Celebifamilie auf dem Weg nach Indien

Reisezeit: September 2013 - Juni 2014  |  von Ceyno Celebi

Irrfahrt nach Zombietown

Am 30. Januar standen wir schon um 5.00 Uhr morgens auf, um mit einem Zug, der um 6.50 Uhr von Secunderabad starten sollte, in Richtung Nagpur zu fahren. Dieser Zug würde um ca. 14.00 Uhr in Nagpur ankommen und dann wollten wir mit dem Bus weiter nach Pachmarhi. Alles schien perfekt: Der Zug fuhr fast pünktlich los, wir hatten Sitzplätze, die wir sogar noch mit anderen teilen konnten, die Sonne schien, wir waren froh, dem Moloch Hyderabad entkommen zu sein. Ganz entspannt ließen wir die Landschaften an uns vorbeiziehen.
Irgendwann um die Mittagszeit fragte uns dann ein Mann aus unserem Abteil, wo wir eigentlich hinwollten und nachdem er erfahren hatte, dass unser Ziel Nagpur ist, meinte er, es hätte einen Unfall gegeben und deshalb wäre die Strecke nach Nagpur gesperrt und dieser Zug würde umgeleitet werden. Alle Reisenden nach Nagpur müssten schon in Wadha aussteigen und dann mit dem Bus weiter.
Ich schaute sofort auf der Karte nach und musste feststellen, dass Wadha für uns sehr ungünstig war - unsere Strecke mit dem Bus würde sich um einige Stunden verlängern . Was tun?
Nach einigem Hin- und Hergefrage erfuhren wir, dass unser Zug eventuell (!) auch in Itarsi hält und dieser Ort wäre laut Landkarte auf jeden Fall besser für uns, da er näher an Pachmarhi liegt - also hätten wir eine kürzere Strecke mit dem Bus zu fahren.
'So lange könnte es bis Itarsi ja nicht dauern', dachten wir.
Kurzerhand blieben wir in Wadha einfach im Zug sitzen und fuhren ohne Fahrkarte weiter. Leider waren unsere Sitzplätze damit aber auch verschwunden und wir mussten uns nun zu fünft auf zwei Sitze verteilen. Geht alles .

Irgendwer meinte, dass es bis Itarsi ca. 4 Stunden dauern würde und wir verfolgten jede Station auf unserer Karte. Als es dunkel wurde, waren wir noch lange nicht in Itarsi und wir wurden ein bisschen unruhig. Später unterhielt Hakan sich mit einem jungen Mädchen, das mit Onkel und Tante unterwegs war, und auch in Itarsi aussteigen wollte. Von ihr erfuhren wir, dass der Zug erst um 2.30 Uhr nachts eventuell vor Itarsi kurz halten würde und wir uns bereit machen müssten, schnell aus dem Zug zu springen. Okay, wir waren bereit - die Kinder schliefen zwar und wir hatten unsere schweren Rucksäcke, aber wir waren schon so lange unterwegs und hatten keine Lust, die Bahnfahrt noch weiter zu verlängern.
Hakan und ich blieben die ganze Zeit wach und ab 2.00 Uhr machten wir uns bereit zum Absprung. Tatsächlich hielt der Zug ca. 2 km vor Itarsi kurz an und wir schafften es, mit samt unserem Gepäck aus dem Zug zu klettern .
Im Dunkeln auf den Gleisen herumzuspazieren ist wirklich nicht sehr angenehm, vor allem wenn man weiß, welche Leckerlis dort so herumliegen bzw. -matschen, -kleben, -stinken. Wir sahen zu, dass wir so schnell wie möglich dort wegkamen. Eigentlich wollten wir auf dem Bahnhof von Itarsi noch ein wenig schlafen, bevor wir uns mit dem nächsten Bus nach Pachmarhi weiterbewegen würden. Als wir am Bahnhof ankamen, war aber sehr schnell klar, dass wir dort bestimmt nicht schlafen können: Jeder Flecken auf dem Boden war mit Menschen bedeckt, Ratten liefen überall herum, dunkle Gestalten schauten uns unverwandt aus müden Augen an - wir wollten sofort wieder weg. Hakan organisierte ein Taxi, dessen Fahrer uns für unglaubliche 400,- Rs nach Pachmarhi bringen wollte - 150 km !!!.

Wir ließen uns auf den Polstern nieder und waren für genau 10 min entspannt. Der Fahrer hielt nämlich an, um zu tanken und wollte 1000,- Rs fürs Benzin. Da Hakan sich mehrmals versichert hatte, dass es auch wirklich nur 400,- Rs kosten sollte, flippte er jetzt total aus und wir mussten alle wieder austeigen, um nun zu Fuß wieder zurück zum Bahnhof zu laufen - müde, mit schwerem Gepäck und in einem Ort, der eher einem Industriegebiet glich als einem Wohnort. Alles war schmutzig, verkommen, menschenleer.
Den letzten Kilometer bis zum Bahnhof fuhren wir noch mit einem Bus und dann kauften wir uns eine Fahrkarte nach Piparia, denn von dort sollte es dann Busse nach Pachmarhi geben. Als wir auf dem Bahnsteig auf den Zug warteten, der natürlich zu spät kam, beobachteten wir die Gleise und mussten feststellen, dass wir sie nicht sehen konnten, da alles voller Müll war . Auch auf dem Bahnsteig liefen überall Ratten herum und schliefen die Menschen auf dem Boden, sodass wir trotz unserer Müdigkeit nicht einmal Lust hatten uns hinzusetzen. Vielleicht lag es ja an der Tageszeit - morgens um 3.00/4.00 Uhr ist das Leben wahrscheinlich nirgendwo sehr lustig - aber ich muss sagen, dass ich noch nie eine so schmutzige Stadt gesehen habe und mir wirklich vorkam wie in einem Zombiefilm. Das übliche Lächeln vermisste ich hier und auch mir wollte es nicht mehr so recht gelingen. Ich wollte nur noch weg von diesem schrecklichen Ort.
Irgendwann kam dann endlich der Zug und wir saßen auch bald im Bus nach Pachmarhi, wo wir um 9.00 Uhr ankamen. Insgesamt waren wir 30 Stunden unterwegs und ich hatte die ganze Zeit nicht geschlafen .

In Indien gibt es in den Zügen keine Mülleimer, dementsprechend fliegt alles aus dem Fenster und landet auf den Gleisen.

In Indien gibt es in den Zügen keine Mülleimer, dementsprechend fliegt alles aus dem Fenster und landet auf den Gleisen.

Zugfahrt ohne Fahrkarte - Die jungen Leute haben uns noch ihre Plätze angeboten.

Zugfahrt ohne Fahrkarte - Die jungen Leute haben uns noch ihre Plätze angeboten.

Sonnenuntergang am Bahngleis - Der Müll ist auch hier nicht zu übersehen.

Sonnenuntergang am Bahngleis - Der Müll ist auch hier nicht zu übersehen.

Kurz vorm Einschlafen - schon 16 Stunden unterwegs

Kurz vorm Einschlafen - schon 16 Stunden unterwegs

Im Bus nach Pachmarhi war nur noch ich wach .

Im Bus nach Pachmarhi war nur noch ich wach .

© Ceyno Celebi, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach einem 3-4-wöchigen Aufenthalt in der Türkei werden wir gemeinsam mit unseren Kindern (14, 8) auf dem Landweg nach Indien reisen.
Details:
Aufbruch: 24.09.2013
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 02.06.2014
Reiseziele: Türkei
Deutschland
Iran
Pakistan
Indien
Nepal
Der Autor
 
Ceyno Celebi berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.