In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Start in Brasilien: Iguacu Falls

Dance away the night in Rio

Erstmal noch ein Nachtrag aus der letzten Nacht in Rio:

Sind auf eine dieser hier sehr beliebten Strassenpartys im Szeneviertel "Lapa" gegangen, wo alle Menschen von 12 (die meisten sehen zum Glueck nicht aus wie 12, sonst wuerde selbst ich mir irgendwann alt vorkommen) bis 40 (diese Menschen machen natuerlich auch auf juenger, so dass sich ausserlich fast eine Altersklasse ergibt) die Nacht zum Tag machen.
Jedenfalls ist es so warm draussen, dass sich alle einfach auf der Strasse ihren Drink zu Gemuehte fuehren, im neudeutschen "vorsaufen" und dadurch ein wildes Gewirr aus Stimmen, Rufen, Zuprostern und Lichtern entsteht, was eine durchaus angenehme Atmosphaere schafft. An den Strassenseiten sind einige Clubs und sobald man einmal drin war, kann man einfach immer wieder rein und raus, sodass man zwischen n bisschen abspacken und auf der Strasse bei einem Bierchen abkuehlen hin- und herpendelt bis das Morgengrauen einsetzt
Was wir allerdings nicht wussten, ist das ein bestimmter Teil der Strasse anscheinend fuer Schwule und Lesben reserviert ist, so dass Markus und Ich ne ganze Weile lang von ziemlich offenen schwulen Flirt-Versuchen behelligt wurden, was man meist schnell ausgeraeumt hat, sobald man die Frage "Do you like Men?" mit nein beantwortet hat.
Die Frauen scheinen in diesen Gefilden der Stadt nicht weniger offen zu sein, denn als wir munter unser Abkuehl-Bierchen geniessend an einer Bude mit frittiertem Zeugs (die Brasilianer frittieren alles zu jeder Tages- und Nachtzeit) standen, hat sich ein sehr wahrscheinlich nicht mehr ganz nuechternes Maedel neben die Bude gehockt und einfach mal laufen lassen, Rock wieder hoch und weiter gings mit feiern. Da sieht man mal, wie die Maedels sich bei uns immer anstellen, wenn sie jammern, das wir Maenner es so einfach haetten beim aufs Klo gehen Ne, war zum Glueck die seltene Ausnahme an diesem froehlichen Abend.

Was ich aber absolut beeindruckend finde ist, wie schnell man als Tourist in einem fremden Land Leute kennen lernt. Um dem grossen Frank und seiner nicht unangemessenen Kritik einen besonderen Gefallen zu tun , eroeffne ich hiermit eine neue Kategorie in diesem Block und nenne Sie "Begegnungen":

Zuerst haben wir im Hostel zwei Jungs aus dem tiefsten England in der Naehe von Newcastle kennen gelernt, die gerade die Schule fertig hatten und jetzt ca. 10 Monate durch die Gegend reisen. Zuerst in Suedamerika und dann noch 5 Monate Work & Travel in Australien. Sie haetten ein wenig als Kellner bzw. Life Guard (er hat das Ganze dann im echten Leben auf Bademeister abgestuft) gearbeitet und den Rest wuerden sie schon irgendwie in Australien zusammenkratzen. Ich glaube, man braucht als Backpacker diese gewisse Unbekuemmertheit und Offenheit, um das ganze entspannt angehen zu koennen, sonst macht man sich staendig Sorgen ueber das Geld, irgendwelche fiesen Krankheiten, die man seinem schlimmsten Feind nicht an den Hals wuenscht und gefaehrliche, in dunklen Gassen lauernde Messerstecher. Aber ich z.B. denke mir immer, all das kann mir in Deutschland genauso passieren und warum dann nicht in einem fremden Land fuer einen Bruchteil des Budgets mit ein wenig mehr Vorsicht als daheim tolle Sachen sehen und erleben.

Aber gut, jetzt bin ich schon wieder genauso abgeschweift wie meiner Mutter auf frenden Anrufbeantwortern, wenn sie oft sogar nochmal anrufen muss, um den Rest der zweifelsohne wichtigen Message auf das Band zu quatschen. Sorry.

Jedenfalls sassen wir vier (die Inselaffen und wir beide) im Bus und weil wir nunmal nicht wie Brasileiros aussehen, haben uns direkt ein New Yorker und ein Maedel aus Kalifornien mit den absoluten Backpacker-Klassiker-Fragen bombadiert: "Where do you come from?" "Whats your name?" "How long are you staying?" und "Where do you go next?". So kommt man schnell ins Gespraech schaut meistens erstmal, was in den Herkunftslaendern unterschiedlich ist und das gibt selbst bei europaeischen Vergleichen einigen Gespraechsstoff her. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass mir diese Art Fragen irgendwann ziemlich auf den Sack gehen werden, wenn ich sie zum 850ten Mal beantwortet habe, aber im Moment ist es noch ganz cool.

Im Club selber haben wir 6 natuerlich auch nicht gerade als die suedamerikanischen Partypeople herausgestochen, weshalb wir gefuehlte 5m nach dem Eingang auch schon von den ersten Brasilianern angequatscht wurden, wo wir herkommen wuerden, was wir hier machen und so. Selbstredend auf portugiesisch, so dass man ab diesem Zeitpunkt des Abends sich am besten sschonmal zurechtlegt, wie man seine Lebensgeschichte am besten mit Haenden und Fuessen erklaert. Aber da alle beteiligten Parteien leicht angeheitert waren, funktioenierte das den ganzen Abend hindurch mit diversen Missverstaendnissen und darauffolgenden Lachern.

So, ich werde diese Frank'sche Kategorie nun mit der beeindruckensten Begegnung der ganzen bisherigen Reise abschliessen und zwar war das ein Franzose in Salvador, der frueher Anwalt war und sich dann mit 40 oder so ein Haus irgendwo in Frankreich gekauft hat. Dieses Haus mit mehreren Wohnungen hat der dann seitdem vermietet und bekommt dadurch als Eigentuemer ca. 500 Euro im Monat ueberwiesen ohne einen Finger zu kruemmen. Da das Geld doch in vielen Laendern zum Leben reicht dachte er sich, hat er sein Erspartes genommen und ist mit Mitte 40 einfach mal los in sein Traumland Suedamerika nachdem er alle Sachen bei Freunden untergestellt hat. Dort hat er sich dann, Hobby-Sportler, der er war, ein gutes Trekking-Rad und ein ordentliches Zelt gekauft und ist seitdem, also seit genau 16 Jahren auf Reisen! Zwischendurchmal ein neues Fahrrad oder ein kurzer Trip ins Land des Baguettes, aber ansonsten non-stop-traveller und kein bisschen muede wie er sagt. Und vor allem kann er nach so langer Zeit sehr gut Englisch (und natuerlich Spansich und Portugiesisch) fuer einen Franzosen, was die Verstaendigung mit ihm in meinem Fall doch erheblich vereinfacht hat, wenn ich an mein grammatik-lastiges Franzoesisch aus der 10.Klasse denke.

Der Hoellenschlund

So, nach der laengsten und wahrscheinlich auch mit Abstand kaeltesten Busfahrt meines Lebens (da die Busfahrer anscheinend meinen, die Hitze draussen mit ununterbrochener Klimaanlage zu kompensieren, dabei vergessend, dass man diese nachts ja nicht unbedingt braucht), die sich ueber geschmeidige 23 Stunden von Rio ins Drei-Laender-Eck von Argentinien, Brasilien und Paraguay erstreckte, sind wir tatsaechlich in Foz de Iguacu angekommen. Einem kleinen Nest, von dem man nicht vermuten wuerde, dass ca. 15km weiter die groessten Wasserfaelle der Welt in die Tiefe stuerzen.

Diese Wasserfaelle beinhalten leider auch den so genannten "Hoellenschlund", vor dem, so wurde mir in diversen abendlichen im-Bett-Vorlese-Stunden von Mama eingetrichtert, es sich zu HUETEN gilt! Aber aber Mama, anscheinend hast du mir Ronja Rauebertochter doch nicht oft genug zu Gemuete gefuehrt oder ich Depp hab bei einer deiner wenigen wichtigen Weisheiten nicht richtig zugehoert.

Hier das letzte Bild, dass so von mir exisitiert, denn Sekunden spaeter sollte sich etwas schreckliches ereignen am Hoellenschlund...

Hier das letzte Bild, dass so von mir exisitiert, denn Sekunden spaeter sollte sich etwas schreckliches ereignen am Hoellenschlund...

Ich hab zwar eingedenk deiner Warnungen auf MICH aufgepasst, aber meine schoene weisse Muetze ist Sekunden nach diesem Foto den weiss schaeumenden Fluten des Hoellenschlunds zum Opfer gefallen
Hab noch ganz kurz ueberlegt, hinterher zu springen, schliesslich war das ne original H&M-Muetze aus Duesseldorf, so eine kriegt man schliesslich nicht in jeder Stadt hinterher geschmissen, aber wahrscheinlich waer mein Tod nach dem 30m Sprung die 5-Euro-Investition vor ein paar Monaten doch nicht wert gewesen. Hab also dann Muetze nasse Muetze sein lassen, doch das Ganze hat dazu gefuehrt, dass mein Respekt vor dem Hoellenschlund und nebenbei auch vor Ronja Raubertochters Vater und seinen Vorahnungen gehoehrig gewachsen ist seit diesem Diebstahl.

Ganz abgesehen davon sind diese sich sowohl auf Argentinien als auch auf Brasilien erstreckenden 275 Wasserfaelle allerdings mit das beeindruckenste, was ich in meinem kurzen Leben gesehen habe. Nicht umsonst gehorhrt es zu den Finalisten der gerade im Internet ausgetragenen Wahl der "7 new worldwonders of nature"

diese kleine, aber feine Wort beschreibt am ehesten die Gefuehlslage bei der Besichtigung der Iguace Falls, hier allerdings zunaechst aus weiter Ferne...

diese kleine, aber feine Wort beschreibt am ehesten die Gefuehlslage bei der Besichtigung der Iguace Falls, hier allerdings zunaechst aus weiter Ferne...

Wir haben komplette zwei Tage an den Wasserfaellen verbracht, einen auf der brasilianischen Seite und einen auf der Argentinischen und mussten trotzdem noch relativ stramm wandern, um alle Aussichtspunkte sehen zu koennen, weils einfach viel zu viele Perspektiven gibt. Man kommt an und denkt: "boah, is DAS geil!" und dann kommt man 50m weiter zur naechsten, noch naeher an dem jeweiligen Wasserfall gelegenen Aussichtsplattform und denkt: "Boah, von hier is ja noch geiler und noch groesser und noch naeher und noch nasser! Unfasslich!"und das geht dann immer so weiter den ganzen Tag, bis man am Ende ganz oben am Hoellenschlund steht und einfach nur sprachlos ist vor Staunen und Begeisterung. Deshalb lasse ich jetzt einfach mal kurz die Bilder sprechen, auch wenn ihr ja wisst, wie schwer es ist, solchen phaenomenalen Ausblicke auf ein 3MB grosses, digitales Bild zu bekommen...

Verrueckte Zeiten hier

Eine kleine Anekdote noch zum Abschluss:

Beim Abflug haben wir gelernt, Unterschied von Brasilien und Deutschland sind 5 Stunden. Alles klar, kann man ja gut rechnen, kriegen wir hin. Ist ja wichtig fuer WDR2-Bundesliga-Konferenz oder auch den Champions-League-Liveticker von Schalke, ne? Wie wir in der Schulçe gelernt haben, muesste der Zeitunterschied ja nach Westen dann immer mehr werden und nach Osten immer weniger ne? Soweit so einfach.
Als wir mit dem Bus morgens in Belo Horizonte, was ein wenig weiter westlich als der Abfahrtsort Porto Seguro liegt, angekommen sind, wars dann aber auf einmal eine Stunde spaeter. aha?! Dachte eigentlich es waer andersrum, aber gut, haben wir dann notgedrungen akzeptiert.
Dann sind wir hier nach Iguacu gekommen und die Zeit hat sich uebrhaupt nicht veraendert, obwohl wir ca. 24 Stunden mit dem Bus in den Westen gefahren sind! Und kaum waren wir ueber die Grenze in Argentinien gestern, wars auf einmal wieder eine Stunde freuher! Argentinische Zeit halt! Wer soll das denn verstehen?

Zum Glueck haben wir einen Australier getroffen, der sich mit dem Quatsch auskennt, denn ansheinend ist es in Australien aehnlich.
Stellt euch das mal so vor:

Es gibt einen grossen Marktplatz mitten in Brasilien, auf dem eine Versteigerung stattfindet. Es sind ganz viele Leute gekommen, denn anscheinend gibts was Cooles zu ersteigern. Jeder von den Leuten hat eine kleine Fahne oder ein Wappen seines Bundeslands mitgebracht und anscheinend steigern sie in Vertretung fuer ihr Land.
Vorne wird dann endlich die Versteigerung eroeffnet und es gibt: "Daylight Saving Time", also eine kleine aber feine Zeitumstellung im Sommer und im Winter halt wieder zurueck. Klingt einfach, aber manche Staaten haben anscheinend nicht ihre schlausten Vertreter geschickt, denn einige kratzen sich am Kopf und schauen fragend zum Auktionaer.
Ein paar Staaten gehen mit, voellig unabhaengig davon, auf welchem Breitengrad sie liegen, weil sie die Idee cool finden. Einige gehen nicht mit und am Ende haben ca. 2/3 der Vertreter die Sommerzeit ersteigert. "Herzlichen Glueckwunsch, sie koennen sich die Zeit dann irgendwann im Oktober abholen..."
Tja und da manche Staaten einfach keine Lust auf diese Umstellung hatten, gibt es ein paar Zeitloecher quer ueber Brasilien verteilt, das heisst einige Staaten, die einfach nicht mitspielen wollten und jetzt beleidigt am Rand vom Sandkasten sitzen. Machste nix, aber seine Uhren muss man trotzdem umstellen, wenn man die Schmollenden besucht...

Zu guter Letzt noch ein Eindruck, wie es sich anfuehlt, in Suedamerika in ein anderes Land einzureisen!

Zu guter Letzt noch ein Eindruck, wie es sich anfuehlt, in Suedamerika in ein anderes Land einzureisen!

© Marius Schebaum, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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