Freeride to Asia

Reisezeit: Juli 2007 - Oktober 2008  |  von Lucia Dettli / Berny Ackermann

Indien: 12.12.07: Goa - Little Vagator - Agonda

Km 18950

Hallo Zuhause

Trotz laengerer Sendepause von unserer Seite geht es uns nach wie vor bestens, auch wenn wir mittlerweilen die erste echt gefaehrliche Situation unsers Trips erlebt haben. Doch dazu spaeter mehr.

Von Diu aus rollten wir durch das sehr laendliche Gujarat in Richtung Mumbai...

Getreidedreschen wie zu Gotthelf's Zeiten..

Getreidedreschen wie zu Gotthelf's Zeiten..

Es ist uns dann auch aufgefallen: je weiter Richtung Sueden, desto groesser die Hoerner der Kuehe..da sind wir mal gespannt wie das noch kommen wird.

wie schlaeft man wohl gemuetlich mit solchen Riesendingern am Schaedel??

wie schlaeft man wohl gemuetlich mit solchen Riesendingern am Schaedel??

In Palitana uebten wir uns nochmals im Besteigen von heiligen Treppen. Palitana hat sich gelohnt, denn nach kurzen 5000 Treppentritten waren wir bereits auf dem Tempelberg angekommen. Hier stehen insgesamt ueber 1000 Jain-Tempel und es werden fast taeglich mehr...

Imposant war fuer uns dass die Glaeubigen jedes Alters nicht nur die 5000 Tritte meistern - nein, die meisten wandern ueber hunderte von Kilometern aus halb Indien auf Pilgermaerschen zu dieser gigantischen Staedte.

Doch bald mal wechselte die Szenerie vom ultralaendlichen hin zum ultraurbanen.
Noerdlich von Mumbai querten wir einen schier endlosen Industrieguertel der ganz ueblen Sorte.

Smog wie inner Kinderdisco, pechschwarze Fluesse, einfach grauenhaft. Bitter - der Fluss kann noch so schwarz sein, trotzdem waschen die Frauen die Kleider darin und holen Wasser zum Leben...da keine Alternativen vorhanden sind - crazy India!

Echt bedrueckend zu sehen und riechen wie ausbeuterisch die Industrie hier die Natur abwuergt.

Insbesondere bedenklich, weil ein Grossteil der hier hergestellten Gueter wohl fuer die westliche Welt produziert werden....Verschmutzungsexport.

Die rasant wachsende Wirtschaft Indiens (ca 13% pro Jahr) spuelt taeglich mehr Gueter auf die Strassen, die dann auf der ganzen Welt verteilt werden sollen. Weil aber die indische Infrastruktur (z.Bsp. Strassen, Stromversorgung, Kanalisation, ja eigentlich alle oeffentlichen Bereiche) viel zu klein ist, resultieren Staus der Superklasse.

Wir haben bis anhin echt noch nie ein so grosses Rudel LKS's gesehen

Wir haben bis anhin echt noch nie ein so grosses Rudel LKS's gesehen

Zur Auflockerung gab's aber auch in den Staus immer wieder lustigste Gestalten zum knipsen.

Eigentlich haetten wir gerne in Mumbai - der anscheinend mit Abstand modernsten Stadt Indiens (die typischtragischerweise auch das weltweit groesste Slum aufweist) - den indischen Trendbeat zu kosten.
Nachdem wir aber bereits vor der Stadt stundenlang im Stau gestanden sind (in 12 Stunden haben wirs gerade mal auf 200 km gebracht), war die Verlockung eines rettenden Wegweisers Richtung Goa einfach unwiderstehlich.

Auf dem Weg dorthin lockerte sich der Verkehr gluecklicherweise rasch auf.

Anmerkung zum indischen Verkehr:

Wer in der Schweiz auf der falschen Seite faehrt wird mit Geisterfahrer betitelt und schaffts in kuerzester Zeit in die Rundfunkmedien.

Man koennte echt meinen, dass das in Indien auch so seie und die meistens mit Betelnuessen zugeknallten LKW-Fahrer deshalb wenn immer moeglich auf der falschen Spur unterwegs waeren.

Sehr wahrscheinlich ists einfach nur die Muedigkeit weil sie nur nach Leistung bezahlt werden und deshalb oft tagelang durchbrummen.

Auch egal, die Konsequenz ist das Wesentliche. Auf dem Ruecken liegende Trucks gehoeren hier zum Strassenbild wie die Loecher in den Emmentaler.

Ankommend in Goa staunten wir nicht nur ueber diesen lustigen Huehnertransport, nein wir trauten auch unseren Augen kaum...

Denn Goa hat widererwarten kaum etwas mit Indien am Hut. Es gibt hier Supermaerkte mit Olivenoel und Emmentaler und die Leute sind irgendwie nicht wirklich indisch.

Der Einfluss der Portugiesen, die Goa waehrend 460 Jahren kolonialisiert hatten, ist unverkennbar (Goa ist uebrigens deshalb heute noch stock-katholisch).

Wir treffen hier kaum auf Bettler, es gibt gemuetliche Bar's und Restaurants, sowie vernuenftige Musik.

Man kann hier sogar ein leckeres Steak der sonst in Indien so heiligen Kuh geniessen!!

Dieser tuechtige Geschaeftsmann verkauft wohl extrafrisch gelueftetes Federvieh..

Dieser tuechtige Geschaeftsmann verkauft wohl extrafrisch gelueftetes Federvieh..

Dieser Gegensatz laesst uns erkennen, dass wir uns in den letzten 3 Monaten enorm rasch an das viel einfachere Leben der durchreisten Entwicklungslaender adoptiert haben.

Umso toller fuehelen sich nun die sonst "normalen" Gueter wie Wein, Steak, Kaffee, Kaese, etc an.

Gestaunt haben wir auch, dass es so viele andere Fahrzeuge aus Europa hier hat. Uebrigens zu 90% Schweizer, Deutsche und Oesterreicher.... nachdem wir sonst auf der ganzen Reise kaum Overlanders angetroffen haben.

Der Grund, dass die meisten hier unten stehen sind wohl einfach all die suessen Annemhmlichkeiten, die sonst eigentlich voellig atypisch fuer Indien sind.
Hinzu kommt, dass man in Goa auch recht selten dem ermuedenden und sonst allgegenwaertigen "Inderterror" der Art:

"wat is iur cauntri"/"can meik pictser"/"oooooh weri neis gar"/..... ausgesetzt ist

Wir wollen hier ja nicht klagen, aber in Anbetracht der Ueberbevoelkerung in diesem Land, muss man manchmal schon sehr gelassen durch den Tag gehen koennen um nicht die Nerven zu verlieren.

Fuer so ziemlich alle ist aber Goa bereits Endstation..waehrenddem wir ja noch einige weitere Laender erforschen wollen.

Bei unserem ersten Stop in Little Vagator genossen wir's mit Gleichgesinnten Reiseerlebnisse auszutauschen, sowie mit Bike und Roller einsame Straende zu erforschen.

Cool, dass hier jeder Strand ne voellig eigene Charaktere aufweisen kann... Exhippies, russische Neureiche, Normalotouristen, Israelis, FKK-lers, reiche Inder oder naturpur)

Gestaunt haben wir auch dass es Leute gibt, die ganze Reisecars umbauen (da ist unser Bus ein kleines Notbiwack im Vergleich) oder solche wie der Oesterreicher Walter, der bereits 45!!! mal nach Indien gefahren ist!

Goa ist ansonsten nicht mehr das einst heilige Hippieparadies der Flowerpowergeneration. Der Jetset der westlichen Welt tummelt sich hier heute in pieksauberen Hotelanlagen und es gilt ein allgemeines Partyverbot nach 2200 Uhr.

Wir benoetigten fuer die Anreise knappe 5 Monate, waehrend denen sich neue, lernreiche und meistens wunderschoene Erlebnisse nur so aneinander gereiht haben.

Die Charter-Szene erreicht diese nach wie vor sehr gemuetliche Ecke innerhalb 8 Stunden.

Nachwievor ist unser Reisetiming einfach ideal - hier in Goa bereiten sich momentan alle Locals auf die bevorstehende Hochsaison vor.

Somit herrscht momentan auch noch am beruehmten Strandmarkt von Anjuna ein gemuetliches Treiben.

Harry und Eva beim Silvershopping. Mit Ihnen verstehen wir uns einfach zu gut und beschliessen gemeinsam weiter suedlich Straende ausfindig zu machen.

Auf der Weiterfahrt in Richtung Agonda trennen sich unsere Wege kurz, da wir noch bei einer Verschiffungsagentur vorsprechen wollen, um unsere anstehende Containerverschiffung in Richtung Suedostasien in die Wege zu leiten.

Zu schade, denn ihre Hilfe haetten wir bald bestens gebrauchen koennen...erlebten wir doch die erste wirklich gefaehrliche Situation mit Crazy-India:

Da tuckern wir wie ueblich gemuetlich gegen Sueden und es wird wiedermal ein bisserl eng auf der Strasse, weil sich 3 Lastwagen gleichzeitig ueberholen wollen.
Dementsprechend muss das Motorrad auf unseren linken Wagenseite ein bisserl in den Staubstreifen ausweichen (das ist alles ganz normal in Indien).

Doch nicht heute! Alsbald werden wir vom Fahrer mit dem roten Helm ueberholt und er schneidet uns auf gefaehrlichste Art den Weg ab. Berny mit heruntergelassenem Fenster beginnt sich gleich fuer das unsanfte Manoever zu entschueldigen, kommt aber nicht weit mit Reden, weil der Inder bereits durchs offene Fenster zu boxen beginnt (es handelt sich bei ihm und seinem Mitfahrer ausnahmsweise nicht um ein 40 kg leichtes indisches Wuermlein, sondern um nach westlichem Standard anstaendig staemmige Zeitgenossen).
Rueckwartsgang rein, Vollgas vorwaerts und im letzten Moment verlassen wir den Boxring.

Es dauert aber nicht lange, da terrorisiert uns der rote Helm von Neuem. Bremst uns aus und schlaegt mit voller Wucht an die Scheiben. Da wir in der Kolonne stehen koennen wir diesesmal nur mit viel Glueck ohne Beschaedigung weiterer Autos fluechten.

Von nun an fahren wir a la "too fast and too furious" unter konstantem Dauerhupen wie wild davon. Der rote Helm verfolgt uns waehrend 20 Minuten penetrant. Auf den vollen Strassen Goa's hat er einfach zu gute Chancen mit dem 2-Rad.

Lucy will uns fuer die scheinbar unvermeidbare naechste stehende Konfrontation mit dem Pfefferspray (unserer einzigen adaequate Waffe / wer greifft den heute schon zum Beil) ausruesten und stellt mit Schrecken fest, dass dieser nicht mehr auffindbar ist. (an alle mitlesenden Crazy-Inder: wir haben jetzt von Eva und Harry einen neuen Abwehrspray griffbereit an Board!)

Gluecklicherweise entkommen wir diesen durchgeknallten Indern aber als wir abrupt in ne Seitenstrasse reinschleudern, wo wir uns hinter einer Kokospalmenhuette verstecken koennen.

Fuer uns Schweizer ist eine solche Situation nicht verstaendlich. Unter den Overlandern weiss man aber: der sonst so gelassene Inder dreht durch wie ein Reifen im Schnee wenn im Verkehr was schief laeuft. In kuerzester Zeit schart sich ein Mob von 50 Leuten und haemmert wie wild auf die betroffenen Fahrzeuge. Haeufig schreitet die aufgebrachte Menge dann zur Selbstjustiz. So lasen wir kuerzlich in der Zeitung, dass ein unfallverursachender Reisecar kurzerhand in Brand gesteckt wurde.

Unter Overlandern kursieren Geschichten von Westlern, die in einen Unfall verwickelt waren und anschliessend geluencht wurden....Grrrrrrrrrrrr - so stellen wir uns unser Reiseende nicht gerade vor!

Infolge Panik und knapper Nerven fehlen hier leider jegliche Actionbilder!

Dafuer zeigen wir euch wie toll man in Agonda-Beach campen kann... haben hier uebrigens am morgen manchmal Delfinbesuche an unsrem "Privatstrand"...die schwimmen dann so an die 10 Meter vom Strand entfernt gemuetlich auf und ab....Also wenn der Weg nicht so weit waere koennte man vor lauter Campers wohl das Meer kaum mehr sehen...

Aber dank den 19'000 km die Agonda eben von Sursee entfernt ist hat man absolut seine Ruhe.

Fischgrillspezialist Harry im Einsatz...

Fischgrillspezialist Harry im Einsatz...

Auch zum grillen natuerlich..

Szene vom nahen Fischmarkt oder besser gesagt vom Fischschlachter...

Da ist die Fruchtecke schon friedvoller.

Wenn auch an anderen Straenden selbst hier in Goa schon echter Camper-Andrang herrscht. Viele stehen hier uebrigens den ganzen Winter.

Wie gesagt...im Vergleich zum normalen Globetrotter reisen wir ja enorm luxurioes...mit Kuehlschrank, 220 Volt Anschluss zum Laden des Labtops/Digicam/etc, eigener kleiner Kueche und vielen weiteren praktischen Lebensvereinfachern.

Wie immer im Leben ist jedoch alles eine Frage des Standpunktes....so sind wir kleine Wuermer im Vergleich zu solchen Supermonstern mit integrierter Waschmaschine, Tiefkuehler, Geschirrspueler, Badewanne, Mikrowellenherd, eigener Wasseraufbereitungsanlage und Garagen fuer Motorraeder (ja, das wollten wir im Plural schreiben!!)...

Unser Superbuss hat nebst der angenehmen Erscheinung, dass das Reisebudget keinen Overkill erleiden muss (das ist natuerlich indieviduell ..) auch noch den grossen Vorteil der Containerkompatibilitaet. Sprich wir werden unseren Bus ab Suedindien in einen 20" Container nach Kuala Lumpur (Malaysia) verschiffen koennen - was wir so auf Anfang Januar geplant haben.

Hinzu kommt, dass unser Bus ohne Landschaden zu verursachen auch "Versunkene" retten kann.

Ja es gaebe noch viel aus dem gemuetlichen Goa zu erzaehlen.. so zum Beispiel, dass unser USB-Stick beim Hochladen dieser Bilder Feuer gefangen hat (jaja, die indische Technik ist ein bisschen weniger zuverlaessig) - halb so schlimm, das Internetkafe steht noch..

Oder dass es hier "Buecher-und-fast-Lucyfressende-Kuehe" gibt..

Wir haben kuerzlich von Freunden erfahren, dass ja in baelde die Weihnacht 07 gefeiert wird!! Ja sowas kann man hier leicht vergessen....lasst Euch nicht stressen mit dem Shopping - Ihr habt naehmlich dieses Jahr 6 Monate mehr Zeit weil wir fruehestens dann zurueck sein werden.

In diesem Sinne und in tiefer Vorfreude auf die Sommergeschenke verbleiben wir mit sonnigheissen Weihnachtsgruessen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Aus Interesse für Natur, Kultur, Religion, Unplanbarem und vor allem unserer Selbst, sind wir mit unserem kleinen 4x4 Camper über den Iran, Pakistan und Indien nach Südostasien gereist. Weil wir noch nicht zurück wollen freuen wir uns jetzt riesig über den spontanen Versuch, quer durch Russland, die Mongolei und Kasachstan zurück nach Europa zu cruisen...hoppla hoffentlich hält das unser Bus aus.
Details:
Aufbruch: 15.07.2007
Dauer: 15 Monate
Heimkehr: 10.10.2008
Reiseziele: Schweiz
Kambodscha
Bulgarien
Griechenland
Türkei
Iran
Pakistan
Indien
Malaysia
Thailand
Laos
Japan
Russland / Russische Föderation
Mongolei
Kasachstan
Ukraine
Italien
Der Autor
 
Lucia Dettli / Berny Ackermann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Lucia Dettli / sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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