Test the West
Am Ziel
Donnerstag, 19.01.2012
Ich stehe unter der Dusche in einem unverhältnismäßig teuren Gästehaus mit dem unpassenden Namen Beverley Hills Hotel und während mir der modrige Geruch des Duschvorhangs in die Nase steigt, frage ich mich, ob es die Bequemlichkeit wirklich wert ist. Doch der Reihe nach: Nach dreistündiger, eher unspektakulärer Busfahrt bin ich gestern in Ghanas Hauptstadt Accra eingetroffen. In meiner Wunschunterkunft hatte man keinen Platz mehr für mich und so musste ich in eine andere, fußläufig erreichbare Option ausweichen. Und in der ersten bin ich dann halt hängen geblieben; an Alternativen hätte es nicht gemangelt.
Für Besucher von Accra ohne private Unterkunft sind im Wesentlichen zwei Gebiete von Interesse: Adabraka und Osu. In Adabraka sind die meisten Budget-Unterkünfte, so auch meine, dafür ist in Osu partymäßig ein bisschen mehr los. Beide Gebiete sind über die Ring Road miteinander verbunden, wo Tag und Nacht in kurzen Abständen Tro-Tros und Sammeltaxis verkehren. Vom Nkrumah Circle in Adabraka, auch als "The Circle" bekannt, kommt man in alle Richtungen.
All das habe ich bereits gestern validiert. Meine heutige Aufgabe besteht darin, den südlichen Teil der Stadt und die Küste zu erforschen - zu Fuß, versteht sich, doch bei einer Luftfeuchtigkeit von rund 80 Prozent wird das zur Qual. Ich marschiere die Barnes Road herunter und schlumpfe irgendwann durch das Haupttor des Nkrumah Memorial Parks. Doch wer war eigentlich dieser Kwame Nkrumah, der hier in Ghana wie auch in vielen anderen afrikanischen Staaten mit Plätzen, Straßen, Parks und Gedenkstätten verehrt wird? Nkrumah hat als Präsident der damaligen Goldküste die erste britische Kolonie zurück in die Unabhängigkeit begleitet und war damit der erste Präsident des heutigen Ghanas. Darüber hinaus war er ein einflussreicher Verfechter des panafrikanischen Gedankens, aus dem im Jahre 2002 die Afrikanische Union hervorging. Der Afrikanischen Union haben sich mit Ausnahme Marokkos alle Staaten des Kontinents angeschlossen.
Der Eintritt scheint frei zu sein, also marschiere ich durch den Haupteingang. Dann passiere ich einen Seiteneingang (von innen wohlgemerkt) und ein paar uniformierte Aufpasser erklären mir, dass ich fünf Cedi Eintritt zahlen muss. Da ich sonst niemanden Eintritt zahlen sehe, fühle ich mich verarscht und verlasse das Gelände unverrichteter Dinge wieder. Eine Frau, die mich beobachtet hat, fragt, was die zwei Typen wollten. "Fünf Cedi", antworte ich und sie schüttelt den Kopf.
Ich setze meinen Weg zum National Cultural Centre fort, dem legendären Basar für Kunsthandwerk und traditionelle Textilien aus dem ganzen Land. Es soll hier recht aufdringlich und aggressiv zugehen. Das bestätigt sich bereits auf der Straße, wo mich Heerscharen von Händlergehilfen umwerben. Ich nehme mir eine Auszeit in einem einfachen Open-Air-Lokal am Rande des Marktes.
Es gibt hier auch einen Billardtisch und es dauert nicht lange, bis ich auf ein Spielchen eingeladen werde. Für so etwas bin ich immer zu haben. Einer der vier Jungs heißt Martin, wie sich später heraus stellt. Er ist Künstler und stellt traditionelle Holzschnitzereien hier in seiner Werkstatt her. Meine Taschen sind bereits mit Souvenirs aus fünf Ländern prall gefüllt, doch dass ich nichts kaufen will, ist für ihn völlig okay. Dann erzählt er mir, er hätte mit seiner deutschen Freundin ein gemeinsames Kind. In diesem Zusammenhang hätte er irgendwelche Schreiben und Dokumente von deutschen Behörden, die er nicht lesen könne und nun fragt er mich, ob ich ihm nicht bei der Übersetzung behilflich sein kann. Er zeigt mir seinen Laden und seine weiter im Inneren des Viertels gelegene Werkstatt.
Später lädt er mich noch auf 'nen Spliff in sein genügsames Zuhause ein. Ich besorge noch zwei Bier und während wir einen dampfen zeigt er mir das ominöse Schreiben aus der deutschen Botschaft. Ob da irgend 'n Scheiß über sein Kind steht, fragt er besorgt, doch ich kann ihn beruhigen. Das ist nur seine Vaterschaftsanerkennung. Da steht, dass er in der Botschaft war, auf eigenen Wunsch einen Dolmetscher bekommen hatte, dass er die Vaterschaft zu seinem Kind anerkennt, sich aber auch der Konsequenzen bewusst ist und so bla-bla.
Irgendwann kommt sein Bruder. Er arbeitet für verschiedene Radiosender und wird dafür bezahlt, durch den ganzen Kontinent zu reisen und nach neuer Musik zu graben. Sein Laptop ist bis zum letzten Byte gefüllt mit vorwiegend westafrikanischer Mucke. Sehr interessant, was der so alles zu erzählen hat, doch irgendwann komm ich nicht mehr mit. In Sachen Musik hat der sympathische korpulente Mann mit den Dreadlocks ein Wissen, dem ich nicht gewachsen bin.
Gegen Abend trudele ich wieder in Adabraka ein und teste noch einige der Restaurants und Bars entlang der Farrar Avenue an. Das White Bell zum Beispiel hat eine schöne Terrasse und eine ansehnliche Speisekarte, doch die nervige Country Musik macht die Stimmung zunichte. Etwas Gewöhnungsbedürftig finde ich, dass man die Aufmerksamkeit des Personals nur durch ein lautes "Ey, kssst..." auf sich ziehen kann, doch das scheint überall in Ghana so zu sein. Dann setze ich mich noch in das Stawberrys und später dann in eine scheinbar neuere Location gegenüber, wo es auch einen Billardtisch gibt und einen Fernseher, auf dem die Spiele der Afrika-Meisterschaft übertragen werden.
Aufbruch: | 13.12.2011 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 20.01.2012 |
Niger
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