In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause
Kuala Lumpur (Malaysia)
Der Ramadan und ich -und warum wir uns schnell wieder getrennt haben
Als welt- und religionsoffener Mensch dacht ich mir, wo ich schonmal zum Start des Ramadans 2011 in einem muslimischen Land aufschlage, kann ich doch den ganzen Quatsch spassenhalber mal mitmachen. Schliesslich ging mein Flug von Indonesien nach Kuala Lumpur sowieso um 6 morgens, was hiess, dass ich mich voellig vermatscht um halb 3 nachts aus dem Bett quaelen musste und somit noch deutlich vor Sonnenaufgang das letzte Nachtmahl zu mir nehmen konnte. Nach einem appetitlos runtergewuergten Nutella-Broetchen bin ich dann noch ein letztes Mal auf dem Hintersitz eines dieser Roller-Helldriver zum Flughafen unmoeglich enge Gassen langgeheizt und im Flugzeug hatte ich dann sowieso keinen Hunger, weil ich wie ein Stein weggeratzt bin.
Zum besseren Verstaendis meines Experiments vorab ein kleiner Ramadan-Crashkurs: Einfach schnell was reinschieben (traditioneller- und stopfenderweise Griessbrei) vor Sonnenaufgang, dann wieder pennen legen mit vollem Magen, dann den ganzen Tag weder essen, noch trinken (nicht mal Wasser erlaubt der Muhammed einem der Quaelgeist) und dann puenktlich, wenn der heisse Lorenz untergeht, dann mit zuckersuessen Datteln das Fasten brechen. Danach geht alles in einer einzigen Fressparty auf, um danach fast platzend ins Bett zu fallen und sich schon auf den Griessbrei am Morgen zu freuen. Der ganze Jux geht dann bis zum 31. August und dann soll man angeblich Verstaendis fuer die Armen auf dieser Welt fuehlen, zu sich selbst gefunden haben und den Kopf bzw. den Magen frei bekommen haben von all dem Kroppzeug und anderem Mist, der sich ueber ein Jahr lang dort angesammelt hatte.
Klingt alles ganz plausibel und easy, aber schon bei der Ankunft am Flughafen in Kuala Lumpur schlug mir die drueckende malaysische Hitze ins Gesicht und liess mich augenblicklich an eine eiskalte Flasche Wasser denken, aber ich wollte ja eisern bleiben und bis abends um ca. 19 Uhr nichts Naehrhaftes zu mir nehmen...toi, toi, toi!
Ach was wuerd ich gerne, aber als hochheiliger Muslim kann ich das meiner Familie einfach nicht antun...
Aus medizinische fragwuerdiger Sicht bedeutet das 16,5 Stunden ohne Essen und Trinken auszukommen und das in einem Land, das gefuehlte 100 Luftfeuchtigkeit aufweist (schliesslich ist der Aequator nicht weit) und eine durchschnittliche Temepratur von 32 Grad laesst einen feinen Film von Sonnecreme und Schweiss auf der Haut glaenzen. Wie gerne wuerde man da eine kalte Cola trinken oder eine saftige Wassermelone von einem der tausend Fruchtstaende verschlingen! Da hier in dem Multi-Kulti-Hexenkessel Kuala Lumpur eben nicht nur Muslime wohnen, wird man praktisch an jeder Strassenecke hart auf die Probe gestellt. Denn staendig verhoehnen einen die Logos von McDonalds, KFC, Subway, BurgerKing, DominoPizza und ganz zu schweigen von den ganzen kleinen chinesischen Essenstaenden, die nur so duften von frisch frittiertem Zeugs yund frisch gepressten Fruchtshakes mit Einwuerfeln. Um sich einigermassen auf den Beinen halten zu koennen, nimmt man jede oeffentliche Toilette zum Erfrischen mit und klatscht sich dort soviel Wasser in Nacken und Gesicht, wie der Wasserhahn hergibt und spuelt sich begierig den ausgetrockneten Mund mit Wasser aus (ohne es runterzuschlucken allerdings!), waehrend ein paar Meter weiter genuesslich dampfende Burger gemampft und eiskalte Colas geschluerft werden und die Augen vor Neid ganz gross werden...
Zum Glueck sieht man an jeder Ecke mit Kopftuechern bedeckte "Leidensgenossen", die sich am ersten Tag des Fastens wahrscheinlich genau so schwer tun wie ich und das gleiche Begehren nach einem Schluck Wasser verspueren in dieser unertraeglichen Hitze.
Man laeuft unvermeidlich an Hunderten von Moscheen vorbei, wo die Menschen entweder dem Geleier aus dem Minarett-Megaphon lauschen, vor sich hinbeten oder einfach nur schlapp irgendwo rumliegen
Da ich leider mich nicht dazulegen durfte (noch bin ich nicht zugelassen in Allahs schuetzendem Haus, aber vielleicht ja dann am 31.August...), hab ich mich ein runtergekuehltes Kaufhaus gesetzt, und einfach eine Stunde lang Leute beobachtet. Man glaubt gar nicht, wie selektiv die eigene Wahrnehmung wahrend des Fastens wird: Wo man hinschaut, sieht man Menschen mit Wasserflaschen am Hals, Kinder, die in Suessigkeiten oder Lollies beissen oder gedankenverlorene erwachsene Nicht-Muslime, die es gar nicht zu schaetzen wissen, was ein solches Sandwich bedeuten kann!
Die Ortswahl im Aufzug des Shopping Centers beschraenkte sich ziemlich schnell auf "Food Arena" (wie fies, so ein Schild im Ramadan irgendwo anzubringen, haben die denn gar kein Feingefuehl?) oder das Krankenhaus, das bei dem Fluessigkeitsmangel der naheliegendste Anlaufpunkt war.
Trotz leerem Blick und schweren Beinen habe ich mich meinem derzeitigen Hauptberuf als Tourist verpflichtet gefuehlt und bin deshalb quer durch die Stadt gelaufen und habe mir die Highlights wie die 380 m hohen "Petronas Twin Towers" angeschaut. Ganz nett soweit, aber irgendwie auch nicht so besonders, wie man es von Bildern erwartet. Also bin ich zum zweiten touristischten Hoehepunkt der Stadt gelaufen: Dem 421m hohen Fernsehturm von Kuala Lumpur, der zusammen mit den Zwillingstuermen die Skyline sowohl bei Tag als auch bei Nacht bestimmt.
An einem Marktstand hab ich mittags schon erstklassige muslimische Datteln gekauft, auf die ich mich dann ca. 4 Stunden lang gefreut habe und die mir im Laufe der Zeit immer saftiger erschienen!
Um das Fasten auch in ehrwuerdigem Rahmen zu brechen, bin ich bis zum Sonnenuntergang auf dem Aussichtsdeck des Fernsehturms sitzen geblieben und hab mich in ein Buch vertieft, um die Zeit totzuschlagen und nicht ans Essen oder Trinken zu denken. Man glaubt gar nicht, wie sehr die Tagesplanung sonst von der Nahrungs- und Fluessigkeitsaufnahme bestimmt wird. Man stelle sich nur mal vor, man koennte nirgendwo mal eben einen Kaffee trinken gehen, nicht auf Maerkten rumschlendern, nicht in Supermaerkten stoebern oder sich einfach nur mal kurz mit einer Cola und einem Snack auf eine Wiese oder in einen Park flaetzen. Wo bleibt dann der Spass? Da geht so ein Tag echt vor die Hunde, ich sachs euch!
Es wurde 6, es wurde 7 und ich wunderte mich langsam, ob das Sicherheitspersonal schon auf einen "jungen, westlich angezogenen Moechte-Gern-Muslim" aufmerksam geworden war, aber man liess mich und meinen schreienden Magen und die trockene Kehle gewaehren, bis die Sonne durch eine verschleierte Smog-Glocke am Horizont verschwand und ich kann euch versichern, dass mir nie im Leben getrocknete Datteln so GEIL geschmeckt haben! und kurze Zeit spaeter bin ich aufs Klo gerannt und hab literweise Leitungswasser in meinen Rachen gekippt und ich kann mich auch nicht entsinnen, dass Leitungswasser in Asien (versucht oder nicht) jemals so fein die ausgetrocknete Kehle runtergelaufen ist!
Als Belohnung fuer die wirklich harten 16,5 Stunden ohne die kleinen, feinen Kalorien bin ich auf dem Rueckweg schnurstracks zu Mc's rein und hab mir ein vor ungesunden Sachen triefendes, fettiges Menu geholt und selten ein Fast-Food-Mahl so genossen
Letztendlich kann ich aber nicht behaupten, dass der Herr Ramadan und ich irgendwie dicke Freunde geworden waeren und wenn er eines bewirkt hat an diesem 1.August, dann, dass ich es jetzt viel mehr zu schaetzen weiss, ein kaltes Getraenk oder ein Snack im Laufe des Tages zu mir nehmen zu koennen. Insofern muss ich leider gestehen, dass wir uns nach Ablauf eines Sonnenzyklus bereits wieder getrennt haben und verschiedene Lebens- und Glaubenswege gehen werden in Zukunft...
Aufbruch: | 10.10.2010 |
Dauer: | 12 Monate |
Heimkehr: | 10.10.2011 |
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