In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Tschina: Die 4 Unheiligen aus Duesseldorf

Aus dem Leben der Taugenichtse

Wir schrieben damals nach abendlaendischer Zeitrechnung das Jahr 2011, als sich vier unbekuemmerte junge Maenner, ihres Zeichens fromme Glaubensbrueder der Duesseldorfer Abtei Sankt Goerres, frohen Mutes auf den Weg ins bisher unerforschte Nordchina aufmachten. Die Schriften der 4 kuehnen Abenteurer wurden im Laufe der Jahrhunderte oftmals umgeschrieben und ausgeschmueckt, doch steht so oder so fest, dass diese kulturell aufregende Reise ein wahrer Gewinn fuer die Voelkerverstaendigung und unseren heutigen Wissenstand ueber das weit entfernte Reich der Mitte darstellt.
Die Maenner aus dem Rheinland hatten zum Zeitpunkt ihres Aufbruchs bereits die kloesterliche Ausbildung abgeschlossen und sich intensiv dem Studium verschiedener Lehrbuecher und Schriften hingegeben. Besonders im Bereich der medizinischen Studien konnten sich drei der Vier Glaeubigen mit Bestnoten hervortun, waehrend das Fachgebiet des Letzteren im Bereich der physischen Lehren lag.
Die Reisenden bekamen vom Duesseldorfer Koenig den Auftrag, sich als Botschafter ihres Landes und damit des abendlaendischen Kulturguts zu betaetigen und regen Austausch mit den fremden Menschen mit den kleinen Augen zu betreiben, um in Zukunft eventuell vorteilhafte Handelsbeziehungen aufbauen zu koennen... Die Jugendlichen Abenteurer hoerten von verschiedenen weit gereisten Kaufleuten, dass die chinesische Kultur sich deutlich von der Ihrigen unterscheide, zum Beispiel in Bezug Hygiene, Hoeflichkeit oder Verhandlungsgebaren, weshalb sie sich kuehn vornahmen, dem ungehobelten Chinesen an sich mal ein paar Manieren beizubringen.
In den Tagebuechern der 4 Maenner wird immer werden immer wieder die ausserordentlichen Verhandlungs- und Sprachkuenste vom juengsten Mitglied der Gruppe, Lucifer dem Barmherzigen, hervorgehoben, der es sich zur obersten Maxime machte, chinesischen Strassenhaendlern die deutsche Sprache naeher zu bringen, weshalb er es strikt anlehnte, auch nur ein Wort englisch oder chinesisch bei den zaehen Verhandlungsrunden zu benutzen. Vielmehr geriet er immer wieder in kleine Auseinandersetzungen mit boesartigen Verkaeufern chinesischer Koestlichkeiten, die ihm angeblich einen Preis fuer die Ware genannt haetten, dann aber diese Vereinbarung nicht einzuhalten gedachten, was den sonst so besonnenen Lucifer in Rage brachte und ihn in seiner Muttersprache schimpfen liess: "Ich hab gesagt, so oder so! Ach komm, das is doch scheisse!" Lucifer musste die Erfahrung machen, dass er mit dieser Methode nicht nur Freunde unter den Fremden gewann, doch nichtsdestotrotz hielt er konsequent an seiner Linie fest.

Dass man nach mehr oder weniger umstaendlichen Verhandlungen auch satt wurde, war allerdings nicht gesagt, da sich immer wieder das Problem der hier zu Lande ueblichen Essstaebchen anstatt festem Besteck auftat, mit deren Umgang die Rheinlaendischen nicht vertraut waren, so dass der ein oder andere schonmal hungrig nach Hause gehen musste.

Auch in Bezug auf koerperliche Betaetigungen taten sich besonders waehrend der sich wiederholenden abendlichen Gymnastik in dunklen, fluroszierenden Raeumen unter Einfluss lautstarker Balladen in chinesischer Sprache und ungesund hohem Genuss alkoholhaltiger Getraenke, grosse kulturelle und stilistische Unterschiede auf. Waehrend die Heiligen es aus ihrer Heimatstadt gewohnt waren, sich den sinnlichen Genuessen vollends und ohne Scham hinzugeben, mussten sie nach den ersten schwungvollen Bewegungen schnell feststellen, dass sie damit die Aufmerksamkeit der kompletten Gaesteschar auf sich zogen, die ihrerseits das Ganze etwas konservativer angingen. Doch schliesslich erinnerten sich die jungen Maenner an die Worte des Koenigs, dass ein Teil der deutschen Abendlandkultur in die Welt hinausgetragen werden solle, weshalb sie alle Scham ablegten und mal richtig kraeftig abspackten, was ihnen geteilte Meinungen beim Publikum einbrachte, zum Beispiel frenetisches beklatscht werden, nachtanzen oder auch einfach nur unglaeubiges Staunen.

Schon nach den ersten Schritten auf fremdem Boden mussten die Taugenichtse ueberrascht feststellen, dass die ostasiatischen Klimaverhaeltnisse in keinster Weise mit den im rheinlaendischen Koenigreich bekannten Wettern zu vergleichen waren. Die Luftfeuchtigkeit und die durch den himmlischen Feuerball verursachte Hitze sei den kompletten Tag und sogar bis in die Nacht hinein um ein Vielfaches hoeher, hiess es in den Erfahrungsberichten der Heiligen. Dies hatte zur Folge, dass "Florian der Schwitzige", wie er im Laufe der Reise bei einer offiziellen Zeremonie von seinen Glaubensbruedern getauft wurde, eines Tages ein goettliches Zeichen auf seinem gestaehlten, adonis-gleichen Koeper entdeckte: Auf seinem Ruecken hatte sich nach grosser koerperlicher Anstrengung ein engel-foermiger Abdruck gebildet, was die Heiligen umgehend als eindeutiges Zeichen ihres Herrn auffassten, dass sie auf dem richtigen Weg seien und ihre teils beschwerliche Reise fortsetzen muessten. Dies taten sie mit zum Teil abenteuerlichen Transportmitteln. Waren sie bis dahin relativ komfortable Kutschen oder Pferderitte gewohnt, so bedeutete es eine grtosse Umstellung, in ein dampfendes, mehrere hundert Meter langes Ungetuem einzusteigen, dass sie in einem Bruchteil der Zeit an ihre naechste Pilgerstaette bringen sollte. Enthusiastisch bestiegen die Juenglinge das Gefaehrt, doch als sie der dringend noetigen Abkuehlung wegen ein wenig Fahrtwind in ihre Sitzecke hineinlassen wollten, stellten sie schockiert fest, dass sie ausgerechnet den einzigen Platz mit nicht funktionierendem Fenster vom oertlichen Priester zugewiesen bekommen hatten, was sie als grobe Verletzung der ihnen bekannten Gastfreundschaft fuer Pilgerer auffassten und dies negativ in ihrem Landesfazit vermerkten.

In ihrem bis dato unbeschwerten Leben im Rheinland gehoerte die koeperliche Betaetigung beim Ausueben verschiedener Spielformen zu den favorisierten Zeitvertreiben der fuer ihr Alter erstaunlich weisen Pilgerern. Aus diesem Grund wollten sie es sich nicht nehmen lassen, einen Teil ihre Faehigkeiten dem chinesischen Volk zu praesentieren, was dazu fuehrte, dass sie am belebten Strand eines Fischerdorfes ein Fussballspiel ausriefen, zu dem junge Maenner aus der Umgebung eingeladen waren. Das im Abendland sehr beliebte mit-grossem-Eifer-einem-Lederknaeuel-hinterherjagen schien sich allerdings noch nicht bis nach Nordchina herumgesprochen zu haben, da die wuchtigen deutschen Langnasen den leichtfuessigen, eher gedrungenen Flachnasen doch deutlich ihre Grenzen aufzeigten. Diese raechten sich allerdings im Gegenzug damit, dass sie in einer ihrer bevorzugten Spiele, naemlich dem sogenannten "Basketball", es schlicht und ergreifend nicht zuliessen, dass die Heiligen teilnahmen. Es ging sogar so weit, dass die Fremden in Springerstiefeln behaupteten, dass es sich bei dem hiesigen Sportplatz um ein privates Militaer- bzw. Polizeigelaende handele und die Prediger sich umgehend entfernen moegen, was diese nach kurzer Einschaetzung der Situation auch bereitwillig taten.

Auf einer solch umfangreichen Pilgerreise geschieht es fast von selbst, dass man anderen Fahrensmaennern begegnet und ein Teilstueck der Weges gemeinsam zuruecklegt. Als die Vier im aeussersten Norden Chinas auf eine schier unendliche Steinmauer stiessen, die sich unbeeindruckt ob des bergigen Terrains auf und ab schlaengelte, gesellte sich also ein ende-zwanzigjaehriger deutscher Pilgergenosse aus dem Fuerstentum Berlin zu den rechtschaffen beeindruckten Duessldorfern und stellte sich freundlich lachend als "Paul der Ehrliche" vor. Rasch wurden bisher gesammelte Erfahrungen und Eindruecke bei einer kuehlen Hopfenschorle in der gemeinsamen Herberge ausgetauscht und da sich die Mehrheit unserer 4 Protagonisten auf einer Wellenlaenge mit dem neuen Freund zu befinden schien, entschied man sich, die folgenden 2 Tage gemeinsam die grosse Mauer zu erkunden. Es stellte sich nach muehsamen Erkundungs- und Spaehertouren jeweils einen Tagesmarsch nach Westen und Osten an dem architektonischen Ungetuem entlang heraus, dass diese Stadtmauer merkwuerdigerweise keine Stadt umgibt, wie es den 5 Maennern aus ihren Heimatorten bekannt war, sondern scheinbar dazu diente, ein ganzes Land gegen ein anderes Land abzuriegeln. Paul der Ehrliche hatte ein paar Tage zuvor ein Gespraech zweier Wanderer belauscht, die darueber munkelten, dass die Mauer lediglich der Abwehr wilder mongolischer Reiter diente, woraufhin Marius der Umtriebige beschloss, gegen Ende seines Pilgerpfades das mongolische Hinterland in seine Reiseplanung aufzunehmen und herauszufinden, was es mit diesen gefuerchteten Reitern auf sich habe.

Ein weitere Reisebekanntschaft, die in den Aufzeichnungen der 4 Maenner immer wieder Erwaehung findet, gesellte sich im Handelszentrum von Peking zu den Heiligen. Ueberrascht mussten si feststellen, dass es sich bei diesem Pilgerer nicht um einen Mann handelte, sondern fuer diese Zeiot eher ungewoehnlich, um eine alleinreisende FahrensFRAU. Sie klaerte die wissbegierigen Maenner ueber ihr heimisches Koenigreich Israel und die dort vorherschende Religion namens "Judentum" auf, doch nach Ablauf von zwei vollen gemeinsam verbrachten Tagen kam es zu Unstimmigkeiten unter den Juenglingen. Lucifer der Barmherzige zog es vor, den Kontakt zu der dunkelhaarigen Fremden auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, da er der Meinung war, das sie die freundschaftliche Stimmung unter den mittlerweile gemeinsam durch Dick und Duenn gegangenen Maenner gefaehrden koenne. Nach eifrigen Diskussionen und verschiedenen Erwaegungen nahm Wilhelm der Verstaendnisvolle sich ein Herz und machte der israelischen Reisenden auf recht unmissverstaendliche und deutliche Art klar, dass ihre Anwesenheit von nun an nicht mehr erwuenscht sei. Doch auch ohne ihre Teilnahme an den taeglichen Erkundungs- und Weiterbildungstouren durchs Gelaende sollte sie noch lange Zeit das vorherschende Thema innerhalb der aufgebrachten Gruppe sein und sich wie ein dunkler Schatten ueber die sonst so froehlichen Gemueter der Goerrisianer legen.

Zwar haben sich die Taugenichtse ueberraschender- und unerwarteterweise nach einigen Startschwierigkeiten den meisten chinesischen Gepfogenheiten und Sitten angepasst, doch in einem Punkt waren sich die Juenglinge stets einig: Niemals wuerden sie sich an das Urinieren und Geschaeft-erledigen auf offener Strasse gewoehnen und diese Eigenart deshalb auch keinenfalls in die Heimat weitertragen. Ausserdem hatten drei der Vier Maenner erhebliche Skrupel, ihren Speichel lautstark auf den Boden zu feuern, wie es in Nordchina Gang und Gaebe zu sein schien. Lediglich "Florian der Eklige" schien regelrecht Gefallen an der in der abendlaendischen Kultur verpoehnten Geste zu finden und tat, was in der Reisegruppe im weiteren Verlauf lediglich als "den Chinesen machen" tituliert wurde.

Alles in Allem geht aus den umfangreichen Aufzeichnungen und eifrigen Erzaehlungen der 4 jungen Reisenden jedoch deutlich hervor, dass die Reise ins Unbekannte als voller Erfolg und wichtige kulturelle Erfahrung verbucht und als solche auch von den heimischen Fuersten und Koenigen gewuerdigt wurde. Noch heute ranken sich Legenden um die 4 Hauptakteure der damaligen Reise und ich als Erzaehler dieser sagenumwobenen Geschichte kann mich redlich gluecklich schaetzen, die Bekanntschaft mit diesen ausserordentlich gewitzten und umtriebigen Unheiligen gemacht zu haben und deshalb in der Lage zu sein, diese Erfahrungen in die Welt hinaus senden zu koennen...

Es ist allerdings eine wahre Schande, dass zu diesen altertuemlichen Gezeiten die damalige technologische Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten war, als dass ueberdauerndes Bildmaterial von der Reise der Unheiligen existieren wuerde, so dass ich deshalb an die mit Sicherheit blumige Vorstellungskraft meiner Zuhoerer appellieren muss...

Marius Grimm

© Marius Schebaum, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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