Renate's Weltreise
Ankunft Chiang Mai: Die letzten Tage im Karen-Dorf
01.02.04
Joe hatte gestern unheimlich nette Leute dabei. Mit einem Holländer konnte ich mich sogar in deutsch unterhalten! Heute wird von den Nicht-Christen hier Neujahr gefeiert. Morgens wurden unter "Beschwörungsformeln" weisse Bändchen um das Handgelenk gewickelt, nach dem Mittagessen wurde ich in zwei Häuser zum "Umtrunk" eingeladen. Es wurde hausgemachter Reisschnaps rumgereicht, nach unterschiedlichen Prozeduren; manchmal mussten die Becher geleert werden, manchmal durfte jeder nur ein Schlückchen nehmen. Dazwischen betete einer von ihnen vor und wir anderen falteten die Hände. Um alles "bewusst" mitzubekommen, achtete ich darauf, so wenig wie möglich zu trinken - obwohl es mir viel Spaß machte und auch schmeckte Was für ein unglaublich stimmungsvolles Bild, als durch die Bambuswand die Sonnenstrahlen brachen und den sonst dunklen Raum mit Lichtstreifen erhellten!
Ich hoffe nur, dass Joe die Foto-Batterie laden kann, die ich ihm mitgab.
Da die Leute am Wochenende nicht in den Wald gehen, um Holz zu schlagen, wurde die Schule von ein paar der "erwachsenen" Dorfbewohner besucht und nachdem sie ihre Schüchternheit überwunden hatten, zeigten sie viel Spaß an den Puzzlespielen.
Auch "Opa" war dabei. Verständlich, da sie "sowas" ja früher nicht hatten.
Da ich nun ja noch ein paar Tage bleibe, ging ich heute Wäsche waschen. Dazu wurde ich an den Fluss geführt, und so begann ich nach bestem Wissen und Gewissen meine Klamotten zu "schrubben". Ein paar Kinder und Presid schauten mir dabei zu. Keiner sagte was, schauten aber weg, wenn ich sie ansah. Also mach ich was falsch, dachte ich und sie "sehen" es nicht. Da Presid danach seine Sachen wusch, fragte ich, ob ich zusehen dürfe, und jetzt weiß auch ich, wie man am Fluss Wäsche waescht
Es hat mir aber sehr viel Spaß gemacht, der Fluss ist voller "Narrengold" und eiskalt. Dazu die heiße Sonne auf dem Rücken, ab und zu ein paar Schweinchen, die vorbeikommen, das hat etwas unheimlich Friedvolles. Da die Wäsche vier Stunden später auch schon wieder trocken war, wird das nun mein "heimliches" Hobby hier.
Danach musste ich "lernen", dass Kinder mit vier Jahren nicht zwangsläufig auch schon trocken sind. Hab eines Huckepack genommen und mein gerade getrocknetes T-Shirt war wieder nass...
Ich kann nur vermuten, dass Kinder hier noch nicht lange "Hosen" tragen. In den traditionellen Röckchen war es ja egal, wenn sie "es" einfach laufen ließen.
Abends kamen wieder "Gäste" mit dem Guide. Haben bei einem "Sag-die-Wahrheit"-Kartenspiel viel gelacht und getrunken.
02.02.04
Seit ich ein paar Karen-Wörter "rausgefunden" habe, zeichnen sich erste Erfolge im Lernen ab. Die Kinder mögen die Schule nach wie vor, obwohl sie teilweise nur für kurze Zeit vorbeikommen und dann wieder spielen gehen. Auch nachmittags kann plötzlich eines kommen und zu lernen anfangen. Woher sollten sie ein "Zeitgefühl" haben und vor allem "wofür"?
Heute gab es zum Essen etwas sehr Scharfes, erst schmeckte es mir gut, bis ich sah, dass etwas mit 6-8 "Beinchen" drin war. Ich fragte Gadet und er machte Flugbewegungen und psss-Geräusche. Also vermute ich ein Insekt. Da es mir aber vorher auch geschmeckt hatte, ass ich weiter (achtete aber drauf, was ich aus dem Topf "fischte"
Beim Wäschewaschen kam ein Junge und half mir. Dafür baute ich ihm mit einer Schnur und zwei leeren Plastikflaschen ein "Telefon". Er wusste sofort damit umzugehen ist auch schon in der "richtigen" Schule.
Ich wünschte, ich könnte Ihnen zeigen was man aus den Materialien hier, wie Bambus alles machen kann.
03.02.04
Durfte heute mit zum Elefantencamp und dort auf einem Elefanten reiten. Aber nicht wie die Touris auf einem Sitz, sondern auf dem Nacken! Als der Elefant wieder mal nicht weitergehen wollte und genüsslich Blätter frass, versuchte ich die Rufe des Elefantenführers nachzuahmen. Daraufhin hielt der Elefant mit jeder Bewegung inne und schien zu versteinern! Nicht einmal sein atmen war zu spüren! Oh, oh, wär ich mal lieber ruhig gewesen... Er schien bisher nicht bemerkt zu haben, dass was "Fremdes" in seinem Nacken sitzt. Der Guide, der "uns beiden" vorausging, rief aber wieder, und der Elefant schien beruhigt und ging weiter.
Beim anschließenden Unterricht riss mir fast die Geduld. Da Gadet nichts anderes zu tun hat, außer um mich rum zu sein, sitzt er inzwischen auch mit in der Klasse und spricht die Wörter, die ich vorsage noch vor den Kindern nach, aber so (grotten-)falsch, dass sich mir die Haare sträuben. Da er nicht verstand, hab ich ihm mit "Nachdruck" gesagt, dass erst die Kinder nachsprechen und dann er. Beim Vergleich mit anderen "Erwachsenen" hier, musste ich leider erkennen, dass bei Gadet "Hopfen und Malz" verloren ist, was das Lernen anbelangt. Hartes Los für mich, da er, seit ich hier bin, die gleichen Wörter wiederholt und noch nichts dazugelernt hat! Und so sehr ich diese Toleranz an den Thailändern bewundere, kann ich sie nicht aufbringen.
Mein Heißhunger auf Obst oder Süßigkeiten nimmt suchtartige Formen an. Hätte wohl doch auf Joe's Angebot eingehen sollen, mir was "liefern" zu lassen.
04.02.04
Wir waren den ganzen Tag zu dritt im Dschungel. Geplant war nur morgens, wir kamen aber erst um fünf zurück. Immer noch recht anstrengend für meine Beine.
Zur Mittagszeit machten die zwei anderen ein Feuer und füllten eine zuvor geschlagene Bambusstange mit einer weißen Frucht, Wasser und Päckchensuppe und ließen es über dem Feuer kochen. Leider platzte die Stange, und die Flüssigkeit lief aus. Also neuer Versuch - gleicher Erfolg. Dann das Essen in hohem Bogen in den Urwald geschmissen. Schluck... ausgerechnet heute hatte ich kaum gefrühstückt. Wir gingen nochmal eine Stunde zum nächsten Dorf, kauften dort Zutaten und kochten die dann dort.
Auf dem Rückweg erntete der eine Begleiter ein Stück Zuckerstange. Meine Laune wurde schlagartig besser. Davon hätte ich noch mehr auskauen können!
Abends keine Gäste. Bin etwas enttäuscht, dachte, Joe käme eventuell zurück.
05.02. / 06.02
Momenteindrücke des Dorfes:
Ein Stück weiter oben wird ein Kind lautschreiend mit kaltem Wasser geduscht. Morgens ein Hahnenkampf, danach wird der "Verlierer" halb jammernd, halb lachend untersucht und gezeigt, welche Verletzungen er davongetragen hat. Die Messer für den Wald werden an Steinen geschliffen. Der Vater von Gadet, der den ganzen Tag sein jüngstes Baby auf dem Arm haben kann. Ein Tier, das laut quiekend durch die Luft fliegt. Der Behinderte, der an der einzigen Saite seiner Gitarre zupft. Das Lachen einiger Bewohner, das einem das Herz aufgehen lässt. Kinder, die das Laufen auf diesem unebenen Boden lernen. Bei all den "Hindernissen" müssen sie ja ein gutes Körpergefühl bekommen. Eine Frau, die mit unheimlich dünnen Fäden die traditionellen Stoffe webt. Die Oma, die Reis drischt und Chillie, die so oft rumschreit, dass es unglaublich ist, dass ihre Kinder so nett sein können. Alle Kinder scheinen Flöhe zu haben, ich auch. Inzwischen auch Entzündungen an den Waden von den Elefanten-Milben.
Heute ist mein letzter Tag und wenn Joe nicht kommt, gehe ich eben mit einem anderen Guide.
Aber um fünf ist klar: auch heute wird niemand kommen! Also Höhepunkt: Lagerfeuer ohne Unterhaltung.
Und das gleiche am Tag danach. Ich werde langsam depressiv. Muss hier weg. Möchte mich unterhalten können. Wenn das Vermissen bestimmter Personen "Heimweh" ist, dann habe ich seit einigen Tagen starkes Heimweh. Ich träume auch davon, es scheint, dass die Ablenkung fehlt. Bin wieder "tief innen" angelangt. Bereue alles, was ich in meinem Leben machen wollte und nicht gemacht habe. Komme in einen Zustand, als würde ich nie mehr was "ändern" können. So müssen sich Leute fühlen, wenn sie wissen, dass ihre "Zeit" vorbei ist. Unglaublich, was diese paar Tage alles bewirken koennen.
07.02.04
Wie lange ein Tag sein kann, wenn man im Ungewissen ist. Aber wie ein guter Freund immer sagt: "Die Hoffnung stirbt zum Schluss!"
Nob kam! Und noch bevor ich ihn fragen konnte, sagte er: "You come with me". Also letzte Nacht und am Morgen von allen verabschiedet.
Beim Abschied musste auch unbedingt noch ein Bild zusammen gemacht werden. Die "Lehrerin" ist eben für alle was ganz "Besonderes".
Sie sind immer noch enttäuscht, Joe hat sie einfach falsch informiert. Bin froh, dass ich hier war, aber auch froh, dass ich jetzt gehe.
Im Elefantencamp durfte ich nochmal auf dem Elefanten-Nacken "reiten".
Aufbruch: | 21.11.2003 |
Dauer: | 25 Monate |
Heimkehr: | Dezember 2005 |
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