Italien - Slowenien - Österreich - 2015
Teil 3/4 - Umbrien - Lago Trasimeno - Toskana: 36. Tag - 04.10.2015
36. Tag - 04.10.2015
4. Oktober 2015 – Sonntag 36. Tag
Castiglione sul Lago / Pozzuolo / Salchetto / Acquaviva
Montepulciano – Porta al Prato – Stadtmauer - Chiesa San Agostino – Chiesa del Gesu – Fortezza - Piazza d’Armi - Palazzo Bellarmino – Piazza Grande - Palazzo Comunale mit Torre – Palazzo Nobili Tarugi – Pozzo dei Grifi e dei Leoni (Greif- und Löwenbrunnen) - Chiesa Madonna di San Biagio – Friedhof – Palazzo Cervini - Uhrturm Torre di Pucinella Chianciano / Querce al Pino / Chiusi / Po Bandino / Pineta / Castiglione sul Lago / Badiaccia
Fahrzeit: 4 ½ Std. – 67 Meilen – 108 km
Auch heute Morgen liegt wieder Nebel über dem See. Doch als wir um 10 Uhr aufbrechen, lichtet er sich, die Sonne erscheint.
Unsere Tour führt uns heute nach Montepulciano. Zunächst ein Stück über Raccordo Autostradale 6 Bettolle-Perugia. Weiter SR 71– Castiglione sul Lago. Dann SR 454 - Pozzuolo - Salchetto – Acquaviva bis Montepulciano. Unterwegs fängt es an zu regnen, ich muss daher meine Camera gut verstauen, damit sie nicht nass wird. Von der landschaftlich schönen Strecke durch die Pampa und durch kleine hübsche Orte gibt es daher keine Bilder.
In Montepulciano angekommen regnet es wie aus Kübeln. Rolf kramt seinen Schirm aus dem Motorrad hervor und ich ziehe meine Motorradregenjacke mit Kapuze an. Meine Camera bleibt gut verstaut im Motorrad zurück, als wir uns auf den Weg in den Ort machen. Wir haben direkt an der Porta al Prato geparkt.
Montepulciano ist eine Kleinstadt mit ca. 15.000 Einwohnern in der Region Toskana, Provinz Siena. Montepulciano liegt zwischen Val di Chiana und Val d’Orcia. Lage und Bau der Stadt sind sehr reizvoll und pittoresk. Die Stadt liegt auf der Kuppe eines rund 600 m hohen Hügels und sie ist von einer mittelalterlichen Stadtmauer umgeben.
Die Geschichte Montepulcianos lässt sich bis ins Jahr 715 v. Chr. zurückverfolgen, also bis mitten in die Etruskerzeit. Der Ort unterlag bis 1202 dem Schutz Sienas, erklärte sich dann für Florenz und wechselte anschließend noch mehrfach die Herrschaft, bis er Anfang des 16. Jh. endgültig florentinisch wurde. 1561 wurde die Stadt Bischofssitz.
Montepulciano ist der Geburtsort des Humanisten und Poeten Angelo Ambrogini (1454-1494), der als Poliziano bekannt wurde und als Hauslehrer und Freund von Lorenzo il Magnifico den Zeitgeist der Renaissance mitprägte. Ein weiterer Sohn der Stadt ist Kardinal Bellarmino (1542-1621).
Im Zweiten Weltkrieg hatte die deutsche Wehrmacht als Vergeltung von Partisanenangriffen bereits die Zerstörung der historischen Altstadt angeordnet. Dies konnte vom Grafen Origo und seiner Frau, der Schriftstellerin Iris Origo (Toskanisches Tagebuch), in letzter Minute verhindert werden. Gesprengt wurde lediglich das Osttor Porta al Prato.
Die meisten der Gebäude der Altstadt stammen aus der Zeit der Renaissance. Älter sind die Burg, der Palazzo Pubblico aus dem 14. Jahrhundert und das Portal der Kirche Santa Maria (13. Jahrhundert). Es gibt eine Reihe von schönen Privathäusern, von denen einige von Antonio da Sangallo dem Älteren (1455–1534) und Baldassare Peruzzi (1481–1536), andere von Vignola Vignola (1507–1573) erbaut wurden.
Die Kirche Madonna di San Biagio – wahrscheinlich das Meisterwerk Sangallos – wurde 1518–1537 gebaut.
Die Kathedrale von Bartolomeo Ammanati (1570), verändert von Ippolito Scalza, und vollendet 1680 (mit Ausnahme der Fassade, die immer noch unvollendet ist) beherbergt einen großen Altar von Taddeo di Bartolo von Siena, und die Fragmente eines imposanten Monuments, das 1427–1436 von dem Florentiner Architekten Michelozzo zu Ehren von Bartolommeo Aragazzi, dem Sekretär Papst Martins V., errichtet wurde, und das im 18. Jh. abgerissen wurde.
Sehenswert ist auch das aufwendig restaurierte Museo comunale mit der Gemäldesammlung Crociani. Unten im Val di Chiana befindet sich am Lago di Montepulciano ein Naturkundemuseum, das an die Jahrhunderte erinnert, in denen das Tal ein riesiger See und Sumpf war.
Böden, Lagen und Klima der Gegend begünstigen den Weinbau, durch den der Ort bekannt geworden ist. Der Rotwein hat einen noblen Namen: Vino Nobile di Montepulciano, dessen Name aber mit dem Wein Montepulciano di Abruzzo aus den Marken und Abruzzen verwechselt werden könnte. Die Winzer von Montepulciano machen den Unterschied in den Rebsorten, in der Haltbarkeit und in der Qualität und orientieren sich dabei an den toskanischen Nachbarn aus Montalcino. Der einfachere Wein aus Montepulciano wird Rosso di Montepulciano genannt.
Wir betreten die Stadt durch die imposante Porta al Prato, mit toskanischem Wappen und dem Löwen von Florenz, Teil der Befestigungsanlage von Antonio da Sangallo
Durch dieses befestigte Stadttor kommen wir zur Hauptstraße der Citta antica (Altstadt), die hier Via Roma heißt. Zunächst sehen wir uns die Chiesa Sant’Agostino, deren Fassade von Michelozzi stammt (15. Jh.), an.
Gegenüber liegt der Torre di Pulcinella, wo Pulcinella die Stunden läutet. Ich ärgere mich, dass ich nicht doch meine Camera mitgenommen habe, denn Rolf will all die „wichtigen“ Dinge, die ich sehe, nicht fotografieren.
Die Chiesa del Gesu hat auch geöffnet und wir können hinein gehen. Der Ort Montepulciano scheint fest in amerikanischer Hand zu sein. Viele Amerikaner haben in der historischen Altstadt Wohnungen oder Häuser gekauft, dem entsprechend sind die Preise überall sehr hoch. Uns ist eh zu viel Rummel in dem Ort. Vor Jahren ging es hier viel ruhiger zu.
Wir steigen hinauf zur Fortezza di Montepulciano, erstmalig erwähnt im 6./7. Jh. – Politianum Castrum. Erbaut um den Ort zu verteidigen und die Bewegung der Feinde in den umliegenden Tälern zu beobachten. Das Castrum wurde als eine Art Stadtbefestigung verwendet. Die Legende berichtet, dass die Festung über den Resten eines römischen Janus-Tempels erbaut wurde.
Die Festung in ihrer heutigen Form wurde 1260 auf dem höchsten Punkt des Hügels als militärischer Vorposten erbaut, um im Osten den Lago di Trasimeno und im Westen Val d’Orcia zu kontrollieren. Nach dem Erdbeben 1614 und der Beendigung der Fehde zwischen Florenz und Siena verlor die Festung ihre militärische Bedeutung. Heute finden dort Ausstellungen und Thea-teraufführungen statt. Die Piazza d’Armi wurde zu einer wunderschönen öffentlichen Gartenanlage.
Und weiter geht die Besichtigung. Einige Häuser weisen schöne Malereien auf. Ich würde ja alles fotografieren, aber leider, leider ist die Camera im Motorrad.
Prächtig ist der Palazzo Bellarmino (16. Jh.) mit Innenhof, wo wir hinein sehen können. Auch hier haben sich reiche Amerikaner eine Wohnung gekauft. So bleiben die alten Palazzi wenigstens in ihrer Pracht erhalten. Das ist ja positiv.
Überall hört man amerikanische Laute, schon sehr ungewöhnlich in einer italienischen Stadt. Ich frage eine vorbei eilende Dame auf Italienisch nach dem Weg, sie antwortet mir auf Englisch, dass sie nichts kapiere, Amerikanerin sei und hier lebe. Na, da würde ich doch wenigstens mal die Sprache des Landes lernen, wo ich lebe.
Wir kommen nun zur Piazza Grande. Die ist das Zentrum von Montepulciano. Der Platz ist einer der schönsten der kleineren Städte in der Toskana. Er bewahrt die Erinnerungen an vergangene Pracht und Hochkultur. Umgeben ist der Piazza Grande von wichtigen Gebäuden: Palazzo Comunale mit Torre Civica, Palazzo Nobili Tarugi und der Dom mit seiner unvollendeten Fassade und dem Glockenturm aus dem 15. Jh..
Herrlich ist der Pozzo dei Grifi e dei Leoni (Greif- und Löwenbrunnen). Zwei Löwen halten das Wappen der Medici in ihrer Mitte.
Die Ähnlichkeit zwischen dem gotischen Palazzo Comunale di Montepulciano und dem Palazzo della Signora di Firenze ist beeindruckend. Beide wurden von Cosimo I. de Medici in Auftrag gegeben. Es steht geschrieben, dass mit dem Bau 1393 be-gonnen wurde. Vollendet wurde der Bau jedoch erst im 15. Jh. von Michelozzo. Das Gebäude ist mit Travertin bedeckt, ganz nach dem Florentiner Geschmack. Oberhalb des Palastes steht der zweistöckige Turm mit Zinnen.
Der Renaissance-Palazzo Nobili Tarugi, ebenfalls dem Architekten Antonio da Sangallo dem Älteren zugeschrieben, zeigt eine deutliche Verbeugung vor den Medici an – siehe das Wappen zwischen zwei Löwen auf dem Brunnenbalken.
Der Palast war zunächst die Residenz der Familie Edler, später der Tarugi Familie. Das Gebäude ist komplett mit Travertin bedeckt und wird von einem Rundbogenportal und einer Loggia im Erdgeschoss gegliedert. Sechs ionische Säulen auf einer hohen Basis tragen die Pilaster des Obergeschosses, das ursprünglich an der linken Seite eine offene Loggia besaß, die später vermauert wurde. Durch eine kleine Öffnung an der linken Seite des Mittelportals konnte man Ankömmlinge in Augenschein nehmen, bevor man ihnen die Türe öffnete. Der Palazzo wird bewohnt und ist nicht zu besichtigen.
Der Platz ist heute allerdings in einem schlimmen Zustand. Gestern hat ein Fest stattgefunden, wohl Ritterspiele oder Ähnliches aus dem Mittelalter Man sieht noch einige schöne alte Karren, die noch nicht weggeräumt wurden. Der Boden der Piazza ist mit Stroh bedeckt, dazu der Regen - der gesamte Platz ist mit gelbem Schlamm bedeckt. Gut, dass Rolf seine Motorradstiefel trägt, sonst könnte er nicht umher laufen und fotografieren. Ich balanciere von einer trockenen Stelle zur anderen, muss den Schirm über Rolf halten, damit er die Camera nicht nass wird. Ganz schön mühsam.
So schön die alten Bauten und die kleinen Gassen sind, uns reißt der Ort nicht unbedingt vom Hocker. Es ist alles zu sehr auf Touristen, vor allem Amerikaner, ausgelegt und überall sehr teuer. Uns gefallen da andere kleine Orte besser, wo man nicht so sehr auf Touristenfang aus ist.
Rolf will warten, bis die Straßen etwas abgetrocknet sind. Es macht keine Freude, bei Regen oder Nässe auf den kurvigen holprigen Straßen zu fahren. So setzen wir uns in eine kleine Pinte, die nur von jungen Leuten besucht wird, abseits der Touristenroute. Hier funktioniert das Internet, der Espresso kostet 1 Euro, der Cappuccino 1,50 Euro.
Der Regen hört langsam auf, wir wandern durch die steilen engen Gassen zurück zum Motorrad. Dann fahren wir über SP 326 / SP 146 über Chiusi zurück. Der Himmel ist schwarz. Ob wir es schaffen, ohne Regen zurück zum Campingplatz zu kommen?
Ja, um 14.30 Uhr sind wir Zuhause, nach 67 Meilen = 108 km. Und oh Wunder, es ist richtig warm geworden. Zwar bläst ein heftiger Wind, der See ist aufgewühlt, doch es ist herrlich, draußen zu sitzen und das alles zu genießen.
Rolf verputzt zu seinem Cappuccino ein Apfelteilchen, ich lese. Später ist für Rolf Servicetag angesagt. Für Rolf ist das Routine, in 15 bis 20 Min. ist alles erledigt.
Ein niederländisches Ehepaar mit Zelt will umziehen. Links von unserer „Burg“ möchten sie sich niederlassen. Sie wohnen zurzeit unter den Bäumen und fühlen sich vom Autolärm gestört. Wir haben dafür viel Verständnis, ist Rolf doch auch sehr lärmempfindlich. Hier, wo wir am See stehen, hört man von der stark befahrenen Straße nichts. Bin gespannt, ob sie umziehen.
Zum Abendessen gibt es Tintenfischsalat, Thunfisch, geräucherte Makrele, Salat, Käse, Brot und Wein.
Unser Frühstück ist übrigens immer gleich: frisches Brot, Butter, Käse, Schinken, Ei – dazu Kaffee. Alles wie Zuhause, nur dort haben wir Graubrot und hier in Italien essen wir Weißbrot. Wenn wir hier leben würden, würde ich Graubrot selber backen, denn auf Dauer möchte man darauf nicht verzichten.
Ein herrlicher Tag geht zu Ende. Mir gefällt es besonders, das Rauschen des Wassers zu hören. Es erinnert mich an meine Urlaube auf Sardinien.
Bilder auf der Homepage meines Mannes, www.harley-rolf.de oder auf meiner Facebookseite - www.facebook.com/Uschi.Rolf.Italien.Schweiz.Slowenien
Aufbruch: | 30.08.2015 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 17.10.2015 |