Rückenwind
Ruanda: Virungas
Das Virungas-Massiv mit seinen fuenf Vulkanen ist die Heimat der bedrohten Berggorillas. Aufmerksam auf die nahen Verwandten unserer Art wurde die Oeffentlichkeit durch das Buch von Dian Fossey, Gorillas im Nebel und den noch bekannteren gleichnamigen Film. Sie hat hat sich intensiv fuer den Schutz der Tiere eingesetzt und verbrachte einen grossen Teil ihres Lebens mit Gorillas. Ich mache mich also auf die Spuren von Fossey, die wahrscheinlich von Wilderern 1985 in den Virungas erschossen wurde.
Ich lande in der Hauptstadt Kigali und betrete das erste franzoesischsprachige Land auf meiner Reise. Nach 13 Monaten mit Spanisch und Englisch kommen die ersten Worte Franzoesisch wie aus einer Kanone geschossen, deren Rohr zu einer Achterbahn verbogen wurde. Ich niste mich in dem kleinen Staedtchen Musanze ein und besorge mir eine Genehmigung fuer den Parc National des Volcans. Eigentlich kurzfristig nicht verfuegbar, habe ich mal wieder Glueck und breche zwei Tage spaeter mit sieben weiteren Gorillabesuchern in den Dschungel auf. Insgesamt koennen acht Gorilla-Familien besucht werden und ich habe nochmal Glueck, dass ich die Susa-Familie besuchen darf. Die groesste Familie mit 29 Mitgliedern lebt weit oben am Vulkan auf 3.500 m Hoehe und ist nur durch einen abenteuerlichen Fussmarsch zu erreichen. Wenn ich gedacht habe, dass ich in Lateinamerika den Dschungel gesehen habe, dann sollte ich nun eines Besseren belehrt werden.
Wir starten unsere Tour mit Fuehrer Felix und werden vor einem Bambuswald von seinen Assistenten empfangen. Einer mit Machete, der andere mit einer AK-47 bewaffnet. Die Machete macht ja noch Sinn, aber wozu eine Kalshnikov? Ach, das ist wegen der Bueffel im Wald, so die lahme Ausrede. Ich denke mal, es liegt eher an der Naehe zum Kongo.
Wir gehen durch einen dichten Bambuswald, deren Stangen im Wind klappern wie ein Glockenspiel. Es ist etwas gespenstisch und ich drehe mich immer wieder um, ob nicht doch ein zweibeiniger, kongolesischer "Bueffel" auftaucht. Der Weg schlaengelt sich den Vulkan hoch, die Landschaft geht in dichtes Gebuesch und der Weg in einen ueberwuchteren Trampelpfad ueber. Felix kontaktiert die Gorillasucher weiter oben am Berg und fragt nach dem Weg. Du musst wissen, dass Gorillas jeden Tag etwa 500 m wandern und die Sucher jeden Morgen aufs neue die Familie aufspueren. Er sagt uns noch zwei Stunden bis zum Ziel voraus. Die letzte halbe Stunde querdschungelein.
Knapp zwei Stunden spaeter stehen wir an einer nicht vorhandenen Wegkreuzung und ich ahne, was kommt. Philip an der Machete setzt zum Solo an, wuetet wie ein hoehergelegter Rasenmaeher und schlaegt uns eine Schneise ins Gebuesch. Es duftet nach frisch geschlagenem Rhabarber. Felix korrigiert mich. Das sei Sellerie, die Lieblingsnahrung der Berggorillas. So gehen wir muehsam mit kleinen, langsamen Schritten vorwaerts. Die Disteln finden immer wieder einen Weg durch meine Hose und ich brenne foermlich meiner Begegnung mit den Gorillas entgegen.
Wir treffen auf die Sucher und legen unsere Rucksaecke ab. Kein Essen und Trinken, nur die Kamera kommt mit. Noch 200 m. Mein Herz pocht bis zum Hals, aber nicht von der Steigung. Ich bin nervoes wie ein Hemd. Was mag nun gleich kommen? Du stehst gleich dem groessten Verwandten deiner Art ueber. Was sagt man da? Ein flottes Servus oder besser nichts. Genau, nichts. In unserer Gruppe wird es merklich still. Die anderen sind wohl genauso gespannt wie ich. Felix kuendigt uns durch Brummlaute bei der Familie an. Wir wollen das Alphatier, den groessten Silberruecken, ja nicht erschrecken, wenn wir gleich um den Busch biegen.
Dann sehe ich ihn, in 50 m Entfernung sitzt er auf einem Baum und frisst. Der erste Gorilla. Mein Herz hat mal kurz pausiert bei diesem Anblick, mein Mund steht auf, die Augen fallen mir fast aus der Hoehle. Jetzt sind wir da, kein zurueck mehr. Er sitzt oben im Baum und frisst munter vor sich hin. Als wir um den naechsten Busch biegen, kommts noch besser. Vier, fuenf, sechs Gorillas luemmeln im Gras und fressen Sellerie. Darunter ein furchteinfloessender Silberruecken mit Armen wie Baumstaemmen, ein Kopf wie ein Fernseher, einer Nase, die jeden Industriesauger in den Schatten stellt und winzigen Oehrchen. Ich hoffe, dass mich dieser Koloss nicht zu einem Boxkampf oder Taenzchen auffordert. Wenn der dir beim Walzer auf den Fuss tritt, brauchst du keine Nagelschere mehr. Ein ausgewachsener Silberruecken wiegt ueber 200 kg. Ein Boxkampf waere mit toedlicher Sicherheit die schlimmere Variante. Ein Gorilla haut mit der achtfachten Wucht eines Schwergewichtboxers zu.
Sie scheinen uns Schaulustige gar nicht zu beachten und fressen einfach weiter. Sie blicken uns nur ganz selten an, so als wollten sie sagen: "Die schon wieder. Die waren doch gestern erst da!"
Bei den Maennchen faerbt sich mit etwa 12 Jahren der Ruecken silbern. Daher der Name. Sie werden bis zu 35 Jahre alt, Weibchen bis zu 45. Die Maennchen haben durch Revier- und Rangeskaempfe mehr Stress auzuhalten und werden nicht ganz so alt.
Wir gehen weiter durchs Gebuesch und treffen auf das Alphatier. Ich hab gedacht, der erste Silberruecken sei gross, aber dieser laesst dich instinktiv einen gebuehrenden Abstand halten. Stell dir einfach einen urgrossen Gorilla vor und multipliziere mit zwei.
Tiefer im Gebuesch macht sich lautes Gebruell breit. Ich werde schon unruhig, aber Felix erklaert uns, dass sich zwei Gorillas nur um eine Futterstelle kloppen. Nach einigen Sekunden verstummen die beiden und die Selleriestelle geht an den Staerkeren.
Kurz darauf hoeren wir mehrere Gorillas laut jauchzen und kreischen. Das klingt auch nicht wie eine Einladung an uns, aber die Familie hat nur einen Strauch mit wohlschmeckenden Beeren entdeckt. Sie freuen sich ueber ihren Fund und schlemmen die Fruechte.
Gorillas haben einen festen Tagesablauf. Mit Sonnenaufgang bricht die Familie auf. Das Alphatier gibt den Weg vor und sucht nach einen Futterstelle fuer den Tag. Als wir ankommen, ist gerade Fressenszeit. Die Tiere schaelen die Selleriestangen mit ihren Haenden und fressen als Gourments natuerlich nur das Innere. Andere haengen in den Baeumen und rupfen das Moos von den Aesten. Es sieht alles so menschlich aus. Die Bewegungen, Verhalten und Reaktionen.
Die Familie hat derzeit drei Zoeglinge, die sich immer im Schutz ihrer Mutter oder eines Silberruecken bewegen. Sie tollen quer durch die Hecken, reissen Aeste nieder und spielen mit den Aelteren. Auch die "Erwachsenen" scheinen Spass an der Umgebung zu haben, huepfen von Ast zu Ast. Immer wieder bricht dabei ein Ast ab und faellt mit dem Gorilla krachend zu Boden. Einer faellt dabei aus zwei Metern kopfvoraus ins Gebuesch, rappelt sich auf, als waere nichts gewesen. Oder er will sich einfach keine Bloesse vor den anderen geben und ignoriert den Schmerz. Jeder normale Mensch haette sich dabei den Hals gebrochen.
Damit die Tiere nicht zu sehr von uns gestoert werden, ist die Besuchszeit auf eine Stunde begrenzt. Mir kommt es vor wie zwei Minuten. Leider muessen wir die Familie verlassen und bedanken uns im Chor fast andaechtig fuer die wunderbare Zeit. Ein grosses Highlight der letzten 13 Monate endet nach einer Stunde. Ich bin etwas traurig und verspreche mir, dass ich auf jeden Fall wiederkomme. Es gibt wenige Reiseorte, die ich ein zweites Mal besuchen moechte, aber die Virungas und ihre faszinierenden Bewohner gehoeren sicherlich dazu.
Aufbruch: | 31.01.2010 |
Dauer: | 14 Monate |
Heimkehr: | 31.03.2011 |
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