In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause
Neues Seeland: Vom Trauben- zum Apfelpacker
Wie ich von der Traube zum Apfel wurde
Ich richte mein Faehnchen ja auch gerne nach dem Wind, der gerade aufkommt, so frei nach dem Motto: "wo's was zu fressen gibt, bin ich dabei!"
Nachdem also die Traubenernte mehr oer weniger zu Ende war (wobei die Hostel- und Farmbesitzer das natuerlich nur ungern zugeben und versuchen, einen in der Gegend bzw. im Hostel zu behalten) und mir das Pflaster mit der spitzfindigen Traubenmafia auch zu heiss wurde, hab ich den Dartpfeil mal auf die Landkarte geworfen und rauskam das naechste kleine, aus einer Hauptstrasse und tausend Farmen bestehende Kaff im Norden der Suedinsel: Motueka. Die Hauptstadt der Aepfel...
Hab im koreanischen Arbeiterhostel einen deutschen Bottsbauer aus Brenzlau (bei Berlin und Rostock so grob hab ich alter Erdkundler mir sagen lassen, muss da was verpasst haben damals beim Ost-Teil) kennen gelernt, der praktischerweise sein Geld in einen kleinen Campervan investiert hat und jetzt damit durch die Gegend faehrt. Toppi-Moppi, dacht ich alter Reisefuchs und manchmal auch Schmarotzer mir, da bin ich doch dabei und nachdem ich ihm den restlichen Honig aus meinem Essensvorrat um den Bart geschmiert hatte, hatte ich einen Platz in vorderster Front bis ins 200km entfernte Motueka sicher. Da die Ernte der millionen-trillionen-billionen Aepfel hier grob von Februar bis Mai geht, waren wir guten Mutes, uns ein oder zwei Tage spaeter fuer einen Hungerlohn und rueckenbrechende Arbeit ausnehmen lassen zu duerfen. Und ein paar Telefonanrufe und Bewerbungsgespraeche direkt vor Ort auf den Farmen hatten wir einen Job als Apfel-Pfluecker!
Jetzt noch schnell ein Hostel besorgen und dann kann der Knochenbrecher-Alltag hier losgehen... Aber denkste! Das mit Hostel sollte sich naemlich als existenz-gefaehrdender Teil des Unternehmens rausstellen, denn in dem ganzen verkackten Kaff hier gabs keinen einzigen Platz mehr im Hostel, weil anscheinend noch mehr Deppen wie wir auf die Idee gekommen sind, hier fuer n Appel und Ei zu arbeiten, nachdem die Trauben alle weggepflueckt waren.
Teil 2 - Die Rueckkehr des Wohnwagens (diesmal in der abgespeckten Version, schliesslich muessen wir nach der Wirtschaftskrise alle den Guertel enger schnallen...)
Zigeunerjunge, Zigeunerjunge...
Also musste der Reisefuchs Schebaum wieder mal improvisieren und so hab ich mir einen self-made Schlafplatz im Bulli draussen auf dem Parkplatz vor dem Hostel (duerfen fuer 7,5 Euro die Nacht immerhin den ganzen Quatsch wie Dusche, Bad, Kueche und Fernsehraum benutzen, nur halt nicht irgendwo in die Koje hauen) gebastelt: Martin hat hinten drin einen etwas erhoehten Lattenrost, auf dem eine schmale Matratze liegt, auf der er nunmal naechtigt. Also hab ich meine Beine und meinen Entenpopo (hab da seit geraumer Zeit ein Trauma, da ich jahrelang belustigt und gemobbt wurde deswegen und jetzt sollte sich der Koerperbau tatsaechlich mal raechen) ganz schmal gemacht unter dem Lattenrost und den Rest meines Astral-Leibs in den Fussraum hinter den Vordersitzen auf den Boden gepflanzt. Weil mittlerweile der Winter schon ganz schoen kalt durch die Taeler pfeift hier, wirds nachts ARSCHkalt und da ich Reinhold-Messner-maessig natuerlich auf jedes Wind und Wetter top vorbereitet bin, hab ich ganz schoen bloed geguckt, als ich meinen duennen Leinen-Schlafsack ausgepackt hab
Also im Hostel nach Bitten und Betteln die Haelfte von St.Martins rotem Umhang zum Unterlegen bekommen und noch ne verrotzte ehemals weisse Woll-Decke zum Zudecken und n Kissen ohne Bezug zum die Melone drauflegen und fertig war der Zigeuner-Schlafplatz
Nachts wurds teilweise sooo kalt, dass ich zitternd aufgewacht bin, aber nur die harten kommen ja bekanntlich in den Garten, ne? Und morgens um 7 Uhr, wenn wir uns mit gefrorenen Gliedern aus den Decken schaelen mussten, um zur Arbeit zu fahren, konnten wir erstmal nicht rausschauen, weil die Scheiben mit Frost belegt waren!
ausnehmen lassen
Schnell mit klammen Fingern ein Muesli reingeschaufelt und unter voller Heizung 10 min. zur Apfelfarm gefahren. Dort erstmal zwei Pullis an, dicke Socken in die Wanderschuhe, Muetze uebers Haupt und Woll-Handschuhe an die eisigen Finger, denn man glaubt gar nicht, wie kalt und nass so Aepfel werden koennen, wenn sie so ne FKK-Nacht in Neuseelands Bergen hinter sich haben!
Das Ganze laeuft dann fuer die naechsten 8,5 Stunden des Tages folgendermassen ab: Man bekommt einen grossen Korb um den Nacken und die Schultern gehaengt, der ca. 25 kg fasst und einem nach ner Zeit ganz schoen auf den Ruecken geht! Ausserdem zum spaerlichen Equippment gehoert eine Metall-Leiter, mit der man die hoeher haengenden Aepfel in den Baeumen erreichen kann.
Dann wird man ein eine ca. 3 Meter breite Reihe geschickt, die man bis auf den letzten Apfel abpfluecken muss, indem man alles in seine Tasche schmeisst und alle 25 kg zu einer grossen Holzkiste traegt, in die eine halbe Tonne reinpasst, die dann ab und zu von einem kleinen Traktor mit dem Chef am Lenkrad abgeholt wird.
Fuer diese grosse Holzkiste bekommt man dann nach Abzug der neuseelaendischen Steuern 11 Euro. Man wird naemlich nach Arbeitsleistung und nicht nach Stunde bezahlt und an guten Tagen schafft man dann vielleicht 5 Kisten (2,5 Tonnen bringt dann ca. 50 Kroeten auf dem Konto...), aber wenns morgens besonders kalt ist und man die Finger nich auseinander bekommt, schafft man vielleicht auch nur 3 und dann hat man 8,5 Stunden fuer nur 33 Euro gearbeitet, man hats also buchstaeblich selbst in der Hand.
Jetzt koennte man ja vermuten, dass man einfach wie von der Tarantel gestochen die Aepfel abreisst und in seine Tasche haemmert, allerdings wird ca. 2 jede zweite Holzkiste von einer Supervisorin auf schlechte, zu gruene, angeduetschte, zu kleine Aepfel oder zu viel Gruenzeug am Stiel kontrolliert und wenn diese einen gewissen Prozentsatz ueberschreiten, gibts keine Kohle fuer diese halbe Tonne, so einfach ist das! Tja und da ich dessen unbedacht am ersten Tag wie ein Berserker Aepfel gesammelt hab, hab ich schon eine Ermahnung bekommen und seitdem achte ich lieber drauf, jeden Apfel mit Samt- bzw. in diesem Fall Woll-Handschuhen anzufassen und vorsichtig in meine Tasche zu legen.
Das gute an der Bezahlung pro halbe Tonne ist, dass man eigentlich tun und lassen kann, was man will, das heisst man kann aufhoeren und anfangen wann man will, Pause machen wann man lustig ist und hungrig ist und zwischendurch so viele Aepfel essen, bis man platzt, obwohl die Abzocker einem wahrscheinlich dann nachher noch die Reinigungskosten des geplatzten Zeugs vom Gehalt abziehen.
So verdiene ich hier eben 8,5 Stunden am Tag meine Meriten und ich habe hier dch endgueltig und unwiderruflich festgestellt, dass harte oder sagen wir mal generell koerperliche Arbeit nichts fuer mich ist. Wuerde zwar auch nicht behaupten, dass ich zu den Dichtern und Denkern und Bueromenschen gehoere, weshalb ich fierberhaft auf der Suche nach meinem Traumjob bin:
"Den ganzen Tag in der Haengematte chillen, von leicht bekleideten Bardamen Cocktails gebracht bekommen, das Meer beobachten und DAFUER noch 2000 Euro Netto im Monat bekommen"
Suche laeuft noch...
In der Zwischenzeit wende ich meine vollste Konzentration, Hingabe und Auffopferung allerdings der Welt der roten Aepfel zu und ich schwoere bei meinem Decken-Spender Sankt Martin, dass ich nicht eher ruhen werde, bis nicht der letzte reife Apfel von Motueka, ach was soll die Bescheidenheit, von ganz Neuseeland, von mir handgepflueckt wurde!!!
Euer Zigeunerjunge
( Vielleicht hat meine Oma damals vor der Reise in einer Vorausahnung tatsaechlich Recht gehabt, als sie meinen momentanen Lebensstil als "zigeunerhaft" beschrieben hat, das muss einfach die Lebenserfahrung sein )
Herrlich, wenn dann so gegen 10 die Sonne langsam ueber die Reihen steigt und man die erste Schicht Pullis und die Muetze ausziehen kann, bis man um 2 Uhr nachmittags unglaeubig im T-Shirt durch die Reihen flitzt, als waere der Frost nie gewesen
Da wird ja der Apfel am Baum verrueckt: Das kann doch kein Mensch jemals alles pfluecken, ohne verrueckt zu werden...
Aufbruch: | 10.10.2010 |
Dauer: | 12 Monate |
Heimkehr: | 10.10.2011 |
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