Rückenwind
Bolivien: Minenstadt Potosi
Der Berg, der Menschen isst. So wird Cerro Rico (Reicher Berg) in Potosi bezeichnet. Etwa acht Millionen Menschen haben seit der Kollonialzeit durch die Mine ihren Tod gefunden. Gestorben durch fehlzuendende Dynamitstangen, Einsturz, erfasst von Trolleys oder Staublunge.
Potosi war einst die reichste und groesste Stadt Suedamerikas. Angefeuert vom Silberrausch haben unter der Besatzung der Spanier zehntausende Menschen in der Mine gearbeitet. Unter den schlimmsten Bedingungen, die man sich ausmalen kann. 46.000 t Silber wurden gefoerdert, heute wird hauptsaechlich Zink gefunden. Die Silbervorraete sind erschoepft.
Die Besichtigung der Mine ist eine brutale und praegende Erfahrung. Wir kaufen fuer die Arbeiter Dynamit, 96 %igen Alkohol, Saefte und Cocablaetter. Dann gehts los in den Stollen, einer von insgesamt 400 am Berg. Wir gehen durch den Trolleytunnel, es ist dunkel, die Umgebung noch kalt und feucht. Je weiter wir in den Berg vordringen, um so heisser, duenner und staubiger wird die Luft. Mir bleibt das erste Mal der Atem stehen, gehe jedoch weiter, bis wir zu Tio kommen.
Tio ist der Gott und Inhaber des Cerro Rico. Eine Erfindung der Spanier. Nach Protesten der Kumpels ueber die Arbeitsbedingungen haben die Spanier den Teufelsgott als Todbringer vorgestellt. Wenn sie nicht weiterarbeiten und Tio huldigen. Der Glaube der Arbeiter ist heutzutage zwiegespalten. Ausserhalb der Mine glauben sie an den Himmelsgott. Doch sobald sie die Mine betreten, sind sie im Reich des Teufels, dem regelmaessig gehuldigt und mit Lamas, Alkohol, Zigaretten und Cocablaettern geopfert wird. Um ihn zu besaenftigen und das Leben der Arbeiter zu schonen.
Wir gehen von Tio in das zweite untere Level der Mine. Wir passieren ein paar Arbeiter, die mit Pickel und Schaufel Minerale foerdern. Es ist furchtbar staubig und stickig, wieder stockt mein Atem, mir wird heiss. Beim Abstieg rutsche ich noch aus und reisse mir die Hand auf. Das wars, jetzt reichts. Ich halte es nicht mehr aus und verlasse die Mine.
Derzeit arbeiten dort etwa 5000 Menschen, 800 davon sind Kinder ab 10 Jahren. Dass Kinder in der Mine nicht arbeiten duerfen, wird geflissentlich uebersehen. Meist arbeiten die Kinder mit ihrem Vater oder Onkel als kleine Familienunternehmen auf eigene Rechnung. Das heisst wer nichts foerdert, verdient auch nichts. Reich wird heute kaum noch einer. Der Verdienst liegt bei ca. 300 Euro im Monat, ein bolivianischer Busfahrer kommt auf ca. 100 Euro bei weit geringerem Risiko und hoeherer Lebenserwartung. Die Kumpels werden 35 - 50 Jahre alt, bevor die Lunge versagt. Viele sterben schon frueher, wenn sie Dynamit zuenden, sich bei den Explosionen verzaehlen und zu frueh in den Stollen zurueckgehen.
Als Kinder erhoffen sie sich ein anderes Leben. Gehen zusaetzlich zur Schule, wollen studieren, andere Berufe ergreifen. Jedem ist das Risiko um die brutale und unmenschliche Arbeit bewusst. Doch die meisten von ihnen werden die Mine nie verlassen.
Nach der Fuehrung sind unsere Gesichter gezeichnet, der Blick leer. Wir sind uns alle einig, dass wir fuer den Rest unseres Lebens keine Mine mehr betreten wollen.
Aufbruch: | 31.01.2010 |
Dauer: | 14 Monate |
Heimkehr: | 31.03.2011 |
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