Freeride to Asia

Reisezeit: Juli 2007 - Oktober 2008  |  von Lucia Dettli / Berny Ackermann

Russland: 26.6.08: Vladivostok

Km 31'800

Priviet - Hallo auf russisch

Es war ein leichtes zu Erkennen, dass unsere Fähre von Fushiki (Japan) nach Vladivostok nicht für Touristen, sondern vielmehr für japanische 2nd Hand Autos genutzt wird.

Gestaunt haben wir dann trotzdem, als wir uns in Badeklamotten dem im Flyer der Reederei angepriesene Pool nährerten...smile

...also der Parkplatz unter dem Netz waere eigentlich der onboard Schwimmbereich...

...also der Parkplatz unter dem Netz waere eigentlich der onboard Schwimmbereich...

Bereits auf dem Schiff (alle anderen Reisenden sind russische Autoschieber, Autoersatzteilschieber, Autozubehörschieber, Autopimpteilschieber, etc..) spüren wir nen riesigen Mentalitätsunterschied zum Asiaten.
Die monatelange Zeit, wo ein uniformiertes Gegenüber körperlich so unterlegen war, dass ein Nein eigentlich immer zu einem Ja wurde, scheint definitv vorbei.

Die Russen wirken im ersten Moment grob, stark, grimmig, irgendwie verbittert, Lächeln scheint hier ein Fremdwort...und sie alle tragen plastiksackweise alle möglichen japanischen Güter (vom Rasentrimmer, über Haarschampoo, Pampers zum Fahrradhelm) aufs Schiff - wir lernen später, dass auch heute viele "moderne" Güter im Osten Russlands nur kaum und wenn ja völlig überteuert angeboten werden.

Ein moderner Airbus benötigt für die Strecke Vladivostok/Moskau 10 Stunden! Also schon irgendwie noch weit - und weils in den schier endlosen Weiten Sibiriens kaum Städte gibt und nebst dem Erdölabbau auch nur wenig funktionierende Industrie vorhanden ist, werden die meisten Güter aus Korea, China und Japan importiert.

Ansonsten war die wellenreiche Schaukelfahrt im speziellen für Lucy ne ganz neue Erfahrung, litt sie doch anständig unter Seekrankheit...gut sind wir nicht mit dem Schiff auf Reise!!

Nach 2 Tagen auf "hoher See" erreichen wir den strategisch so wichtigen Hafen der Russen: Vladivostok - der Zugang zum Pazifik, der einzige Ganzjahreshafen im Osten des grössten Lands der Welt (13% der Erdoberfläche, ca 450 mal so gross wie die Schweiz) und für uns die Schwelle zur Heimat, die irgendwo in ca 15'000 km Entfernung auf uns wartet.

...Stolz präsentiert sich beim Einlaufen im Hafenbecken ein Teil der Pazifikflotte der Russen..

...Stolz präsentiert sich beim Einlaufen im Hafenbecken ein Teil der Pazifikflotte der Russen..

...die Architektur in der Innenstadt weckt irgendwie so was aehnliches wie Heimatgefuehle...

...die Architektur in der Innenstadt weckt irgendwie so was aehnliches wie Heimatgefuehle...

Wir treffen uns mit unsere Gastfamilie in nem Wohngebiet und beziehen in einem der allgegenwärtigen Betonbunker aus den 70er Jahren Quartier (und aus mit dem Heimatgefuehl..):

.....übrigens gibt’s vor unserem Bunker ne strategische Wasserleitung aus den 50er Jahren, die immer noch 24h weise vom Militär mit deutschen Schäferhunden bewacht wird....

.....übrigens gibt’s vor unserem Bunker ne strategische Wasserleitung aus den 50er Jahren, die immer noch 24h weise vom Militär mit deutschen Schäferhunden bewacht wird....

Die üblichen Doppeltüren mit mindestens 5 Schlössern bringen die Angst der Locals vor der Kriminalität auf den Punkt...wir leben hinter der sichersten Haustüre unseres Tripps....stellt die Pforte des Gefägnisses in Baluchistan locker in den Schatten:

...auf den Fotos ist der Abfallgammelgeschmack der sich hier über Jahrzehnte in den Beton gefressen hat glücklicherweise nicht wahrnehmbar..

...auf den Fotos ist der Abfallgammelgeschmack der sich hier über Jahrzehnte in den Beton gefressen hat glücklicherweise nicht wahrnehmbar..

..unser Briefkasten...wo wir ne UPS Lieferung von der Reederei in Bangkok erwarten...

..unser Briefkasten...wo wir ne UPS Lieferung von der Reederei in Bangkok erwarten...

Wir staunen dann aber im Innern unsers "Bunkers" über die Wohnlichkeit unserer Bleibe und erfreuen uns an der tollen Aussicht:

Sowie der herzlichen Gastfreundschaft unserer Beherberger Marina und Jaroslav.

...einer der üblichen „Kitchenclubs“...weil allgemein wenig Kohle vorhanden ist, trifft man sich beim Nachbarn zum Essen in der Küche, und wenn der Nachbar Besuch aus dem Schlaraffenland Schweiz sein Eigen nennen kann, dann ist die Küche immer voll....Toll für uns und spannend....nur schade ist Englisch nicht wirklich ne Weltsprache (wer hat diesen Ausdruck eigentlich erfunden???)...Russisch zu unserem grossen Erstaunen aber sehr verwandt mit dem Deutschen ... wir haben  unsere „10 Wörter pro Land Regel“ bereits getoppt!

...einer der üblichen „Kitchenclubs“...weil allgemein wenig Kohle vorhanden ist, trifft man sich beim Nachbarn zum Essen in der Küche, und wenn der Nachbar Besuch aus dem Schlaraffenland Schweiz sein Eigen nennen kann, dann ist die Küche immer voll....Toll für uns und spannend....nur schade ist Englisch nicht wirklich ne Weltsprache (wer hat diesen Ausdruck eigentlich erfunden???)...Russisch zu unserem grossen Erstaunen aber sehr verwandt mit dem Deutschen ... wir haben unsere „10 Wörter pro Land Regel“ bereits getoppt!

Nen weiteren gemuetlichen Moment erleben wir mit Galina und Anatoly. Ihre Adresse erhielten wir von Freunden aus der Schweiz, die vor 10 Jahren mit der Transsib hier eintraffen. Vom Meeresbiologen und der Russischlehrerin (wie praktisch..) erfuhren wir sehr viel interessantes ueber Russland und wurden kulinarisch nach Strich und Faden verwoehnt (das russische Schlemmermahl bestand aus 5 verschiedenen Fischen).

Anatoly und Galina, vielen Dank (Anatoly spricht sogar ein wenig deutsch und wird sich wohl speziel ueber diese Textpassage freuen..). Bis bald mal in der Schweiz.

Weil unser Schiff mit Verspätung einläuft und die ganze Zollabfertigung die wohl komplizierteste auf der ganzen Welt werden will, bleibt uns viel Zeit um Vladi und seine Umgebung zu erkunden:

..Downtown Vladivostok mit ner märchenhaften orthodoxen Kirche...

..Downtown Vladivostok mit ner märchenhaften orthodoxen Kirche...

..die Strassen sind übrigens völlig überlastet mit einerseits sympatischen alten Russenkisten:

...waer ein kultiges Arountheworldmobil...leider russische Bauart..dementsprechend ist der Verbrauch bei ca 25 Litern auf 100 Km...

...waer ein kultiges Arountheworldmobil...leider russische Bauart..dementsprechend ist der Verbrauch bei ca 25 Litern auf 100 Km...

..the bigger the better...

..the bigger the better...

Sowie überpimpten Landcruisern, Hummers und allerhand japanischer Karossen. Das Auto scheint das wichtigste Erkennungsmerkmal eines Russen zu sein...um so grösser um so besser..und wohl um so attraktiver die Dame aufm Beifahrersitz...von denen gibt's übrigens erstaunlich viele hier....

..Vladivostok liegt wunderschön auf einer Landzunge und es geht rauf und runter wie in San Francisco (für alle Leser, die noch nie hier waren..smile)…

..Vladivostok liegt wunderschön auf einer Landzunge und es geht rauf und runter wie in San Francisco (für alle Leser, die noch nie hier waren..smile)…

...bietet sogar nen City-Beach...den hätten wir hier in Russland wirklich nicht erwartet..

...bietet sogar nen City-Beach...den hätten wir hier in Russland wirklich nicht erwartet..

..die Stadt ist geprägt von der Schiffahrt...im Hintergrund die zentrale Warmwasseranlage...jeder der 650'000 Haushalte wird von diesen 3 Kaminen gespiesen...“die Perfektion des Zentralstaates“...ausser wenn die Anlage aussteigt...was anscheinend gerade im Winter gerne vorkommt...

..die Stadt ist geprägt von der Schiffahrt...im Hintergrund die zentrale Warmwasseranlage...jeder der 650'000 Haushalte wird von diesen 3 Kaminen gespiesen...“die Perfektion des Zentralstaates“...ausser wenn die Anlage aussteigt...was anscheinend gerade im Winter gerne vorkommt...

Kriegsdenkmäler, Militär und Polizei sind hier allgegenwärtig. Kein Wunder: hier werden sogar die Kanalisationsdeckel von den Strassen weggeklaut um das Alteisen nach China zu verkaufen (dementsprechend sind die Strassen geziert von spannenden "black holes" oder "Radabbrechern"...wir wollen uns hier mal nicht in die Hosen oder auf den Autositz machen bei all den Storys die uns die Locals so erzählen.

Ahja Auto: wir sind ja wie ihr wisst normalerweise Autoreisende - das Wiederreichen dieses von uns doch so sehr genossenen Status scheint uns hier in Russland arge Probleme zu bereiten....:

--> die Prozesse erreichen auf der internationalen Unnötigkompliziertheitsskala locker die Bestnote 10: unser Auto wird z. Bsp nach der Zollkontrolle wieder im Container festgebunden, um dann von einem Lastwagen in ein "neutrales" Gelände gefahren zu werden, wo wir unse Juwel dann wieder entgurten dürfen

--> es kommt gerne vor, dass irgend so ein fetter Uniformstempel das Verziehren eines unserer unzähligen Papiere nach 2 stündigem Schlangestehen morgens um 10 auf den nächsten Tag verschiebt, weil er offensichtlich einfach gerade keine Lust dazu hat, seinen Stift in die Pfoten zu nehmen

--> für die Custom-Clearance bedarf es einer militärischen Materialauslegeordnung aller mitgeführter Teile. Diese werden dann einzeln fotografiert und in einem Dokument schriftlich erfasst....man spricht hier auf dem russischen Custom nicht von Werkzeugkiste, sondern von einer Aluminiumbox mit dem folgenden Inhalt: 3 Schraubenziehern, 2 Kreuzschraubenziehern, 6 Imbusschlüsseln, etc.....es versteht sich natürlich von selbst, dass dies noch nicht ausreicht. Jedes mitgeführte Teil wird anhand von Herkunftsort, Gewicht, Kaufpreis und Material akribisch erfasst.

--> auf unserem Hauptzolldokument werden sage und schreibe von 8 verschiedenen Abgeilungen ein Stempel verewigt

--> Unsere Agentin (in einen Grossteil der Zollgebäude, wo wir die Stempel holen sollten, dürfen wir als Ausländer gar nicht rein...was die ganze Sache nicht gerade vereinfacht) und Dolmetscherin entpuppt sich als völlige Niete....

--> Wir unser Auto in Thailand mit der weisen Ueberlaegung, dass es in Russland wohl ein kleineres und teuerers Angebot gibt, bis unters Dach mit Food gefüllt haben...den wir anscheinend nicht nach Russland einführen dürfen...sowas wird natürlich nirgends wirklich erklärt und man lernt dies als Autoreisender in abgelgenen Gebieten sozusagen on the job und dementsprechend too late.
Wenns im Fussball schon nicht reicht, dann wenigstens auf der globalen Kompliziertheitsskala in dem alle mitgeführten Esswaren zusätzlich verzollt werden.

Zensur. Leider gibt's von diesem lustigen 7 tägigen Zeitvertreibsspiel mit dem Namen "Weile ohne Eile" keine Bilder, wir könnten ja Spione sein und der ganzen Welt bildlich erzählen, wie man diese Auslegeordnung genau zu berwerkstelligen hat.... ja man spürt hier die kommunistische Vergangenheit Russlands irgendwie noch sehr stark.

..unser Quartierkiosk...

..unser Quartierkiosk...

...Gemueseladen vor unserer Haustuere...

...Gemueseladen vor unserer Haustuere...

Insbesondere als wir beim schlussendlichen Autoübernehmen bemerken, dass die ganze Materialauslegeordnung eine fertige Alibiübung war...es wurde zwar alles von den Zöllnern angefingert und frisch in unserem Auto verteilt (vielen Dank) - doch viele offensichtliche Gegenstände wie Kochherd, Gasflaschen, ein Grossteil des Foodes, sowie unsere Dachboxen mit der Trekkingausruestung wurden irgendwie einfach links liegen gelassen...

Mit diesem Bericht realisiert hoffentlich auch der letzte unserer werten Leser, der davon ausgegangen ist, wir würden einfach ein Jahr Urlaub machen, dass auch das Weltreisen arschige und anstrengende Momente mit sich bringt!!

Ach ja - lustig war dann auch noch die Anekdote beim finalen Auto aus dem Container zirkeln...die wirklich mega freundlichen und liebenswerten Hafenarbeiter haben uns nach Kaffe- und Kucheneinladung ein Stellmesser geschenkt....sie meinten eine Schusswaffe provoziere zu viele Probleme mit den Polizisten und ein anständiges Messer reiche eigentlich auch aus um sich zu wehren auf der Fahrt in den wilden Westen.

...so nette Hafenarbeiter hatten wir noch nie auf unserer Reise...sie helfen uns sogar mit dem Kran um unser schweres Roofrack zu installieren...

...so nette Hafenarbeiter hatten wir noch nie auf unserer Reise...sie helfen uns sogar mit dem Kran um unser schweres Roofrack zu installieren...

Wenn nach diesem Blog kein nächster erscheinen sollte, hätten sie gelogen. Nein, wir wollen hier mal nicht den "Teufel ins Internet malen"...wir wurden schon an zu vielen Locations (Türkei, Iran, Pakistan) unseres Tripps gewarnt, dass eine Weiterfahrt viel zu gefährlich seie und irgendwie ist's ja noch immer gut gegangen ... und wir haben hier schon zu viele herzliche und freundliche Erfahrungen mit den Russen machen dürfen.

...Lenin weist uns den Weg nach Westen..lecker, in Russland gibt's endlich wieder Brot dass dem Namen Brot gerecht wird..

...Lenin weist uns den Weg nach Westen..lecker, in Russland gibt's endlich wieder Brot dass dem Namen Brot gerecht wird..

From Russia with Love Berny und Lucia

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Aus Interesse für Natur, Kultur, Religion, Unplanbarem und vor allem unserer Selbst, sind wir mit unserem kleinen 4x4 Camper über den Iran, Pakistan und Indien nach Südostasien gereist. Weil wir noch nicht zurück wollen freuen wir uns jetzt riesig über den spontanen Versuch, quer durch Russland, die Mongolei und Kasachstan zurück nach Europa zu cruisen...hoppla hoffentlich hält das unser Bus aus.
Details:
Aufbruch: 15.07.2007
Dauer: 15 Monate
Heimkehr: 10.10.2008
Reiseziele: Schweiz
Kambodscha
Bulgarien
Griechenland
Türkei
Iran
Pakistan
Indien
Malaysia
Thailand
Laos
Japan
Russland / Russische Föderation
Mongolei
Kasachstan
Ukraine
Italien
Der Autor
 
Lucia Dettli / Berny Ackermann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Lucia Dettli / sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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