In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Indonesien: Bali ganz natuerlich

Kunst und Kultur fernab vom Ballermann

Ich denke, viele haben bei dem Wort Bali als Urlaubsziel schnell den Mallorca-artigen Ballermann Indonesiens, naemlich Kuta Beach im Sueden der Insel im Kopf, der von oberkoeperfreien, rund um die Uhr dichten Australiern uebervoelkert wird und tunlichst gemieden werden sollte, denn sobald man dieses niveauarme Smog-Gewuehl hinter sich laesst, eroeffnet sich die Insel in seiner natuerlichen, untouristischen Schoenheit aus urwald-bewachsenen Bergen, aktiven Vulkanen, Reisterrassen und freundlich laechelnden Balinesen, die sich gelinde gesagt in vielen Doerfern den Arsch abfreuen, dass man sie besucht und einem rufend und winkend ein begeistertes "Hello" hinterherschreien oder einen abklatschen, wenn man mit dem Fahrrad vorbeifaehrt. Genau solche urspruenglichen Orte quer ueber Bali verteilt habe ich in den letzten 2 Wochen mit meiner sehr genuegsamen, jungen, aktiven Rucksack-Mutter unternommen (an dieser Stelle moechte ich unter nicht unerheblichem Druck und Lobbyismus vergangener Mitreisender die Gelegenheit nutzen, eine Richtigstellung in Bezug auf das vorangegangene Kapitel "Vom Backpacker zum Flashpacker" zu veroeffentlichen, da sich die Trainerin alias Mutter des Verfassers nicht ausreichend praesentiert sah und anmerkte, Sie sei, Zitat: "doch eine ganz coole Sau und keine Luxusrentnerin" und betonte im weiteren Verlauf des Gespraechs, dass Sie "zwar ein ordentliches Bett brauche, aber ansonsten doch voll aktive Sachen mit [ihr] machen kann". Insofern entschuldige ich mich fuer jeglichen Verdacht, dass Petra S. eine Club-Urlauberin sei, denn das Gegenteil ist der Fall: anspruchslos, furchtlos, sportlich, nicht zimperlich und niveauarm. Ich hoffe, diese Richtigstellung erfolgt im Sinne der betroffenen Person.)

Kommen wir nun aber wieder zu den wirklich wichtigen Dingen, naemlich dem taeglichen Geschaeft eines Weltenbummlers und seiner ebenfalls reise-erfahrenen, ihn besuchenden Mutter. Es ging also munter von einem schoenen, einigermassen urspruenglichen Oertchen einmal im Kreis, um Ulm und um Ulm herum sozusagen. Dabei schoen immer alles mitgenommen, was wir kriegen konnten, sei es ein Dschungel-Wasserfall, diverse hinduistische und buddhistische Tempel (inklusive spontaner Reisefuehrer-Kurzreferate des kulturellen Familienoberhaupts, in diesem speziellen Fall meine Mutter), Affenwaelder, Fahrradtouren, Vulkanwanderungen im Morgengrauen, ein Bad in einer heiligen Quelle, das Anfassen einer heiligen Giftschlange (die angeblich noch NIE jemanden gebissen hat und deshalb heilige 10 Cent pro Blick verdienen darf, denn hier in ist Tierarbeit noch nicht verboten), Besuch einer Kaffee-Plantage inklusive des angeblich besten Kaffees der Welt "Kopi Luwak" (also mal ehrlich, ein Kaffee, der aus Kaffeebohnen gemahlen wurde, die vorher einmal komplett durch den Fleischwolf gedreht wurden? genauer gesagt tagelang den total verdreckten Darm einer Bergkatze entlanggewandert sind? das soll gut und vor allem arschteuer sein?), noch mehr Tempel, die man unbedingt gucken muss und zu guter Letzt: ein Tempel! Ja, wer haette das gedacht?

An dieser Stelle moechte ich allerdings trotz meiner Begeisterung fuer den Buddhismus (und seiner friedlichen Kharma-Gewinnung) eine Lanze fuer den haeuslichen Hinduismus brechen, denn die allermeisten Privat-Haeuser auf Bali gleichen eher kleinen, verschachtelten Tempel-Anlagen als den ueblichen Wohnbehausungen, wie wir sie kennen. So entpuppt sich ein solcher Komplex naemlich als ein grosser Innenhof mit 5 oder 6 verschiedenen, hoeher gelegten Gebaeuden, die alle einem eigenen Zweck dienen und auch nur fuer diesen benutzt werden: ein mit Blumen, Opfergaben, Kraenzen und Duftkerzen geschmuecktes Zeremonie-Haus, ein Ehe-Haus fuer frisch verheiratete Paare (in das sie fuer 3 Tage zum "Kennenlernen" gesperrt werden ), ein Schlafzimmer, eine russ-schwarze Kueche, in der tagein-tagaus Berge von Reis mit Scheiss (also Gemuese in jeder erdenklichen Form) gekocht werden und eine Art Ahnen-Tempel, in dem tatsaechlich in einen Schrein verpackt die Ueberreste der verbrannten Ahnen liegen, denn schliesslich wird dann dieser verstorbene Verwandte im naechsten Kind wieder geboren, wenn er in der Naehe bleibt. Bei weniger betuchten Familien wird der Verstorbene auch erstmal ganz normal verbuddelt und wenn dann irgendwann Kohle da ist, dann werden die Knochen schnurstracks wieder ausgebuddelt und eben dann verbrannt und in den Garten gestellt Jede zweite Handlung der Menschen ist hier eben "For good luck"... allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das Fussnaegel schneiden mit einer Machete oder das Wasser im versuchten, braunen Kanal am Strassenrand dazugehoert...

Um uns also nicht dem totalen Tempel-overkill auszuliefern und vor allem, um dem regen Kommunikations-Beduerfnis vieler Einheimischer zu entkommen, haben wir uns kurzer Hand fuer 2 Tage ins Paradies abgesetzt, aber dazu spaeter mehr in visueller Form... Man sollte ja denken, dass redselige Einheimische einem freude bereiten und das trifft auch die ersten 500 Anlaber-Versuche und Belagerungen zu, aber spaetestens wenn man zum 501. Mal die ewige Frage nach "Transport?" von einem der allzeit bereiten Jungs auf ihren Rollern hoert, reagiert man einfach nur noch mit einem fuer diese Faelle reservierten Kopfschuetteln. Sobald man naemlich anfangt, sich auf ein kurzes Gespraech einzulassen, entkommt man dem Verhandlungs-Marathon nur noch mit Muehe: "Where you from?", "First time to Bali?", "Your Name?", "Cheap price, Madam!" und wenn nichts mehr hilft: "money?". Bei dieser Gelegenheit moechte ich meine Lieblingsfolge solcher Angebote im Party-erfahrenen Kuta zum Besten geben, wo ich innerhalb von 5 m und 4 sich auf ihrern Rollern reakelnden Jungs folgende Angebote gab: 1. "Magic Mushrooms?", 2. "Tatoo?", 3. "Weed?" und zu guter Letzt "Transport?"
Da muss man als Transport-Beauftragter schon auf dem Kiewief sein und sich echt was einfallen lassen, um die Touristen von seinem eigenen kleinen Business zu ueberzeugen...

Ausserdem muss man in Indonesien wie in vielen asiatischen Laendern damit rechnen, unzureichende, unvollstaendige oder gar falsche Informationen zu bekommen, da jeder versucht, einen von den eigenen Transport-Connections zu ueberzeugen, denn man kann davon ausgehen, dass jeder, aber auch absolut jeder Dorfdepp irgendeinen kennt, dessen Cousin einen kennt und dessen Bruder, der hat ein Auto und kann dich fuer den absolut billigsten Preis der Insel gleich hier abholen und hinfahren, wo du willst. Klingt erstmal toll, aber der Clue bei der ganzen Geschichte ist die Tatsache, dass jeder Schluck Wasser verhandelbar ist. Selbst irgendwo auf ein oeffentliches Klo gehen verwandelt sich schnell in einen lebhaften Handel mit der Klofrau (wobei mir hier meine langjaehrige Erfahrung mit der netten Klofrau aus dem Sub zu Gute kommt ) und es ist ein Wunder, dass es in den groesseren Orten ueberhaupt offizielle Supermaerkte gibt, die mit Preisschildern versehen sind. Man kann sich nicth vorstellen, was fuer eine Erleichterung der Anblick von festen Preisen ausloesen kann, wenn man vorher tagelang grundsaetzlich von jedem mit einem breiten Grinsen den drei- oder vierfachen Preis genannt bekommt. Zum Beispiel wusste ich nach intensivem Einstieg ins Postkarten-Business, dass Postkarten universell 30 Cent kosten und als ich an einem Marktstand eine eben solche kaufen wollte, schlug mir dir laechelnde, kleine Frau 1,5 Euro als angemessenen Preis vor! Ich hab gelacht und gefragt, ob sie Witze machen wuerde und dass ich ihr hoechstens 30 Cent geben wuerde und siehe da, das Laecheln verschwand und sie nahm die 30 Cent klaglos entgegen.

Ein weiterer Grund fuer unsere Flucht ins Paradies war der voellig chaotische und nicht durchschaubare Verkehr, der in jeder noch so kleinen Gasse der Insel herrscht, denn Hinz und Kunz ist tagtaeglich auf Rollern unterwegs, die sich teilweise lebensgefaehrlich und eigentlich rund um die Uhr hupend an Lastern, Autos und Tausenden Roller-Genossen vorbeitanken. Obendrein wird auf diesen Rollern eben auch Kind und Kegel transportiert, weil viele Familien kein anderes Transportmittel besitzen und auf diese Weise eben jeglicher Besitz und Familienmitglieder von A nach B transportiert werden muessen. Man haette es tatsaechlich nicht fuer moeglich gehalten, aber wir haben lebendige Beweise gesehen, dass 5 Menschen auf EINEN Roller passen! Das klingt erstmal alles noch ganz lustig, aber da es inselweit nichts in der Art von so weltfremden Dingen wie Umweltzone, Gruenplakette oder Abgassteuer gibt, legt sich in den dicht besiedelten Gegenden eine feine Abgas- und Smogschicht ueber die hitze-geschwaengerte Luft...

Also haben wir uns fuer 4 Stunden in die Haende einer schrott-reifen Faehre begeben, 3 Stunden in einem Minibus geschwitzt, 1,5 Stunden an einem im Muell ersaufenden, schmierigen Abzocker-Faehrhafen verbracht und schliesslich 1 Stunde mit einem Holzboot auf "Gili Meno" uebergesetzt, einer mit Holzhuetten, Palmen und weissem Strand gesegneten 300-Einwohner-Insel im blau-tuerkisen Nichts des Pazifiks und dort einfach mal die Seele bzw. die Fuesse baumeln lassen

Nun muss man zum Nachvolziehen dieses akuten Entspannungs-Gefuehls wissen, dass es auf Gili Meno keinen motorisierten Verkehr und somit keine Abgase gibt, sondern nur reine, salzige, Meerbrisen und die Resorts mit ihren Holzbungalows sich vertraeumt an den feinen Sandstrand reihen, stilvoll getrennt durch Palmen und dichten, tropischen Busch. Abgesehen davon gibt es ein paar wunderschoene, vertraeumte Restaurants in einzelnen Bambus-Pavillons, die den Gaesten ein Abendessen mit Blick auf das offene Meer und dem Ambiente von seicht ans Ufer plaetschernden Wellen keine 5 m entfernt ermoeglicht.
Seine Tage verbringt man mit Faulenzen (auch diese Kunst will erlernt sein), lesen, gammeln, essen, wieder gammeln, nochmal essen, kurz was snacken, kurzem Nickerchen und eiskaltes Bierchen schluerfen. Wenn man irgendwann Hummeln im Hintern hat, dann kann man sich wie wir auch tatsaechlich sportlich betaetigen und tauchen oder schnorcheln gehen und eine atemberaubend bunte Unterwasserwelt bestaunen, in der sich Fische und Korallen aller Art tummeln und einen so beeindrucken, dass man am Liebsten vor Staunen den Mund aufmachen wuerde, nur hat sich das nach eingehenden Tests als nicht sinnvoll erwiesen bei den oben genannten Wassersport-Aktivitaeten.

Absolutes Highlight und wirklich toll organisiert von der lokalen Tourismus-Agentur war allerdings der "Sonnenangler"! Respekt fuer dieses perfekte Timing und das Buehnenbild!

Allerdings habe ich nach Betrachtung der Schnappschuesse dieses Urlaubs das Gefuehl, dass der froehliche Alkoholkonsum, die brennende Hitze und das dadurch der staendigen UV-Strahlung ausgesetzt sein, der Grossteil der Reisetruppe bleibende Gehirn-Schaeden davon getragen hat oder zumindest das Niveau deutlich unter die Teppichkante hat sinken lassen (wobei zugegebenermassen dieser symbolische Niveau-Teppich in der Familie Schebaum schon seit Jahren im tiefsten Winkel des Kellers vor sich hin staubt).
Allerdings hielt uns das nicht davon ab, "einfach mal Spass (in diesem Fall tatsaechlich rheinisch mit Doppel s) zu haben"

Jaja, hier wird deutlich, wie individuell Humor sein kann, zum Glueck sag ich mal Bis zum naechsten Mal, euer Mondgesicht...

© Marius Schebaum, 2010
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Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
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