giraffen des Westens. Er kann, wobei ich ja eigentlich nur ein Auto brauche und einen Fahrer, der sich traut, damit durch die Sahel zu braten. Dass sich Fahrzeug, Sprit, Eintritt und der dort obligatorische Führer auf einen stolzen Betrag summieren, habe ich gelesen. Vor diesem Hintergrund ist der Preis, den Ibrahim mir nennt halbwegs fair. Ich lasse mir seine Telefonnummer geben und verspreche ihm, dass ich mich bei ihm melden werde.
Ich verabschiede mich mit einem großzügigen Trinkgeld und laufe in Richtung Château Un, dem Viertel mit den schönen Bars und Restaurants. Ich setze mich in eine Bar, von der ich später erfahre, das sie den einladenden Namen L'Invasion trägt, was etwa so viel wie "Der Einmarsch" bedeutet. Ich bin hier gestern schon mal einmarschiert und kam mit einem Ugander ins Gespräch, der hier arbeitet. Er erzählte mir, dass er nun seit knapp drei Jahren durch Zentralafrika tourt und sich mit einfachen Jobs wie diesem finanziert. Er teilt meine Auffassung, dass unsere Art zu Reisen einen einzigartigen Beitrag zur eigenen Bildung leistet und die Eindrücke die man dabei gewinnt unvergleichlich, unvergesslich und unbeschreiblich sind.
Als der Laden gegen neun Uhr proppenvoll ist, ruft jemand von hinten meinen Namen. Die Stimme kommt mir bekannt vor und als ich mich umdrehe, erkenne ich Ibrahim. Er wohnt ganz in der Nähe und ist mit ein paar Freunden hier. Ich werde an den Tisch gebeten und nach einiger Zeit mache ich ihm den Vorschlag, für einen Rabatt von 10000 CFA den Kouré-Deal zu machen. Er rechnet noch einmal nach, ob er damit hinkommt und stimmt dann zu. Später gesellt sich auch Prisca zu uns, sie kellnert hier und ist eine gute Freundin von Ibrahim. Prisca ist Kamerunerin, spricht ein paar Sätze Englisch und ist ziemlich lustig drauf.
Ibrahim findet, man sollte sich die Giraffen von Kouré bekifft rein ziehen, dann kommt das doppelt cool. Dann besorgt er etwas Ganja und wir dampfen kurz einen, bevor wir in einen andere Bar weiter ziehen, wo es Livemusik gibt. Langsam fängt die Stadt an, mir zu gefallen.
Aufbruch: | 13.12.2011 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 20.01.2012 |
Niger
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