Chile und Patagonien - Wohin der Wind uns weht
Parque National Torres del Paine: Tage 5 - 7: Los Perros bis Grey
Vom Campamento Los Perros bis zum Campamento Paso
Der vorige Abend war ja sehr kalt gewesen und es hatte irgendwann ja auch zu regnen begonnen. Aber der Campingplatzbetreiber meinte, so lange es am Morgen nur regnete oder nasser Schnee läge, würde der Pass begehbar sein. Nur trockener Schnee wäre ein Problem. Doch als wir morgends aufwachten hatte sich das Wetter beruhigt. Ein paar erste Sonnenstrahlen lugten sogar durch die Bäume, es war weniger Wind und die meisten Bergspitzen waren zu sehen. Also frühstückten wir im Zelt, um danach so früh wie möglich aufzubrechen. Schliesslich stand quasi die Schlüsseletappe für das Gelingen des Circuito Grande auf dem Programm: die Überquerung des Paso John Garner, die nur bei gutem Wetter (= kein trockener Schnee im Tal am Campamento Los Perros) empfohlen wird.
Als sich dann noch herumsprach, dass der Luftdruck kontinuierlich steige - ein Wanderer hatte ein Barometer dabei - herrschte endgültig Aufbruchstimmung im ganzen Camp. Wir starteten als Dritte den Weg in Richtung Pass, was angesichts Reinhards morgendlicher Anlaufschwierigkeiten tatsächlich eine Notiz wert ist. Für alle Fälle nahm Reinhard noch eine Schmerztablette wegen seines Knies und los gings.
Der Weg führte uns zunächst durch dichten, sumpfigen Wald und wir waren froh, dass wir die Gamaschen angezogen hatten. Immer wieder mussten wir kleine Umwege gehen, um nicht im Morast einzusinken und nasse Füsse zu bekommen. Noch dazu erschwerten dichtes Strauchwerk im Weg und umgefallene Bäume den Aufstieg zusätzlich. Nach ungefähr einer Stunde kamen wir dann aus dem Wald heraus. Die verbleibenden zwei Stunden zum Pass mussten wir grösstenteils über Geröll und auch über das ein oder andere - zugegebenermassen kleine - Schneefeld zurücklegen. Auf diesem freien Geländer bekamen zum zweiten Mal die patagonischen Winde zu spüren. Immer wieder nahm uns der Wind fast den Atem, einzelne Böen brachten uns aus dem Gleichgewicht und wir mussten - schräg im Wind liegend und fast auf alle Viere gestützt - abwarten bis der Wind sich soweit beruhigte, dass wir den nächsten Schritt machen konnten. Na das konnte ja heiter werden, am Pass oben!
Noch schlimmere Winde befürchtend beschlossen wir dann kurz vor der Passüberquerung eine Rast an einer windgeschützten Stelle einzulegen. Mit ein paar steinharten Müsliriegeln (Kann uns bitteschön mal jemand sagen, wie luftdicht eingepackte Riegel austrocknen können?) und unserem leckeren selbstgemischten Studentenfutter machten wir uns also bereit für das was wir windtechnisch gesehen am schlimmsten erwarteten: den Pass.
Und dann kamen wir hoch auf 1240m, die höchste Stelle unseres Treks, hielten schon mal die Luft an und ... Nichts! Kein Wind, nicht das kleinste Lüftchen!
Wir konnten einfach so da oben stehen und die tolle Aussicht auf den Glaciar Grey geniessen, der sich hier einige Kilometer (die Angaben schwanken - je nach Alter der Literatur - zwischen 7 und 20) vom südlichen Inlandeis her in die Landschaft presst. Wir müssen wohl wirklich aussergewöhnlich grosses Glück gehabt haben, denn alle Ortskundigen, denen wir davon erzählten, schüttelten nur ungläubig den Kopf und meinten das gäbe es fast nie.
Allerdings - so jedenfalls unsere Feststellung - hat Windestille in diesem Park meist zu bedeuten, dass schlechtes Wetter naht. Und genau das sahen wir von Westen her auch schon über das Eis kommen. So machten wir hin den sehr steilen und meist glitschigen Abstieg anzutreten, für den alle Wanderführer einstimmig Vorsicht anmahnen. Mit schlechtem Wetter würde das nur noch schwieriger werden, was Reinhards Knie - das glücklicherweise noch hielt - mit Sicherheit schlecht täte.
Zwei Stunden später hatten wir uns den wirklich steilen Abstieg hinuntergequält und erreichten - beide mit schmerzenden Knien - gegen 15 Uhr das Campamento Paso. Wir beschlossen es für diesen Tag dabei zu belassen, da es bis ins nächste Camp 3,5 h sein sollten.
Kaum hatten wir einen guten Platz für unser Zelt gefunden und es im Trockenen aufgestellt bestätigten sich unsere Wetterbeochtungen. Es fing an zu regnen. Erst leicht mit einigen Pausen, dann jedoch immer stärker und schliesslich durchgehend. Das sollte auch die ganze Nacht so bleiben. Kochen konnten wir dennoch im Trockenen, da das Camp über einen Windschutz verfügt und auch die Körperpflege machte mehr Spass als sonst, weil wir warmes Wasser zur Verügung hatten. Wie herrlich einfach man doch zufriedengestellt werden kann!
Diese Nacht wurde die nasseste für uns und unsere Ausrüstung. Zum Einen fanden wir zwei kleine undichte Stellen am Zelt. Da die allerdings in der Apsis in Bodennähe sind, sind sie unkritisch. Mit Nahtabdichter würden wir dieses Problem sicher beheben können. Zum anderen - und das war schlimmer - reichte das Aussenzelt bedingt durch eine Bodenwelle nicht überall bis zum Boden. Dadurch spritzten die Regentropfen von dem völlig aufgeweichten Waldboden unter dem Aussenzelt gegen das Innenzelt und dort schliesslich hinein. Dem entsprechend waren am nächsten Morgen Schlafsäcke und Kleidung etwas klamm. Alles in allem waren wir aber gut davon gekommen. Ein kanadisches Ehepaar war völlig abgesoffen und kämpfte mit pitschnasser Ausrüstung.
Vom Campamento Paso bis zum Refugio Grey
Uns stand mit nur ca. 4 Stunden Gehzeit ein kurzer Wandertag bevor. So machten wir uns auch erst verhältnismässig spät auf den Weg. Mitlerweile hatte es bis auf gelegentlich etwas Niesel auch aufgehört zu regnen. Wir stellten noch einmal schon nach kurzer Zeit noch einmal fest einhellig, dass die Entscheidung im Campamento Paso zu bleiben, die richtige gewesen war. Es herrschten teils schwierige Wegverhältnisse und wir mussten zwei Schluchten durchqueren. In die ging es steil runter und aus ihnen ebenso steil wieder rauf. Immerhin gab es fest in den Wänden verankerte Holzleitern. Und da sie vertrauenserweckend aussahen, nutzten wir diese Hilfen natürlich gerne.
Die Wanderführer hatten für diesen Tag 400 Meter Abstieg angegeben. Um so überraschter waren wir, dass es erstmal beständig bergauf ging. Dass tolle daran war aber, dass wir so immer wieder denn Blick auf den Lago Grey und den in speisenden Gletscher geniessen durften. Nach etwa 2,5 statt der angegegebenen 3,5 Stunden erreichten wir dann schon das Campamento Las Guardas, pünktlich als Regen wieder einsetzende. Da aber auch dieses Camp über einen überdachten Windschutz verfügte, war uns eine trockene Pause vergönnt.
Während dieser erlebten wir eine weitere patagonische Wetterkapriole: Die Sonne schien uns ins Gesicht und zugleich verstärkte sich der Regen! Aber nach einigen Minuten hörte es doch auf zu regnen und wir nutzten die Gunst der Stunde, um zu einem nahegelegenen Aussichtspunkt zu gehen. Von dort hatten wir den direkten Blick auf die Abbruchkannte des Gletschers. Wie herrlich blau das Eis doch bei Sonnenschein leuchtet!
Kaum waren wir zurück im Windschutz trafen 2 chilenische Wanderer ein, mit denen wir sofort ins Gespräch kamen. Sie erzählten uns, dass man an unserem Tagesziel, dem Refugio Grey, bei einer Agentur Ausflüge auf den Gletscher buchen kann. Das hörte sich interessant an, denn auf einem Gletscher waren wir beide noch nicht gewesen - vom Skilaufen mal abgesehen. Mit dieser Idee im Gepäck machten wir uns also auf zum Refugio Grey, das wir nach einer weiteren Stunde erreichten.
Dort angekommen hatte sich die Sonne durchgesetzt und wir bauten schnell das Zelt auf. Das war auf dem Sandstrand gar nicht so einfach und wir mussten grosse Steine nutzen, um die Leinen ordentlich abspannen zu können. Aber es wehte ja auch nur eine leichte Brise und nicht der übliche Wind.
Für das Trocknen unserer Ausrüstung waren das perfekte Bedingungen. Und die nutzten wir natürlich, legten unsere Sachen raus, gingen zufrieden mit unserem Glück in die Hütte und bestellten Kakao. Da sassen wir, genossen unser Heissgetränk und dachten noch: "Ach wie schön ist es doch, drinnen im Warmen zu sitzen, wenn es sich draussen zuzieht." Als dann die ersten dicken Tropfen vom Himmel fielen bemerkte Christina, dass Reinhards Schlafsack noch immer zum Trocknen über einen Baum hing. Reinhard konnte durch einen beherzten Spurt zum Glück schlimmeres verhindern. Denn kaum hatte er seine Miefwurst zusammengerafft und schnell ins Zelt geschmissen, fing es wieder richtig an zu schiffen. Puh, das war knapp!
Anders erging es wieder den beiden Kanadiern: Die waren auch in der Hütte und wurden von dem Regen überrascht. Allerdings hatten sie noch immer alles draussen ausgebreitet. Auch das Zelt stand nicht und so verteilte der Wind die Ausrüstung über den halben Platz und der Regen machte sie nass. Die beiden würden wohl keine gute Nacht verbringen.
Ach so: Da war ja auch noch die Sache mit dem Gletschertrekking. Auch hier war das Glück uns Hold, denn wir ergatterten die letzten beiden freien Plätze für den nächsten Tag. Super, uns stand ein Ruhetag bevor: Nur ein paar Stunden "Spazierengehen" auf dem Glaciar Grey! Wir bekamen unsere Ausrüstung - Steigeisen und Klettergurte - ausgehändigt und entbanden die Agentur per Unterschrift von jeglicher Verantwortung, falls bei dem Eistrekking irgendwas wie z. B. ein ernster Unfall passieren würde. .... Ähm, wie war das nochmal mit dem Ruhetag?
Gletschertrekking auf dem Glaciar Grey
Unser Gletscherausflug startete erst gegen halb zehn, und da wir eine weitere Nacht auf diesem Campingplatz bleiben würden, starteten wir den Morgen gemächlich. Trotzdem standen wir überpünktlich dann bei der Agentur, was sicher an unserer Vorfreude auf den uns bevorstehenden Spass lag.
Da das agentureigene Boot defekt war fuhren wir mit einem Ausflugsboot zum Glaciar Grey mit, das uns dann am Einstieg auf den Gletscher absetzte. Zuvor allerdings durften wir noch die Panoramafahrt an der Abbruchkante des Gletschers entlang mitnehmen. Damit stellte sich der Ausfall des agentureigenen Bootes auch noch als echter Glücksfall für uns raus!
Gegen elf kamen wir beim Gletschereinstieg an, erhielten noch Eispickel und legten die Glettergurte und Steigeisen an. Die Guides zeigten uns dann einige wesentliche Techniken für das Gehen auf dem Gletscher und führten uns anschliessend ca. 4 h über die Eismassen. Welch ein Ruhetag !. Während dieser Zeit erfuhren wir allerhand wissenswertes über den Gletscher, das Inlandeis und die Auswirkungen des Klimawandels. Die Guides zeigten uns wie abwechslungsreich diese Eislandschaft ist, denn wir schauten nicht nur durch Spalten in das Innere des Gletschers, sondern sahen auch Kanäle, Flüsse, Grotten, eine sprudelnde Quelle und die Mittagspause verbrachten wir an einer kleinen Lagune inkl. Wasserfall.
Den Höhepunkt hatten sich die Guides für das Ende aufgehoben: Eisklettern. Deshalb brauchten wir auch die Klettergurte. Denn natürlich mussten uns die Guides sichern an dieser ca. 8m hohen Wand, von der die letzten 4m senkrecht waren. Dort wurden oben Eisschrauben befestigt und dann erklomm jeder von uns toprope die Wand. Das war gar nicht so einfach wie es bei den Guides aussah. Denn das Eis ist natürlich hart und man benötigt wirklich richtig viel Kraft, um die Steigeisen so in das Eis zu rammen, dass man genügend Halt für den nächsten Schritt hat. Geschafft haben wir es aber alle.
Zurück im Campamento Grey liessen wir beim Kochen und Rumhängen im Zelt noch einmal diese tolle Erfahrung Revue passieren. Und der Abend hatte für uns noch eine weitere Überraschung parat. Denn plötzlich stand das schweizer Pärchen wieder vor uns, die wir schon im Parque National Huerquehue sowie auch auf der Fähre getroffen hatten. Das gab natürlich ein tolles Hallo und wir tauschten gleich noch unsere bis dahin gesammelten Eindrücke auf dem Circuito Grande aus. Denn auch Ruben und Monika waren auf diesem unterwegs.
Aufbruch: | 01.12.2006 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 09.02.2007 |
Spanien
Deutschland
Argentinien