Chile und Patagonien - Wohin der Wind uns weht
Provincia de Tierra del Fuego: Parque National Tierra del Fuego
Dieses mal hatten wir beschlossen, schneller als sonst zu unserer nächsten Wanderung aufzubrechen. Statt uns ein bis zwei Tage in der Stadt aufzuhalten wollten wir nur eine Übernachtung machen und dann schon in Richtung des Nationalpark Tierra del Fuego aufbrechen. Das Problem war nur, das wir erst um halb neun Uhr am Abend in Ushuaia ankommen würden. Doch bisher hatte das System mit den uns ansprechenden Hospedajeinhabern ja immer gut funktioniert und da die Supermärkte üblicherweise auch sonntags bis um 22 Uhr offen sind, sollte auch das Eindecken mit Lebensmitteln für den Trek problemlos sein.
Tja, und dann kamen wir in Ushuaia an, stiegen aus dem Bus aus und hatten jeder extra schon eine Hand für die Werbezettel frei. Aber hier in Patagonien hat nicht nur das Wetter Überraschungen parat, nein auch das Land. Offensichtlich war die Stadt so ausgebucht, dass KEIN EINZIGER Hotelbetreiber sich noch die Arbeit machen wollte Touristen abzugreifen. Wir schauten uns nur verdutzt an. Wenn wir mit allem gerechnet hätten, aber nicht damit, dass uns gar niemand anspricht. Na dann also doch wieder zurück zu unserer ursprünglichen Methode: Ins Buch schauen und die Empfehlungen durchgehen. Damit begonnen wir dann auch gleich, aber nur um festzustellen, dass die Stadt wohl echt voll war. Denn wir bekamen im ersten Hotel eine Absage, weil es ausgebucht war. Auf dem Weg zu den nächsten Empfehlungen wollten wir an allen offensichtlichen Herbergstüren klingeln. Die nächste der wir uns näherten war die eines Backpackers, was einer Jugendherberge am ähnlichsten kommt. Und hier gab es dann doch noch 2 freie Betten in einem 6er-Zimmer. Da wir befürchteten sonst nichts mehr zu bekommen waren wir nicht wählerisch und nahmen die Betten. "Mein Gott, für eine Nacht würde das schon gehen", meinten wir, stellten unsere Rucksäcke ab und gingen einkaufen. Auf dem Weg zum Supermarkt sahen wir dann noch andere Mitfahrer aus dem Bus, die bisher offensichtlich weniger Erfolg gehabt hatten. Wir hatten uns also genau richtig entschieden, PUH!
Am nächsten Morgen war dann für uns nicht mehr viel zu tun, ausser noch ein paar Kleinigkeiten zu besorgen, Studentenfutter und Müsli zu mischen und vor allen Dingen die Abfahrt aus der Stadt zu organisieren. Denn vom Hörensagen wussten wir schon, dass es jetzt in der Hauptreisezeit schon einmal eng werden könnte mit Bustickets. Und genau dieser Teil stellte sich auch als der schwierigste dieses eigentlich als Wandertag geplanten Tages heraus. Es kostete Reinhard geschlagene 2 Stunden, um bei der Busgesellschaft zwei Fahrkarten zu besorgen.
Von Ushuaia zur Laguna Encantada
Aber schlussendlich konnten wir am frühen Nachmittag doch noch los. Wir fuhren mit dem Taxi bis zur Turbera Valle Andorra, dem Ausgangspunkt für unsere Wanderung über den Paso de la Oveja (zu deutsch: Schafspass). Dieser Trek wurde von unserem Buch mit einer Dauer von 3 Tagen angegeben. Aber da wir den Abstecher zur Laguna Encantada einbauen wollten und eben gerne zelten, hatten wir uns auf vier Tage eingerichtet. Der Trek war aufgrund fehlender Infrastruktur in Form von echten Campingplätzen und Wegmarkierungen mit einer mittleren Schwierigkeit angegeben. Es hiess also: aufgepasst! Aber wie wir bald feststellten, gab es eigentlich nur einen Pfad, so dass wir den Weg hinauf zu der Lagune gut fanden. Der Weg selbst verlief zunächst am Fluss entlang bis wir diesen an einer flachen Holzbohlenbrücke überqueren konnten. Das kam uns sehr entgegen, denn laut unserem Wanderführer hätten wir den Fluss eigentlich durchwaten müssen. Und das hätte uns sicher weniger Freude bereitet. Anschliessend tauchte der Pfad auch schon in einen sich überlassenen Wald ein. Und das obwohl wir an dieser Stelle eigentlich noch gar nicht innerhalb der offiziellen Parkgrenze waren. Schon erstaunlich wie nahe der Stadt hier unberührte Natur existiert. Der Weg stieg bald darauf steil an. Von der Art her ähnelte seine Beschaffenheit der im Parque National Vicente Pérez Rosales. Denn auch hier wurden umgestürtzte Bäume nicht weggeräumt, sondern die Wanderer müssen - manchmal etwas mühevoll - aussen drum herum gehen um das Gestrüpp. Dennoch erreichten wir nach kaum zwei Stunden schon die Lagune, an der wir unser Camp einrichteten. Zum ersten Mal in unserem Urlaub waren wir jetzt so richtig weg von der Zivilisation. Ausser unserem Zelt, ein paar Vögeln, Bibern und einem Wasserfall für unsere Versorgung mit Frischwasser war hier tatsächlich NICHTS.
Aber genau damit fühlten wir uns richtig wohl und genossen unseren ersten Abend in völliger Zweisamkeit, die wir im Zelt verbrachten, da es draussen regnete.
Von der Laguna Encantada zum Oberen Arroyo Grande
Am sehr frühen Morgen war es draussen noch Trocken und wir hatten einen herrlichen Blick zurück in Richtung Stadt.
Aber das war so um sechs gewesen, also noch viel zu früh zum Aufstehen. Und so krochen wir noch einmal zurück in unsere Schlafsäcke, die auch viel kuscheliger waren als die niedrigen Temperaturen draussen. Ausserdem hatten wir ja auch "nur" 4,5 Stunden zu gehen, da konnten wir uns das locker leisten. Doch als wir dann kurz vor acht wirklich aufstanden regnete es wieder. Na ja, da wir sowieso immer im Zelt frühstückten störte das ja nicht weiter. Aber als es dann um halb zehn immer noch regnete - zwischendrin waren nur so ein paar zweiminütige Regenpausen gewesen - schauten wir uns den Himmel doch mal genauer an. Oh, oh, das sah nicht gut aus. Es hatte sich zugezogen und der leichte Regen war zu einem richtig schön durchdringenden Landregen geworden. Also verdrückten wir uns schnell wieder in unsere wasserdichte Campingburg und schmiedeten Alternativpläne. Spätestens losgehen würden wir so um 14 Uhr müssen, dann könnten wir noch stressfrei bis zum Tageszielpunkt laufen. Doch, ehrlich gesagt, glaubten wir zu diesem Zeitpunkt daran nicht. Die andere Alternative, auf die wir uns daher einstellten, war ein Wartetag im Regen, in der Gemütlichkeit eines 2-Personen-Zelts mit ausreichend Platz und zusammengeknüpften Schlafsäcken.
So lagen wir da, dösten nochmal ein und gaben uns anschliessend wunderbar der Langeweile hin. Nun hörte es zwar auf zu regnen, aber wir machten uns noch keine Sorgen. Das würde schon wieder anfangen, was es auch bald wieder tat. Wenngleich es uns auch so schien, dass es draussen ein klein wenig heller geworden sei. Wir hatten bisher schon so oft von einem Wartetag gesprochen, an dem wir aber auch rein gar nichts tun würden, dass wir diese faule dahinliegen jetzt richtig zu geniessen begannen. Wir hatten so wenige Dinge zu tun, dass wir uns genau überlegten, wann wir denn mal in der Apsis nachschauen sollten, ob denn auch nirgends ein Leck ist. Oder wann wir denn am besten Kochen sollten. Aber mitten in diese herrlich einfachen Gedanken versunken, bemerkten wir kaum, dass es schon wieder aufgehört hatte zu regnen. Sowas, das Wetter würde uns doch am Ende nicht noch unsere "Pläne" für den Regentag kaputtmachen. Oder doch? Nun, als es dann noch heller wurde im Zelt und dann auch noch die Schatten der Bäume in unser Zelt fielen, hatten wir wirklich gar Chance mehr. Wir mussten einfach akzeptieren, dass jetzt draussen tatsächlich die Sonne schien. Tja, so richtig glücklich war darüber ehrlich gesagt keiner von uns beiden. Und unsere inneren Schweinehunde stämmten sich mit restlos allen verfügbaren Mitteln gegen jede Form der körperlichen oder geistigen Aktivität. Aber es war halt auch erst 12 Uhr. Und das hiess wir könnten es noch schaffen! Wenn, ja wenn das Wetter stabil bliebe. Um das herauszufinden müssten wir aber wenigstens mal einen kurzen Blick auf den Himmel werfen. Vielleicht war das ja doch nur eine Wolkenlücke. Als wir uns dann endlich aufgerafft hatten das herauszufinden, hatten wir dann aber auch gar keinen Grund mehr noch länger liegen zu bleiben. Denn der Himmel war jetzt fast wieder wolkenfrei, und unser Zelt trocknete bereits.
Na gut, dann also doch keine Faulenzerei. Es blieb uns ja irgendwie nichts anderes übrig. Hier in Patagonien musst du deine Pläne nach dem Wetter richten. Und wenn sich das Wetter ändert, ändert sich der Plan. Okay, wie war das nochmal? Ach so, Camp abschlagen und loslaufen. Ja. Na gut.
Diese Wetterbesserung hatte uns in unserer fast schon tiefschlafartigen Langeweile so verblüfft, dass wir tatsächlich dann erst um 2 Uhr am Nachmittag loskamen. Zunächst einmal mussten wir von der Laguna Encatada zurück bis zum Startpunkt des Vortages. Von dort ging dann der eigentliche Weg über den Paso de la Oveja los. Da wir den Weg hinunter ja schon kannten ging es recht schnell und wir überquerten schon bald wieder den Fluss Arroyo Grande. Nun also nur noch gut 20 Minuten weiter zurück entlang der Torfstecherei (Turbera genannt) mit den Ständern trockenender Torfstücke und dann weiter auf dem richtigen Weg.
Der Beginn des Weges war beschrieben als alte Strasse für Allradfahrzeuge. Ja, aber da standen wir doch nun auch schon. Und das bereits auf Höhe der Torfstecherei. Ach, und wenn wir schon da waren, warum sollten wir also weiter zurückgehen? Und wir waren ja da, oder? Nein, kein oder, wir waren auf der Strasse, Punkt.
Wir waren da völlig einer Meinung und absolut von uns überzeugt. Wir gingen also erst einmal hier auf diesem Feldweg weiter. Aber irgendwie passten die Beschreibungen in unserem Buch nun nicht mehr so ganz auf das Terrain, das wir hier hatten. Aber egal, wir mussten richtig sein. Komisch nur, dass hier so gar keine anderen Fussspuren waren. Dabei hatte uns die nette Dame in der Touristeninformation doch noch gesagt, dass der Weg von vielen Leuten genommen werde und dem entsprechend gut erkennbar sein. Aber das hier war doch die alte Strasse. Nur so langsam fingen ein paar kleine, leise Zweifel an unserer felsenfesten Überzeugung zu nagen. Nun ja, diese kleinen, leisen Zweifel bekamen nun langsam Unterstützung. Denn der Weg, der eben noch ganz klar gewesen war verschwand mehr oder weniger mit einem Mal im Unterholz. Das war jetzt hier zwar ein wunderschöner, natürlich belassener Urwald, in dem man auch noch die Schäden der letzten Winterstürme deutlich vor sich hatte.
Aber wir waren hier wohl kaum mehr auf einem Weg. Wir schauten uns an und mussten es zugeben: Wir haben ihn verloren. Besser noch. Das ganze hier roch danach, als seien wir zwei vom Anfang auf einer falschen alten Strasse gewesen!!! SCH....... Und jetzt? Als wir uns umdrehten konnten wir noch nicht einmal mehr erkennen von wo wir gekommen waren. Na toll. Oh man, jetzt würden wir uns hier irgendwie durchs Unterholz schlagen müssen, um doch zum richtigen Ausgangspunkt zu kommen. Wie lange würde das wohl dauern? Und würden wir das finden können? Herrje, was regten wir uns jetzt über uns selbst auf, dass wir nicht gleich ganz zurückgegangen waren. Wir hatten ja aber auch die "Abkürzung" nehmen müssen, weil wir extra-schlau hatten sein wollen. Nur half uns das jetzt auch alles nichts. Wir mussten so oder so zurück. Egal, wie lange und durch wieviel Unterholz. So traten wir verärgert über unsere Dummheit und besorgt wegen der Wegfindung den Marsch zurück an. Wir brauchten auch ein paar Anläufe und mussten diverse Male vor- und wieder zurückgehen bis wir zumindest wieder auf "unserer" Strasse ankamen. Aber immerhin da da waren wir schon mal. Nun also gingen wir zurück. Nach vielleicht 15 Minuten sah Reinhard dann leicht oberhalb von uns einen anderen Weg und wir stiegen den kurzen Hang hinauf, um uns das einmal anzuschauen. Doch wir waren jetzt seeeeeeehr skeptisch. Kaum oben angekommen sahen wir aber auch schon viele Fussspuren, und zwar in beide Richtungen. Und eine alte Strasse schien auch das hier zu sein. Aber sollten wir nicht doch lieber ganz zurückgehen, bevor uns das noch einmal passiert?
Nach einem kurzen Krisenstab entschieden wir uns dennoch hier der Strasse weiter grob in Richtung des Passes zu folgen. Dieses Mal aber hielten wir die Augen offen und achteten massiv darauf, dass immer noch Fussspuren zu sehen waren. Kaum kamen wir mal auf ein trockenes Stück Weg, auf dem es nun einmal keine Fussspuren gibt, stellte sich auch schon so ein wenig ein flaues Gefühl ein. Als wir dann aber einige Zeit später immer noch richtig zu sein schienen, begann sich das zu legen. Irgendwann dann erreichten wir auch die eigentlich Parkgrenze, an der auch die Möglichkeit zum campen bestanden hätte.
Doch auch wenn es aufgrund unseres Verlaufens nun schon etwas später war als wir eigentlich gedacht hatten, gingen wir weiter. Hier im tiefen Süden ist es ja im Sommer bis um 10 Uhr abends und länger hell. Und so spät würde es nun trotzdem nicht werden, vorausgesetzt wir würden uns nicht mehr verlaufen.
Doch ab der Parkgrenze sollte uns das schwer fallen. Denn auch hier war der Pfad ausgetreten und dem entsprechend deutlich erkennbar. Und an Stellen, an denen der Weg von umgestürzten Bäumen versperrt oder schlecht zu sehen war, hatten die Parkwächter gelbe Markierungspfosten platziert. Und die sollten selbst wir finden können. Was wir auch taten und was uns dann um 19:15 Uhr am Ziel ankommen lies. Zeitgleich mit uns traf an dieser Campingmöglichkeit auch eine Gruppe Israelis ein. Die hatten eigentlich an einem Camp weiter bleiben wollen, hatten aber die Abzweigung nicht gefunden und waren daher wieder umgekehrt. Also waren wir nicht als einzige verloren gegangen.
Die 7 Israelis (3 Jungs und 2 Pärchen) waren eine ganz anders als wir bisher Gruppen von Israelis erlebt hatten. Hier an diesem Camp, was ja nicht mehr war als eine Ansammlung von ausreichend grossen Abständen zwischen Bäumen war, liessen sie sich in aller Ruhe in einer Ecke nieder und machten es sich gemütlich und unterhielten sich leise. Sonst hatten wir immer nur Gruppen erlebt, die schnell alle möglichen zentralen Plätze am Rand des Campingplatzes belegen nur um sich direkt im Anschluss über den ganzen Platz hinweg lautstark zu unterhalten. Aber diese Gruppe war ganz anders. Die Jungs und Mädels tranken ihren Tee, den sie uns auch anboten und einer von ihnen holte zuerst seine Flöte (keinen Kassettenrecorder!!) und anschliessend seine Mundharmonika heraus und machte die Abendstimmung an diesem Flussdelta nach einem für uns alle anstrengenden Wandertag perfekt. Wie schön, dass man doch immer wieder neue Eindrücke bekommt, die bisherige Urteile in ein neues Licht rücken.
Vom oberen Arroyo Grande über den Paso de la Oveja
Nachdem wir am Abend zuvor für unsere Verhältnisse relativ spät angekommen waren, passte es uns ganz gut in den Kram, dass wir an diesem Tag nur eine vergleichsweise kurze Etappe würden zurücklegen müssen. Es standen uns nach unserer Wegbeschreibung nämlich nur gute 3 Stunden Gehzeit bevor. Wir würden zwar einen Pass überqueren müssen, aber das sollte auch mit noch etwas müden Beinen zu schaffen sein. Und auch wenn der Morgen noch so schön war und die Sonne durch die Blätter der Bäume schien, müde Beine hatten wir alle beide. Nichtsdestotrotz machten wir uns schon recht früh auf den Weg. Je früher wir es hinter uns hatten, desto eher würden wir entspannt am Fuss einiger Wasserfälle liegen können. So jedenfalls beschrieb das unser Buch.
Der Pfad zum Pass hinauf stieg unmittelbar hinter unserem Waldcampingplatz mit Naturbad (Fluss) und Waldtoilette (hinterm Baum wahlweise rechts oder links, Hauptsache weit genug weg vom Rest und vor allem vom Wasser!) an und führte weiter durch den Wald nach oben. Hier und da überquerten wir ein paar kleine Bäche und kamen an einem Wasserfall vorbei, bevor der Wald aprupt an einer subantarktischen Bergwiese endete. Hier standen wir auch direkt an der Abzweigung zur Laguna del Caminante, die die Israelis abends zuvor vergeblich gesucht hatten. Den Weg dort rüber sparten wir uns allerdings. Wir hatten beide - vermutlich spielten hier unsere müden Beine eine grosse Rolle bei der Meinungsbildung - schon genügend Lagunen gesehen. Irgendwie brauchten wir die Laguna del Caminante in diesem Moment nicht auch noch, zumal wir sowieso wieder hierher würden zurückkehren müssen. Und so gingen wir weiter über die Wiesen nach oben zum Pass. Auf den ersten Blick sehen solche subantarktisch-alpinen Wiesen eigentlich genau so aus wie solche in anderen Bergregionen. Aber hier auf Feuerland sind sie doch eher sumpfig und man muss seine Schritte wohlüberlegt tun. Gelingt das nicht, hört man ein gurgelndes Geräuch, während man mit seinem Bergstiefel in das triefende Gras einsinkt. Und der nächste Schritt wird dann ein schwerer, denn man muss ein ganzes Stück mehr Kraft aufbringen bis sich dann der Stiefel mit einem lauten Schmatzen wieder aus dem sumpfigen Boden löst. So gingen wir vorsichtig, langsamer als sonst und unter geräuschvollem Stiefelschmatzen über diese Wiesen. Obwohl wir weiter an Höhe gewannen blieben es immer noch gleich sumpfig. Wir hätten gedacht, dass es irgendwann trockener würde. Aber statt dessen endeten die Wiesen ebenso aprupt wie zuvor auch der Wald. Und wir standen auf Geröll. Dies war uns jetzt allerdings eine durchaus willkommene Abwechslung und so setzten wir unseren Weg fort bis wir nach guten zwei Stunden oben am Schafspass ankamen. Ganz anders als im Torres del Paine Nationalpark, als wir bei Windstille oben am Pass standen, trieb uns die hier kalte und bissige Luft dazu direkt weiterzugehen.
Mittlerweile hatten wir auch einmal unser GPS-Gerät eingeschaltet, denn der Abzweig zu dem im Trekkingführer vorgeschlagenen Campingplatz unterhalb einiger Kaskaden war dort mit den entsprechenden Daten angegeben. Wir folgten aber zunächst weiter den Wegmarkierungen des Parks, die uns über das Geröll am Hang entlang führte. Schon nach einigen Minuten sahen wir auch die in unserem Buch beschriebenen Kaskaden.
Aber wir waren noch sehr weit oben am Berg. So langsam hätte der Weg nach unten abzweigen müssen, was er aber nicht tat. Und nach unseren Erfahrungen tags zuvor nahmen wir jetzt lieber doch nicht irgendwelche "Abkürzungen" quer über das Geröll. Das war uns doch zu heikel. Tja und dann standen wir den Kaskaden gegenüber und unser GPS zeigte an, dass unser Zeltplatz exakt 90º rechts von uns sei. Dumm nur, dass wir noch immer oben im Hang mitten auf dem Geröll standen. Und wenn wir jetzt die 200m dort irgendwie runterrutschten, würden wir uns hier am nächsten morgen auch wieder nach oben quälen müssen. Und darauf hatten wir ja überhaupt gar keine Lust. Auch unsere müden Beine nicht. Dann doch lieber weitergehen und den erstbesten ausreichend grossen Platz wählen, an dem Wasser in halbwegs greifbarer Nähe ist und wir uns - wenn auch bei weitem nicht so schön wie unter den Wasserfällen - irgendwie niederlassen können. Denn auf unser Buch mit der Wegbeschreibung konnten wir uns wohl nicht mehr verlassen. Die Parkadministration hatte offensichtlich die Wegführung geändert. Also mussten wir schauen, was auf uns zukam.
Gut, aber damit war auch die Geschichte mit der Entspannung vorerst mal gestorben. Doch im Moment war uns das egal. Wir wollten jetzt nur gerne endlich mal von dem Geröll runter. In dieser riesigen Kiesgrube liefen wir nun schon 1,5 Stunden rum. Nun war das auch keine Abwechslung mehr, sondern einfach nur noch anstrengend. Wir rutschten immer wieder wir auf dem Geröll und da dieser Pfad am Hang entlang beständig nach rechts hing, fingen uns so langsam auch die Beine und Füsse von der einseitigen Belastung an zu schmerzen. Hoffentlich führte der Weg hinter der nächsten Kurve runter in den Wald und zum Fluss, den wir unten sehen konnten. Hinter der Kurve sahen wir die nächsten zwei-, dreihundert Meter Weg, aber auch da ging er nicht runter. Na hoffentlich hatte sich die Parkadministration nicht entschieden, den Pfad komplett über das Geröll zu leiten. Aber ein Stück weiter vorn war ja Wald, der hoch in den Hang reichte. Da ging es doch bestimmt rein. Nur glauben konnten wir das schon irgendwie nicht mehr. Und als wir an die Bäume kamen war es dann auch so wie wir befürchtet hatten. Der Pfad lief statt nach unten nach oben und blieb damit oberhalb der Baumgrenze und auf dem Geröll. Irgendwie hatten wir so eine Ahnung, dass das auch so bleiben würde. Und tatsächlich. Immer, wenn Wald in Sicht kam, führte der Weg wieder ein Stück den Hang hinauf. Wir "durften" dieses ganze endlend lange Geröllfeld tatsächlich bis zum Schluss auskosten. Als dann wirklich fast gar kein Geröll mehr da war, bildete ein Abstieg über das letzte grössere Feld in Serpentinen hinunter nun endlich zum Wald den krönenden Abschluss dieses steinigsten Teils unserer bisherigen Reise. Als wir das geschafft hatten machten wir direkt erst einmal eine Pause.
Doch da hier weder Wasser noch genügend Platz für ein Zelt wäre mussten wir noch weitergehen. Hier sprachen wir dann auch aus, was wir beide schon eine Weile lang dachten. Wir würden keinen kurzen zweiten und einen dritten Wandertag haben. Vielmehr würden wir wohl beide Teilstrecken auf einmal laufen müssen. Alles in allem über 20km also. Aber wenigstens hatten wir den Pass und das Geröll jetzt schon einmal hinter uns. Früh genug war es auch noch. Also würden wir es bis zurück nach Ushuaia schaffen können.
Und so machten wir uns schon bald weiter, denn statt einem herrlich entspannten würde es doch ein super harter Tag werden. Wenigstens konnten wir schon bald in der Ferne die Stadt erkennen.
Und das gab uns dann wieder etwas Kraft. Aber irgendwie wollten wir beide noch nicht wieder zurück in die Stadt. Wir hatten doch noch eine Nacht Camping fest eingeplant. Was also tun? Nun, der Wanderweg endete an einer Strasse, von wo aus wir sowieso in die Stadt würden trampen müssen. In die andere Richtung ging die Strasse direkt wieder in den Park hinein, in seinen Hauptteil sogar. Dann könnten wir auch genau so gut versuchen dorthin zu trampen.
Und das machten wir dann auch. Kaum standen wir 10 Minuten an der Strasse kam als eines der ersten Fahrzeuge ein schwarzer Pickup aus der Stadt gefahren, der auf unser Winken auch direkt anhielt. Nachdem der Wandertag heute ja nicht ganz perfekt gelaufen war, hatten wir jetzt wieder echt Glück. Denn die beiden Handwerker waren direkt auf dem Weg in den Park und noch dazu genau zu dem Campingplatz, den wir sowieso schon mal ins Auge gefasst hatten! Wir schauten uns nur an und schütteln mit den Köpfen. Selbst an Tagen, die mal nicht so gut aussehen, läufts am Ende doch wie am Schnürchen. Müde aber glücklich schlugen wir unser Zelt am Campingplatz Lago Roca auf und gönnten uns ein schönes, kühles Bier in der Confitería, wie man hier einen besseren Kiosk nennt.
Ein Tag am Lago Roca
Nach zwei Etappen auf einmal, die wir tags zuvor zurückgelegt hatten, nahmen wir uns für diesen Tag nun gar nichts vor. Wir würden ja heute nur irgendwann wieder zurück nach Ushuaia fahren müssen, um uns bei der Parkadministration zurückzumelden. Ansonsten würden die nämlich einen Suchtrupp losschicken. So ist das hier in Argentinien. Aber da das Büro bis 10 Uhr abends geöffnet hat, hatten wir ja alle Zeit der Welt. Und Busse zurück in die Stadt fuhren von hier aus auch ständig. Das würde also auch klappen.
Dem entsprechend krochen wir nach unserem Frühstück auch erst noch einmal zurück in unsere Schlafsäcke und genossen das Nichtstun. Irgendwann - als wir nicht mehr liegen konnten - gingen wir dann doch mal ein Stückchen am See entlang. Quasi nur um unsere Beine ein wenig aufzulockern. Das hatten die auch bitter nötig, denn unsere Muskeln schmerzten uns ziemlich. Aber das Spazierengehen half und wir genossen dabei herrliche Ausblicke über den See und schauten eine ganze Weile einfach nur den Wellen zu.
Nachmittags dann nahmen wir dann den Bus zurück in die Stadt.
Aufbruch: | 01.12.2006 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 09.02.2007 |
Spanien
Deutschland
Argentinien