Ruhrgebiet - unterschätztes Reisegebiet
regelmäßiger Besuch bei Freunden nördlich des Ruhrgebietes machte uns einzelne Sehenswürdigkeiten schmackhaft - außerdem gibt es dort auch mehrere Sterneköche!
Nicht alle Kapitel entstanden auf einer Reise!
es könnte eine Fortsetzungsreihe werden!
Hattingen
Altstadtrundgang - von der Stadt per Tafel vorgeschlagen
Wieviele Gefache hat das Alte Rathaus? Wo stand das "erste öffentliche Hattinger Pissoir"?
Hattingen hat's, das historische Ambiente für einen erlebnisreichen Stadtrundgang.
Wir laden Sie ein, die mittelalterliche Geschichte der Stadt bei einem Rundgang vom "Ackerbürgerhaus" bis zum "Zollhaus" zu entdecken.
An über 30 Punkten wird auf Tafeln der jeweilige Standort vorgestellt und Wissenswertes zur Entwicklung der Stadt erzählt. Der Rundgang beginnt im Herzen der Altstadt am Alten Rathaus. Von dort aus werden Sie von Ort zu Ort geleitet und erfahren so manches über diese Stadt, was Sie vielleicht bis heute noch nicht wussten.
Selbstverständlich können Sie sich auch Ihre eigene Route zusammenstellen und an jedem anderen Punkt beginnen.
Der gesamte Rundgang ist ca. 2 km lang. Kleine Pausen in der vielseitigen Hattinger Altstadtgastronomie runden den Spaziergang ab und lassen ihn zu einem unterhaltsamen Erlebnis werden.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen und einen angenehmen Aufenthalt.
(so die Stadtväter)
Aufmerksam wurden wir auf die Fachwerk-Altstadt durch den Know-How-Reiseführer Ruhrgebiet.
Die texte stammen aus den Tafel in der Stadt.
Warum ist der Kirchturm eigentlich schief?
Die St.-Georgs-Kirche ist die Keimzelle der Siedlung Hattingen. Von dem romanischen Kirchenbau aus dem 13. Jahrhundert sind heute noch der Turm, ein Pfeilersockel und andere Bauteile erhalten. Das Kirchenschiff wurde nach den Zerstörungen Hattingens 1424 und 1429 als dreischiffige gotische Hallenkirche wieder aufgebaut.
Dabei erhielt der Kirchturm seinen gotischen Spitzhelm. Für seine Neigung nach Südwesten gibt es verschiedene volkstümliche Anekdoten; eine - allerdings umstrittene - Erklärung liegt in der Baupraxis, wie der bekannte Hattinger Heimatforscher Dr. Heinrich Eversberg feststellt: "Der mehrgeschossige Turm hat eine Gesamthöhe von 56,60 m. Wie in anderen westfälischen Städten ist er bewusst mit dieser Neigung gezimmert worden, um den Druck der in Hattingen vorherrschenden West- und Süd-Westwinde abzufangen."
Seit der Reformation ist die St.-Georgs-Kirche Hauptkirche der evangelischen Gemeinde. 1807-1810 wurde die Barock-Ausstattung der Kirche beim Umbau in eine stützenfreie Saalkirche entfernt und durch klassizistische Elemente ersetzt.
Wir beginnen unseren Rundgang wie vorgeschlagen am Kirchplatz, auf dem eine Reihe historischer gebäude stehen. Schon im 13. Jahrhundert wurden unter Graf Engelbert von der Mark Münzen geprägt. Im 14. Jahrhundert ist eine Lateinschule belegt, die 1584 zur Stadtschule wurde. Das heutige Gebäude ist das Haus der Kirche.
die vor dem Haus stehende 'Hattingia' erinnert an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71
Die Kirchstraße wurde ehemals Kuhgasse genannt.
Die niedrigen Türen im hohen Bruchsteinsockel der Kirchplatzhäuser führen in das Kellergeschoss. Viele Hausbesitzer hielten sich hier ein oder zwei Kühe für den Eigenbedarf. Jeden Morgen wurden sie vom städtischen Kuhhirten durch die Kuhgasse auf die Weiden vor der Stadt getrieben. So erhielt die Gasse täglich ihr "natürliches Pflaster". Da machte es nicht viel aus, wenn die Hinterlassenschaften der Tiere durch menschliche ergänzt wurden.
Über diesem Schild, direkt über der Stalltür, ist die "Mündung" eines Abtritts erhalten geblieben, der Toilette des Hauses.
Im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler erwähnt Georg Dehio auch Hattingen und "die im Charakter noch völlig erhaltene Kirchstraße, eingeengt von den regellos vorkragenden Geschossen der Fachwerkfronten".
Der geschlossene Straßenzug war von 1972 bis 1987 durch eine Baulücke an dieser Stelle empfindlich gestört.
In den Jahren 1986/87 entstand mit dem Haus Kirchstraße 4 ein mittelalterlich proportioniertes, jedoch zeitgemäßes Fachwerkhaus. Wohnräume über 2 Ebenen und große mit Sprossen unterteilte Fenster sorgen für viel Licht. Mit seiner Fachwerkfassade, der Dachform und -neigung passt sich das Haus der historischen Nachbarschaft an. Dieses
Dieses "Moderne Fachwerkhaus" ist denkmalpflegerisch nicht unumstritten, stellt jedoch einen interessanten Beitrag für eine behutsame Stadterneuerung dar. Bei genauem Hinsehen ist die "Moderne" im Fachwerk durchaus ablesbar.
Warum heißt ein Geschäft "Laden"?
Üblicherweise öffnen sich Schlagläden vor den Fenstern zur Seite. Die beiden Holzläden vor diesen Fenstern lassen sich jedoch nach unten öffnen. Schauen wir uns den rechten Holzladen näher an!
Mitten auf der Holzplatte ist ein kleines Metallplättchen mit einem Loch in der Mitte zu erkennen. In dieses Loch wurde die Spitze einer Holzstütze gesteckt, die die Holzplatte im geöffneten Zustand in der Waagerechten hielt.
Der Geschäftsinhaber, der Krämer, stand im Haus und breitete seine Waren auf dem Holzladen aus. Der "Laden" war geöffnet. Der Kunde stand draußen vor dem Laden und wählte die Ware aus. Gegen Abend räumte der Ladeninhaber seine Waren wieder ins Haus, nahm die Stütze heraus und zog den Laden zu. Der "Laden" war geschlossen.
Warenangebote hinter Schaufenstern gab es erst, nachdem man in der Lage war, großflächige Glasscheiben zu produzieren. Bis dahin wurden in allen Hattinger Geschäftshäusern Waren auf solchen "Läden" angeboten.
Bei diesem Haus ist das Warenangebot noch bekannt. Es hieß "dat Hüs op'm Sand". Hier wurde der feine Sand angeboten, den man am Wochenende nach der Reinigung der Wohnhalle auf die Sandsteinplatten des Fußbodens streute.
Emscheplatz
Zwischen Steinhagen und Emschestraße standen ursprunglich Fachwerkbauten aus dem 17. und 18. Jahrhundert und deutlich höhere Gründerzeitgebäude aus der Jahrhundertwende. Auch hier entschloss man sich zur Flächensanierung. Das Haus Emschestraße 12 stand ursprünglich nur wenige Meter von hier entfernt am Flachsmarkt. Im Rahmen der Translozierung wurde es sorgfältig zerlegt und im vermutlichen Erscheinungsbild aus dem Erbauungsjahr 1553 wieder aufgebaut. Wie viele Hattinger Fachwerkhäuser war das Gebäude an seiner ursprünglichen Stelle klassizistisch überformt. Die historische Aufnahme zeigt das Haus an seinem ursprünglichen Standort.
Der moderne Anpassungsbau links daneben wahrt hinsichtlich Firsthöhe, Dachneigung und Hausbreite die historischen Maßstäbe.
Eine Besonderheit ist das weiter links befindliche Haus Emschestraße 16, das mit seinem großen Dielentor im Giebel und seinen eher bäuerlichen Proportionen eine in Hattingen untypische Bauform repräsentiert. Das Haus stammt auch tatsächlich nicht aus Hattingen, sondern ist ein Bauernhaus von Möhnesee, das hier neu aufgebaut wurde. Ais Fachwerkhaus fügt es sich zwar in die Altstadt ein, es bleibt jedoch die Frage, ob die Grenze regionaltypischen Bauens nicht überschritten wird.
Der Befestigungsvertrag von 1396 ermöglichte den bau einer ersten Befestigung Hattingens. Sie bestand aus einem 'tun-stacket' , einem Flechtzaun zwischen Eichenpfosten, dem Stadtgraben und dem Wall aus dem ausgehobenen Material. Die Kirchwege aus den fünf Bauernschaften und die beiden Eingänge der Fernstraße wurden durch 5 Stadttore gesichert.
Die Stadtbefestigung gilt als Zeitpunkt der Stadt-werdung. Aus den Hattingern wurden Bewohner einer burgähnlichen Befestigung - Bürger.
Der wirtschaftliche Aufschwung - Hattingen war Mitglied des Hansebundes - ermöglichte zwischen 1586 und 1590 eine Erneuerung der Stadtbefestigung in Bruchstein. Sie bestand aus der inneren Mauer, der heutigen Grabenstraße, der Außenmauer und dem davorliegenden Stadtgraben. Der alte Wall wurde eingeebnet. Um 1820 wurde die Stadtbefestigung abgebrochen, da sie verteidigungstechnisch nutzlos geworden war und Hattingen in dieser Zeit über seine mittelalterlichen Grenzen hinauswuchs.
Die Wirksamkeit der Befestigungsanlagen wurde im Dreißigjährigen Krieg auf eine harte Probe gestellt. Der in schwedischen Diensten stehende Oberst Wilhelm Wendt zum Krassenstein belagertet mit 3.000 Söldnern die Stadt. Nach zehntägiger verlustreichee Belagerung mußte sich die Stadt ergeben und 3000 Goldgulden Strafe zahlen.
Eines der bekanntesten Fachwerkhäuser in Hattingen ist das Bügeleisenhaus. Sein Name ist durch die grundstücksbedingt eigenwillige Grundrissform und seinen prägnanten Giebel entstanden. Es ist eines von zwei Privathäusern, deren Denkmalwert schon 1909 vom Provinzial-Konservator Ludorff anerkannt wurde. Das dreigeschossige Haus wurde in zwei Bauabschnitten (1611 und ca. 1620/30) errichtet, die sich an der Eingangsseite anhand der unterschiedlichen Ornamentik der stützenden Knaggen gut unterscheiden lassen.
Über den Erbauer Wilhelm Elling ist wenig bekannt, seine Nachfolger betrieben in dem Haus bis 1856 die Tuchweberei. 1856 erwarb der Metzger Salomon Schmidt das Bügeleisenhaus und richtete hier Schlachtraum, Wurstküche und Verkaufsraum ein. Zu diesen Umbauten gehört auch das klassizistisch gestaltete Schaufenster.
1941 wurde das Bügeleisenhaus als jüdischer Besitz zugunsten des Deutschen Reiches enteignet. Nach dem 2. Weltkrieg kam es in den Besitz der Jewish Trust Corporation (JTC), einer jüdischen Treuhandgesellschaft, von der der Heimatverein Hattingen es 1955 erwarb.
Von 1956 bis 1962 erfolgte die Restaurierung des abbruchreifen Hauses in Zusammenarbeit mit dem damaligen Landesdenkmalamt als Vorbild für die bevorstehende "allgemeine Erneuerung des Fachwerks in der Altstadt".
Der Haldenplatz musste im Laufe der Geschichte mehrfache Umbenennungen hinnehmen. Ursprünglich hieß er "Hallenplatz", der Platz an der Fleischhalle. Als diese nur noch Rathaus genannt wurde, ging der Sinn der Bezeichnung verloren. 1782 wird der Platz wegen seiner geringen Größe und der Form eines diagonal geschnittenen Rechtecks als "halber Platz" bezeichnet. 1891 trägt er im Hinblick auf das leicht fallende Gelände den Namen Haldenplatz.
Die Fachwerkhäuser sind Kaufmannshäuser und stammen aus dem frühen 17. und 18. Jahrhundert.
Im Haus Haldenplatz 8 wurde 1838 die Hattinger Sparkasse eingerichtet. Sie war damit eine der ersten Kreditinstitute Westfalens. Als Tresor diente eine schwere Holztruhe in der Schlafstube des Rendanten. Am 30.9.1843 wurden nachts aus der Schlafstube 57 Taler des Sparkassengeldes gestohlen. Der Dieb konnte unerkannt entkommen.
Von hier aus wurden einst die Geschicke der mittelalterlichen Stadt Hattingen geleitet. So wie sich das Alte Rathaus heute dem Betrachter zeigt, wurde es allerdings nicht erbaut. Dieses Schmuckstück der Altstadt hat
eine wechselvolle Geschichte, die schon vor 1420 als Markthalle für
den Verkauf von Fleisch begann. Die Selbstverwaltung der Stadt erforderte schließlich Amtsräume für die Stadtschreiber, den Bürgermeister und
die Ratsherren. So erneuerten die Bürger 1576 ihr "raithus"
über der Fleischhalle mit zwei Fachwerketagen und hoch aufragenden Spitzgiebeln. Damit waren Markthalle, Verwaltung und Versammlungsstätte unter einem Dach.
Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Gebäude im klassizistischen Stil modernisiert. Die Spitzgiebel wichen Walmdächern, die Ratshalle erhielt große Fenster, das Fachwerk wurde dem Zeitgeschmack entsprechend verputzt. Die Markthalle wurde auf einen schmalen Durchgang reduziert, rechts und links baute man Gefängniszellen ein.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ein Rathausneubau notwendig und das Alte Rathaus frei für die Nutzung als Heimatmuseum. In den 50er Jahren wurden Kriegsschäden beseitigt und das frühere Erscheinungsbild mit seinen 400 Gefachen wieder freigelegt. Seit der 1993 .abgeschlossenen Restaurierung befinden sich hier die Städtische Galerie und eine Kleinkunstbühne.
Der Kunstverein Hattingen e.V. hat zum 600-jährigen Jubiläum der Stadt Hattingen 1996 auf dem ehemaligen Gelände der Henrichshütte - heute Gewerbe- und Landschaftspark -ein "Denkmal auf Zeit" installiert. Die "Menschen aus Eisen" des polnischen Bildhauers Zbigniew Fraczkiewicz erinnern an den ehemaligen Stahlstandort Hattingen.
Eine Initiative von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Hattingen hat es ermöglicht, dass drei Skulpturen in der Stadt bleiben konnten.
Im Kontrast zur historischen Altstadt bilden die Eisenmenschen als entnaturalisierte und mehrfach gespaltene Produkte der Industrietechnologie eine dauernde Erinnerung an die Geschichte von Stahl und Eisen im Hattinger Ruhrtal, die mit dem letzten Abstich am 18. Dezember 1987 beendet war.
Obermarkt
Die platzartige Verbreiterung der Heggerstraße diente zusammen mit dem Untermarkt als Hattinger Marktplatz.
An Markttagen hockten Straßenhändler in ihren Verkaufsständen entlang der Straße und "verhökerten" ihre Waren. Das kleinteilige Angebot herumziehender Händler: Gewürze, Gürtel, Täschchen, Beutel, Spiegel, Kämme, Nadeln, Schnüre, Brillen usw. wurde als Kram bezeichnet, der Händler als Krämer.
1905 wurde auf dem Obermarkt, "einem allgemeinen Bedürfnis Rechnung tragend", das erste öffentliche "Pissoir" aufgestellt. Als die Fußgängerzone eingerichtet wurde, entstand hier eine moderne Sitzplastik, die infolge eines Aprilscherzes der örtlichen Presse - Fotomontage mit Affen - im Volksmund "Affenfelsen" genannt wurde.
Seit 1988 erinnert der "Treidelbrunnen" von Bonifatius Stirnberg, Aachen, an die Bedeutung der Ruhr als Transportweg für die Ruhrkohle.
Aufbruch: | September 2014 |
Dauer: | circa 4 Wochen |
Heimkehr: | Oktober 2014 |