Iran - 2014
Türkei: Teil 3 - Bazargan, Iran / Kars, Türkei
Bazargan, Iran - Ausreise Türkei - Kars, Türkei
30. Mai 2014 36. Tag
Bazargan - Ausreise Iran
Kars, Nord-Ost-Anatolien - Türkei - 2 ½ Std. / 229 km
Kars - Hotel Temel - 26,00 Euro mit Frühstück
Wir stehen zeitig auf und gehen zum Frühstück, nachdem wir uns vergewissert haben, dass das Motorrad noch da ist. Das Frühstück im Hotel ist sehr gut, Eier, gute Wurst, hervorragender Schafskäse, frisches Brot, Butter, Honig und ein super Tee, kein Beutel-Tee. Abfahrt Richtung Grenze (nur ein paar Meter) um 8.30 Uhr. Vorher werden aber noch Bilder gemacht, denn wir haben einen tollen Blick auf den Ararat.
Wir müssen die Uhr um 1 ½ Std. zurückstellen, also ist es jetzt 7 Uhr. Leider ist bei der Ausreise kein Englisch sprechender Offizier vor Ort. Zwei sich wichtig machende Soldaten, die nicht lesen können, schauen ewig in unsere Pässe, obgleich sie gar nichts damit zu tun haben. Leider ist Mrs. Hassanzadeh wie wir erfahren heute nicht im Dienst. Eine junge Frau, die ein bisschen Englisch spricht, zeigt uns die zuständigen Grenzbeamten. Sie stempeln die Pässe und dann muss Rolf mit dem Carnet den weißen Zettel besorgen, der für die Ausreise nötig ist. Die Prozedur dauert bis 7.15 Uhr. Wir stehen nun vor den geschlossenen Grenzzäunen. Hier darf ich leider nicht fotografieren, was ich sehr bedaure.
Hunderte von LKWs warten auf die Abfertigung und die Ausreise bzw. auf der türkischen Seite auf die Einreise. Der reinste Wahnsinn. Man schikaniert sich hier gegenseitig. Das geht auf Kosten der wirklich zu bedauernden LKW-Fahrer, die oft stunden- bzw. tagelang an der Grenze warten müssen.
Die Iraner machen das Grenztor auf, doch die Türken nicht. Vielleicht frühstücken sie gerade. Da schließt ein iranischer Soldat den Zaun wieder. Wir warten in der schon heißen Sonne bis 8.05 Uhr. Sowohl Türken als auch Iraner machen nun die Türen auf. Die lästigen "Helfer" sind auch schon wieder vor Ort. Doch wir wimmeln sie ab, wir machen alles allein, es geht genauso schnell oder langsam. Nun kommt die türkische Passkontrolle, auch hier alles bewusst langsam, um die Iraner zu ärgern. Um 8.30 Uhr haben wir alle Formalitäten geschafft und können nun unseren Urlaub in der Türkei fortsetzen. Auf der türkischen Seite warten auch unzähliges LKWs auf ihre Abfertigung. Die Fahrer winken uns freund-lich zu. Viel Geduld müssen die haben bei der Warterei.
Zunächst fahren wir Richtung Dogubayazit, am Horizont begleitet uns der strahlende Berg Ararat, der sich heute in seiner ganzen Schönheit zeigt. Die Straße führt uns durch eine herrliche Berglandschaft, über einen Pass, 2.100 m, wunderbar die frisch Luft hier.
Dann erreichen wir Igdir in der gleichnamigen Provinz. Igdir liegt in der Talebene des Flusses Aras im Nordwesten des Ararat. Das, was wir bei der Durchfahrt von der Stadt erblicken ist sehr schön, alles wirkt sehr sauber und gepflegt. Die Provinz Igdir im Osten der Türkei grenzt an Armenien, die aserbaid-schanische Exklave Naxcivan und den Iran. Der Name Igdir bedeutet gut, groß, erhaben, tapfer.
Wir fahren nun eine zeitlang an der armenischen Grenze entlang, Wachtürme auf beiden Seiten der Grenze. Wieder dürfen wir nicht fotografieren, was wir sehr bedauern, denn die Landschaft ist herrlich. Wir erreichen eine schöne weite Hochebene, fast menschenleer. Es weht ein starker Wind. Den hier lebenden Nomaden wurden von Erdogan Häuser gebaut, doch viele dieser Häuser stehen leer. Die Nomaden wohnen wohl lieber weiter in ihren Zelten. Viele Schaf- und Rinderherden sind unterwegs. Überall prächtige bunte Blumenwiesen. Die Landschaftsbilder ähneln denen in den USA. Einmal erleben wir eine wirklich gefährliche Situation. Ein LKW überholt uns und drängt uns fast in den Graben. Die Fahrt geht hoch hinauf auf den Hanlar Gecidi, 2.286 m. Es ist recht frisch, was ich als angenehm nach der Hitze der letzten Wochen empfinde.
Nord-Ost-Anatolien
Das sind unendliche Hochebenen, mächtige Gebirgsmassive und enge Flusstäler mit den verfallenen Zeugnissen einer einst vornehmlich von Christen besiedelten Region. Eine Reise durch Ostanatolien ist noch heute mit einem Hauch von Abenteuer verbunden. Es geht durch die landschaftlich atemberaubendsten, aber auch rauesten Winkel der Türkei. Das Leben in dieser dünn besiedelten Region ist entbehrungsreich, oft bitterarm. In den Bergdörfern fallen aufgetürmte Kuhdung-Pyramiden auf, neben kleinen Lehmhäusern. Das ist Brennmittel in einer Welt ohne Zentralheizung und heißem Leitungswasser. Industrie gibt es kaum, nur in Erzurum. Die waldfreien Hochebenen auf meist 1.800 m eignen sich nur zur Weidewirtschaft. Staudammprojekte sollen in der Zukunft großflächigen Ackerbau ermöglichen.
Gegen 12 Uhr kommen wir in Kars an, nach 142 Meilen = 229 km. Hier ist der Tank erst mit 20 Euro voll und nicht mehr mit 5 Euro wie im Iran. Doch dafür funktionieren unsere Handys und Kreditkarten nun wieder. Das Bezahlen mit Millionen hat ein Ende. Rolf stand mit den Rials und Toman irgendwie auf Kriegsfuß.
Wir sind froh, dass unsere Harley alle Pässe im Iran, Hoppelpisten und Schlaglöcher und besonders die Speed-Bumps gut überstanden hat. Rolf ist sehr zufrieden.
Auf Anhieb finden wir das Hotel Temel, bekommen ein Doppelzimmer für 80 Türk-Lira, incl. Frühstück, das sind ca. 26 Euro. Während ich auspacke, läuft Rolf zur Touristeninformation. Doch die hat inzwischen ihren Sitz verlegt, so dass Rolf sich die Informationen in einem anderen Hotel geben lässt. Er bringt uns auch etwas zum Trinken mit. Nachdem wir uns umgezogen haben, machen wir uns auf, den Ort zu besichtigen. Nette kleine Geschäfte, viele Handwerker, freundliche Menschen und alles sieht sehr ordentlich und sauber aus. Der Ort wird überragt von einer Zitadelle. Rolf will die Sonne ausnutzen, um alles zu fotografieren. Der Wetterbericht hat für den späten Nachmittag Regenschauer angesagt. Wir haben ja heute 1 ½ Std. durch die Zeitumstellung Iran/Türkei "gespart" und nutzen dies nun aus. Kaum sind die Handys eingeschaltet, piepst es - Hans Wiget, Klaus Schenker haben SMS erhalten und senden Grüße zurück. Es ist inzwischen sehr warm geworden, obwohl Kars ziemlich hoch liegt, fast auf 1.800 m.
Kars Kalesi, die erstmals 1152 errichtete Zitadelle von Kars erhebt sich auf einem Plateau oberhalb des Ortes. Die türkische Armee beansprucht heute nur noch den innersten Burgring der Zitadelle. Die Festung geht auf eine armenische Schlossanlage zurück, die unter Murat III. (1574-95) zu ihrer heutigen Größe ausgebaut wurde, angeblich in nur 58 Tagen mit 100.000 Arbeitern. Während des Krimkriegs wurde die Schlossfestung völlig zerstört und als klotzige Verteidigungsanlage, die den militärischen Erfordernissen des 19. Jh. entsprach, wieder aufgebaut. Der öffentliche Teil ist frei zugänglich und kostet keinen Eintritt.
Nach der Besichtigung der Zitadelle schauen wir uns die Kathedrale von Kars an.
Zu Füßen des Plateaus liegt die ehemalige armenische Kathedrale von Kars, die "Kirche der Apostel", erbaut von dem Bagratidenkönig Abas I. Das Gebäude aus grau-schwarzem Tuffstein wurde zwischen 930 und 937 erbaut. Die Kirche wurde auch Heilige Apostel Kirche genannt, da ihr Außenbild die Skulpturen der 12 Apostel von Jesus erhielt.
Im Laufe der Geschichte diente die Kathedrale als russisch-orthodoxe Kirche, Moschee, Erdöl-Depot und Museum. Das Museum schloss im Jahr 1980 und das Gebäude wurde bis zum Jahr 1993 dem Verfall überlassen. Heute ist die Kirche eine Moschee - Kümbet Camii.
Auch eine weitere Moschee, neben der Tomb eines Märtyrers, ist uns einen Besuch wert.
Auf unserem Spaziergang entdecken wir auch einige ehemalige Badehäuser (Hamam). Sie stammen aus osmanischer Zeit. Leider sind die Badehäuser dem Verfall preisgegeben. Sie gammeln still vor sich hin. Eine Schande ist das.
Auch die Tas Köprü, eine alte Brücke über den Fluss Kars, hat es uns angetan. Die Brücke wurde 1725 total restauriert, doch sie dürfte weit über 500 Jahre alt sein.
Unter einem Baum beobachten wir einen schlafenden Mann. Zurück im Zentrum werden wir von einem sehr gut Deutsch sprechenden Türken zum Tee eingeladen. Er hat 7 Jahre in NRW bei der Bundesbahn gearbeitet. Nun besitzt er in Kars ein Restaurant und einen Käse- und Honigladen. Beide Ge-schäfte werden von seinen Söhnen und Enkeln geführt, er behält sich nur die Oberaufsicht vor, schaut, dass alle fleißig arbeiten. Käse und Honig aus Kars gelten in der ganzen Türkei als Spezialität. Die Käsereien gehen auf wolgadeutsche Einwanderer aus dem 19. Jh. zurück.
Wir wandern weiter durch den Ort, der uns gut gefällt. Gegen 16 Uhr setzen wir uns in eine Bäckerei, bestellen Tee und leckere süße Teilchen (3 Euro) und beobachten die Menschen, die vorüber eilen. Man sieht stark vermummte Frauen und freizügig gekleidete Nataschas, auf der Suche nach Kundschaft.
Nataschas - die Gefahr aus dem Osten
Früher trug der Feind Uniform, heute Minirock, Stöckelschuhe und blondierte Haare. Nataschas nennt man in der Türkei die Prostituierten aus den Ostblockstaaten, insbesondere aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Städte wie Trabzon etc. entwickelten sich zu riesigen Bordellen. Die jungen und Hübschen zogen auch nach Istanbul oder die Südküste, wo mehr verdient werden kann. Die "zweite Klasse" ist an der Schwarzmeerküste geblieben und mit ihnen der Unfrieden. Viele Familien leben am Rande des Existenzminimums, die Ehe gehen in die Brüche, da die Familienoberhäupter ihr letztes Hemd für die Nataschas ausgeben. Prostitution ist in der Türkei nichts Neues, doch spielte sich das Geschäft früher nur in staatlich kontrollierten Bordellen ab. Heute lassen sich junge türkische Nutten die Haare blond färben, lernen ein paar Brocken Russisch, um nicht alle Kundschaft zu verlieren.
Auf unserem Spazierweg sehen wir viele schöne Katzen. Sie sind zutraulich und nicht so schreckhaft wie im Iran. Und auch schöne Hunde mit Halsbändern entdecken wir. Im Iran hatten wir den Eindruck, dass man alle Hunde eliminiert hat - Hunde gelten dort als unrein.
Und die Luft, die Luft ist hier viel besser als im Iran. Es fahren nicht so viele Menschen mit dem Auto umher, denn das Benzin ist sehr teuer in der Türkei.
In einem Geschäft liegt ein kleines Kälbchen im Eingang. Ob es Wache halten soll? Wir genehmigen uns ein Eis und ein paar leckere Kirschen, 1,90 Euro.
Bei unserer Wanderung durch Kars habe ich Rolf meinen "kostbaren" Rucksack anvertraut. Er ist so schwer und drückt mich arg. Rolf ist von seinen langen Camino-Wanderungen an Gewicht auf dem Rücken gewöhnt. Ich bin arg froh, dass er mir das Tragen des Rucksacks abnimmt. Unterwegs treffen wir auch auf einige deutsche Touristen, die sich aber ziemlich blöd aufführen. Benehmen ist halt Glücksache.
"Ani Ocakbasi" - in diesem Lokal gehen wir um 18 Uhr essen. Es gibt schöne Tischdecken, einen her-vorragenden Service und sehr gutes Essen, Kosten 14,87 Euro.
Mittlerweile regnet es leicht. Doch Morgen ist wieder schönes Wetter angesagt. Wir haben ausgerechnet, dass wir in den 4 Wochen Iran ca. 76.000.000 Millionen Rials (ca. 1.700 Euro) ausgegeben haben, für Hotels, Essen, Trinkgelder, Eintritte, Sprit, Taxi Fahren, Mitbringsel. Doch ab heute sind wir keine Millionäre mehr, wir bezahlen mit Türk-Lira und Kreditkarten.
In der Nacht wird es kalt, wir brauchen unsere Wolldecken, das erste Mal seit vier Wochen. Zweimal geht der Bewegungsalarm in der Nacht am Motorrad los, d. h., jemand hat sich drauf gesetzt und es bewegt. Doch da das Motorrad direkt unter unserem Fenster steht, können wir alles sehen. Die Übeltäter erschrecken sich arg, wenn der Alarm los geht und rennen weg, denn in den Straßen patrouilliert Polizei. Einmal ist Rolf zur Kontrolle nach unten auf die Straße gegangen, um Nachzuschauen. Mir würde nie einfallen, mich auf ein fremdes Motorrad zu setzen, aber im Iran und auch hier haben die jungen Leute kein Problem damit. Nur einige wenige fragen, ob sie mal auf dem Motorrad sitzen dürfen.
Kars, auf 1.768 m Höhe gelegen, ca. 80.000 Einwohner, ist eine Mischung aus pastellfarbenem Kleinrussland und trüb-grauer türkischer Provinztraurigkeit. Die Garnisonsstadt liegt ca. 45 km westlich der Grenze zu Armenien und 65 km südlich der türkisch-georgischen Grenze.
Mehr schlecht als recht lebt man in der Provinz von der Viehwirtschaft und dem Kleinhandwerk. Kars ist Provinzhauptstadt mit einem großen Militärstützpunkt.
Die Geschichte der Stadt ist abenteuerlich:
Vor Ani war Kars von 933 bis 957 die Hauptstadt eines armenischen Königreiches. Im 11. Jh. wurde Kars von Alp Arslan (König der seldschu-kischen Türken), im 13. Jh. von den Mongolen und 1387 von Tamerlan erobert und zerstört.
Nachdem Kars und die umgebende Region 1514 Teil des Osmanischen Reiches geworden war, war die 1152 erbaute Zitadelle von Kars in späteren Jahrhunderten stark genug, 1731 der Belagerung durch persische Truppen und 1807 den russischen Truppen standzuhalten. 1828 ergab sich die Stadt dem russischen Generalfeldmarschall Paskewitsch und 11.000 Mann aus Kars gerieten in Kriegsgefangenschaft.
Während des Krim-Krieges befehligte der britische Oberst William Fenwick Williams die türkischen Truppen in der Festung Kars. Mit 40.000 Mann erreichte 1855 der russische General Murawjew die Zitadelle Kars. Die 30.000 Verteidiger konnten den Angriff der Russen abwehren. Murawjew belagerte von Juni bis November 1855 die Festung. Die Cholera und Engpässe in der Lebensmittelversorgung zwangen die Garnisonsstadt am 29. Nov. 1855 zur Kapitulation. Dieser Erfolg gestattete Russland, trotz des Verlustes von Sewastopol moderate Friedensver-handlungen zu führen.
Im Russischen-Türkischen Krieg von 1877/78 wurde die Festung während der Schlacht von Kars gestürmt und mit dem Frieden von San Stefano an Russland abgetreten. Zwischen 1878 und 1881 verließen daher ca. 82.000 Muslime die Stadt und emigrierten in das Osmanische Reich. Gleichzeitig wanderten viele Armenier, Griechen und Russen aus der Türkei und dem Kaukasus in die Region um Kars ein. Russland verlor Kars im März 1918. Der Ort wurde wieder von den Türken besetzt. Im Januar 1919 besetzten die Armenier Kars. Nach dem Türkisch-Armenischen Krieg (1920), der große Verluste unter der muslimischen und christlichen Zivilbevölkerung in und um Kars mit sich brachte, fiel Kars im Dezember 1920 wieder an die Türkei zurück. Infolge des Türkischen Befreiungskriegs gab das Osmanische Reich im Okt. 1921 mit dem Vertrag von Kars alle Ansprüche auf und erhielt im Gegenzug Kars, Artvin und Ardahan.
Die Stadt Kars vereint eine Vielzahl von Architekturstilen - armenisch, georgisch, griechisch, russisch und türkisch. Vor allem die Russen prägten das Aussehen Stadt im 19. Jh. Die Straßen sind breit und schachbrettartig angelegt. Bröckelnde Fassaden im Kolonialstil erinnern an das russische Kleinbürgertum. Trotz schwerer Zerstörungen der Stadt ist immer noch ein Hauch St. Petersburg, eine Prise Moskau zu spüren.
Die Provinzhauptstadt ist nicht typisch türkisch. Es gibt viele Etablissements, in denen gesoffen, gesunden und gehurt wird. Viele "Nataschas" gehen in Kars ihrem Gewerbe nach.
Der türkische Bildhauer Mehmet Aksoy entwarf ein ca. 30 m hohes Monument - Insanlik Abidesi (Menschlichkeitsdenkmal) - welches an die Freundschaft zu Armenien erinnern sollte. 2006 wurde das Denkmal als Reaktion auf Denkmäler, die einseitig entweder an die ermordeten Muslime oder Armenier erinnern, errichtet. Das Denkmal stand für Frieden und Brüderlichkeit. Es zeigte einen in zwei Teile gespaltenen Menschen, der das menschliche Gedächtnis symbolisierte.
Ministerpräsident Erdogan kritisierte die Skulptur und forderte die Zerstörung. Im April 2011 wurde auf Anordnung von Erdogan mit dem Abriss des Monuments begonnen. Im Anschluss an eine Protestkundgebung gegen den Abriss wurden der Maler Bedri Baykam sowie seine Assis-tentin Tugba Kurtulmus niedergestochen und schwer verletzt.
Aksoy erhob vor dem Gericht in Erzurum Klage gegen den Abrissbescheid. Der zuständige Richter erließ eine einstweilige Verfügung gegen den Abrissbescheid. Die Klage wurde jedoch von Mitgliedern der Stadtverwaltung von Kars angefochten und der zuständige Richter wurde daraufhin gegen einen anderen Richter ausgetauscht.
Im Anschluss klagte Aksoy vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Aksoy verglich die Abrissaktion mit der Zerstörung der Buddha-Statuen durch die Taliban. Die EU sprach offen von einer "Zensur der Kunst".
Im Juni 2011 wurden die letzten Steine des abgerissenen Denkmals abtransportiert. Die Stadtverwaltung will an der Stelle eine neue Skulptur aufstellen. Sie soll ein Stück Käse und Honig zeigen.
Geschichte der Armenier
Die historische Landschaft Armenien umfasst die Hochebenen zwischen Van-, Urmia- und Sewansee. Das erste nachgewiesene Volk waren die Churriter im 2. Jt. V. Chr. Das erste Reich gründeten die Urartäer im 9 Jh. v. Chr. Sie hinterließen den im 7. Jh. einwandernden phyrgischen Stämmen, aus deren Vermischung mit Urartäern das armenische Volk hervorging, eine besondere Bautradition - zwischen zwei Wände aus sorgfältig gehauenem Stein schüttete man Bruchstein und Mörtel, wodurch sehr dicke und tragfähige Mauern entstanden.
Bis zur Ankunft Alexanders des Großen stand das Gebiet unter persischem Einfluss. Dann fiel es an die Seldschuken und später an die Römer.
Im 2. Jh. setzte mit Gregor dem Erleuchter (gest. 325) die Christianisierung Armeniens ein. Gregor gilt als der Begründer der armenisch-orthodoxen auch gregorianischen Kirchenlehre. 398 überließen die Römer vier Fünftel ihrer armenischen Provinz den Persern. Um sich von den Persern zu distanzieren, wurde die armenische Schrift entwickelt.
Die Araber, die um 650 mit dem Schwert und dem Koran nach Armenien kamen, konnten das religiöse Fundament der Armenier nicht er-schüttern. Mit dem Bagratidenkönig Aschot I. entstand 885 ein armenisches Königreich, das rund 2 Jahrhunderte existierte.
Doch nicht alle armenischen Fürsten schlossen sich diesem Reich an. Am Van-See entstand das Kleinreich Vaspurakan. In Kilikien gründete man das Fürstentum der Rubeniden, Kleinarmenien genannt. Im 14. Jh. brach dieses Reich zusammen.
1064 überrannten die Seldschuken Kars und Ani, später die Mongolen.
Später gehörte Armenien zum Osmanischen Reich, in welchem die Armenier als nichtmuslimische Minderheit bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. loyale Untertanen waren und vielfach hohe Stellungen in Regierung, Verwaltung und Wirtschaft inne hatten.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. entstand der armenische Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit. Autonomiebestrebungen mit Terrorakten führten zu einem Misstrauen zwischen den Volksgruppen. Als die Armenier 1915 mit einem Aufstand die Einnahme der südostanatolischen Stadt Van durch russische Truppen unterstützten, eskalierte alles.
Die osmanische Regierung beschloss eine Radikallösung - die kollektive Deportierung der armenischen Bevölkerung Süd- und Ostanatoliens in die syrische Wüste. Dies kam einem systematischen Genozid gleich, mehr als 1,5 Mio. Armenier fielen den Verfolgungen zum Opfer. Sie wurden erschlagen, verbrannt, ertränkt und gekreuzigt, denn Munition war in Kriegszeiten rar.
Der Völkermord an den Armeniern wurde Anfang des 20. Jahrhunderts begangen, als im Zusammenhang mit armenischen Unabhängigkeits-bestrebungen und dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) eine große Zahl von Armeniern im Osmanischen Reich, aus dem die heutige Republik Türkei entstand, getötet wurde. Im engeren Sinn versteht man unter diesem Begriff die Massaker in den Jahren von 1915 bis 1917. Während viele Armenier die Vertreibungen und Massaker als ungesühntes Unrecht empfinden und seit Jahrzehnten eine angemessene Erinnerung fordern, gelten die Deportationen nach der offiziellen türkischen Sichtweise als "kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahme". Bis heute fand keine Wiedergutmachung, geschweige denn eine Aufarbeitung der Vorgänge statt.
Die türkische Leugnung des Genozid bedeutet nicht die grundsätzliche Leugnung der Toten. Seit 1965 haben 22 Staaten die durch den os-manischen Staat begangenen Deportationen und Massaker der Jahre 1915-1917 offiziell als Genozid entsprechend der UN-Völkermordkonvention von 1948 anerkannt (u.a. Argentinien, Belgien, Griechenland, Italien, Kanada, Libanon, die Niederlande, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Uruguay und Zypern).
In einer Anfrage vom 10. Februar 2010 wurde die Bundesregierung von der Fraktion Die Linke um eine klare Stellungnahme gebeten, ob die Bundesregierung die Auffassung vertrete, dass es sich bei den Massakern an den Armeniern 1915/16 um einen Völkermord im Sinne der UN-Konvention von 1948 handele. Die deutsche Bundesregierung antwortete am 25. Februar 2010: "Die Bundesregierung begrüßt alle Initiativen, die der weiteren Aufarbeitung der geschichtlichen Ereignisse von 1915/16 dienen. Eine Bewertung der Ergebnisse dieser Forschungen sollte Wissenschaftlern vorbehalten bleiben. Dabei ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Aufarbeitung der tragischen Ereignisse von 1915/16 in erster Linie Sache der betroffenen Länder Türkei und Armenien ist. Das Europäische Parlament hat mit den Beschlüssen vom 18. Juni 1987 und 15. November 2001 die Anerkennung des Völkermordes durch den heutigen türkischen Staat zu einer Voraussetzung des EU-Beitritts der Türkei erklärt und am 28. Februar 2002 in einer weiteren Beschlussfassung die Türkei zur Einhaltung dieser Vorgabe gemahnt.
Nicht einmal ansatzweise kann der kulturelle Verlust beziffert werden, der mit der Vertreibung und Ermordung der Armenier einherging. Ich persönlich bin der Auffassung, wenn man ein Land bereist, muss man sich auch mit dessen Schattenseiten vertraut machen. Und die heutige Türkei hat meiner Ansicht nach, viel wieder gut zumachen.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Armenien ein unabhängiger Staat. Doch schon 1920 annektierten kemalistische Truppen dessen westlichen Teil, den östlichen schnappten sich die Bolschewiki. Erneut starben über 30.000 Armenier. Nach dem Zusammenbruch der UDSSR besitzen die Armenier zwar endlich einen eigenen Staat, wirklichen Frieden aber nicht. Die Beziehungen zu Aserbaidschan sind infolge des Berg-Karabach-Konflikes gespannt. Man nimmt an, dass heute noch rund 70.000 Armenier in der Türkei leben.
Bilder auf meiner Facebookseite, Uschi & Rolf - Türkei oder auf www.harley-rolf.de
Aufbruch: | 25.04.2014 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 15.06.2014 |