Seidenstrassenprojekt
Xiva, Khiva oder auch Chiwa
Heute Nachmittag ist frei! Also machen wir uns allein auf den Weg. Einmal von West nach Ost – hinter dem Osttor über den Markt, dann außen südlich um die Mauer bis zum Südtor, dort wieder in die Altstadt und bis zum Teehaus an der West-Ostpassage, weiter bis zum Nordtor, Besuch auf der Mauer und zurück wieder außerhalb der Mauer zum Hotel.
Schon am Westtor stehend ist man gebannt von der strengen Abgeschlossenheit der ummauerten Stadt und der unglaublichen Ballung an Großarchitektur. Mehr als sechzig Medresen und kleine und große Moscheen, zahlreiche Minarette und Mausoleen, heute sorgfältig mit Mitteln des Ministeriums für Islam restauriert, nachdem sie in der Sowjetzeit teils schon verfielen. Es ist ein Ensemble, das meistenteils im neunzehnten Jahrhundert erbaut wurde.
Renate Eulenbruch nennt Chiwa das »Florenz des Ostens«. "Die unglaubliche Harmonie von Form und Farbe nimmt einen gefangen und raubt fast den Atem."
Unzähligen Brautpaare schreiten in wunderschönen Kleidern und festlichen Anzügen durch die Gassen, denn Chiwa ist ein besonderer Ort, um sich trauen zu lassen. Nach der Trauung gehen die Hochzeitsgesellschaften in das Pahlavon-Maxmud-Mausoleum, um dort zu beten und im Innenhof das Wasser des heiligen Brunnens zu trinken.
Was leider nicht zu vermeiden ist, wenn man auf klassischen Touristenrouten unterwegs ist, empfängt uns ein Spalier von Händlern kaum dass wir das Stadttor passiert haben.
Neben den üblichen Souvenirs bieten Händler in brütender Hitze sinnigerweise Pelzmützen aller Art an - Nerz oder Persinaer oder „Schwarzmützen“, wie sie vor allem die Karakalpaken am südöstlichen Teil des Aralsees tragen.
manche tragen sie sogar
Das Chanat Choresmien - bereits im 4. Jh. v. Chr. bekannt - kann auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken und nur wenige Kulturen können damit verglichen werden. Bereits hundert Jahre bevor der Handel auf der Seidenstraße begann hatte Choresmien Verbindungen zu Europa und dem fernen Osten, mit Sibirien und südlichen Zivilisationen. Es ist die Wiege dreier Kulturen, die in Usbekistan entstanden.
Doch nun zu den ersten Eindrücken - Kalta Minor heißt kurzes Minarett. Es sollte jedoch das höchste Minarett des muslimischen Ostens werden, konnte aber aufgrund statischer Probleme nicht weitergebaut werden. Überhaupt erscheint mir in Chiwa vieles schief zu stehen - Kommentar eines Mitreisenden: daher heißt es ja auch Chiva und nicht Senkrechta.
Der schon erwähnte Welt-Artikel zur Diktatur präsentiert eine andere Geschichte: "..eine Reiseführergeschichte in nahezu allen Sprachen erzählt: Weshalb wohl das riesige Bauwerk da vorne, "kurzes Minarett" genannt, nicht beendet wurde? Weil der geflüchtete Baumeister erfahren hatte, dass der herrschende Khan seine Ermordung plante, sobald der Turm fertiggestellt sei - damit der Künstler nicht etwa in Zukunft für einen anderen Despoten etwas ähnlich Schönes erbaue."
Ornamentgürtel aus blauen, türkisfarbenen, grünen und weißen Fliesen bedecken die gesamte Fläche des 26m hohen Minarettstumpfes. In diesen Gürteln spiegelt sich das ganze Können der choresmischen Architekten wider.
An der West-Ost-Hauptstrasse liegt die Medrese Kutluq Murad Inaq - sie wurde 1804-1812 als erste zweistöckige Medrese nach Vorbilder aus Buchara errichtet und besticht für mich durch die enorme Vielfalt an Mustern aus den verwendeten Backsteinen
Blick vom Eingangsplateau der Allakulli-Khan Medrese auf die gegenüberliegende Medrese Kutluq Murad Inaq
Damit wir für heute abend auch dem leiblichen Wohl entsprechen können, hatten wir uns aus dem Reiseführer das Khorezm Art Restaurant ausgesucht, das sich in der Allakulli-Khan Medrese befindet. Wir schauen hinein und reservieren.
im Innenhof der von der UNESCO wiederaufgebauten Medrese sind heute kleinere Hanswerksbetriebe (Teppichknüpfer/ Seidenweber) untergebracht
Vorbei an den Anusha-Chan-Bädern durchschreiten wir das Osttor, hinter dem interessante Marktbereich beginnt.
Unter den erhaltenen Gebäuden von Chiwa befindet sich am Osttor der Stadt auch ein Badehaus aus dem Jahre 1657, das Anusha Khan gewidmet ist. Dabei handelt es sich um eine mehrräumige Konstruktion, die halb unterirdisch gelegen ist und dessen Dach aus mehreren Kuppeln besteht, die von außen zu sehen sind. Vom Empfangsraum gelangt man durch eine Bogenpassage in die Garderobe und weiter in den Hauptbadesaal. Um das Heißwasserbecken herum befanden sich die Ruheräume. In der Zentralhalle befindet sich ein Becken mit kaltem Wasser. Für die nötige Wärme im Badehaus sorgte ein System von Heizungskanälen unter dem Boden. Diese effektiven Technologien innerhalb eines einfachen, öffentlichen Gebäudes belegen die Fortschrittlichkeit der damaligen Zeit, nicht nur im Prunk der Paläste.
Markttreiben
Irgendwie ist es eigentlich immer dasselbe, aber man kommt einfach nicht umhin, das Markttreiben in fremden Ländern in sich aufzusaugen. Kaufen kann man nichts, essen sollte man wegen Montezumas Rache möglichst auch nichts.
Aber das Fremdländische beobachten!
Auf einem der geschichtsträchtigen Mäuerchen kann man sich niederlassen und die freundlichen Menschen beobachten, die hier noch in unverfälschter Art Handel treiben, weit entfernt von aufdringlichen Verkaufsabsichten an uns Touristen.
Aufbruch: | 10.09.2015 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 27.09.2015 |