grubersunterwegs
Chile 2, Berge, Seen und Vulkane: Vom Traumurlaub zum Alptraum
Vom Traumurlaub zum Alptraum, San Martin de los Andes, 04.03.10
Von Villarica aus sind wir in einer langen Etappe Richtung Norden gefahren, nach Chillan. In der dortigen KTM Werkstatt bekamen wir die notwendigen Verschleißteile und erledigten den erforderlichen Ölwechsel.
Da nach ging an die Pazifikküste ein Stück nordwestlich, wir genoßen ein paar Strandtage in einer kleinen netten Anlage, die von einem Bayern und seiner argentinischen Frau geführt wurde. Sommerliches Wetter und eine etwas andere SPA - Anlage boten Entspannung pur. Und da noch ein paar nette Gäste da waren, blieben wir eine ganze Woche. Zusammen grillen, ratschen, austauschen, Kaffee trinken mit hausgemachten Kuchen,und einer mehrstündigen gemeinsamen Strandwanderung, an einer der schönsten Küstenabschnitte Chiles, so heißt es. Urlaub auf Reisen.
So erholt, verabschiedeten wir uns herzlich und fuhren auf kleinen Pisten und Straßen die Küste entlang nach Süden. Die Überlegung uns Conception an zu schauen, verschmissen wir kurzfristig, große Städte liegen uns nicht so, und bewegten uns lieber in Landesinnere zurück. In Chillan bleiben wir dann nur für eine Pause, kennen wir ja schon,so sind wir am Rand der Anden durch fruchtbares Gebiet über kleine Dörfer wieder nach Süden unterwegs.
Tagesziel Los Angeles, wir waren spät dran und die Suchen nach einem Hotel gestaltete sich schwierig, da die wenigsten einen Parkplatz haben, aber für uns ein wichtiges Kriterium ist. Endlich fündig geworden, erkundeten wir noch das Stadtzentrum. Und weil es nett war und wir guten Internetempfang hatten, blieben wir noch einen Tag um den Blog zu vervollständigen und das Stadtleben zur Abwechslung wieder mal zu genießen. So verbrachten wir den Freitag, 26.02.10, mit Schreiben, bummeln, auf der Plaza sitzen und Leute beobachen und ein wenig einkaufen. Wir haben unsere Vorräte aufgestockt, morgen geht es wieder ab in die Natur.
Samstag, 27.02.2010, mein Geburtstag und es sollte eigentlich ein schöner ruhiger Tag werden, kleine Etappe und entspannt irgendwo bleiben.
ABER er begann damit das wir morgens um 3.35 Uhr durch rütteln geweckt wurden. Schnell war klar - Erdbeben. Wir hatten schon mit einigen Leuten gesprochen, die hier leben und uns erzählt haben, das kommt immer wieder mal vor, die leichten spüren sie schon gar nicht mehr. Aber das Wackeln wurde immer heftiger und lauter, ausgerechnet diese Nacht verbrachten wir im 2. Stock, da wäre uns unser Zelt viel lieber gewesen.
Das ganze Haus schwankte ordentlich, alles auf Nachttisch und kleinem Tisch flog runter, Halterungen in der Wand lösten sich, Putz rieselte von der Decke und im Bad krachten Fliesen zu Boden.
Rupert schaute aus dem Fenster und beobachtete wie sich Schilder und Lampen bewegten. Und meinte ganz ruhig bleiben, ist gleich vorbei, aber es schien einen Ewigkeit zu dauern, wir verloren jedes Zeitgefühl. Draußen klirrten Glasscheiben, das Nachbargebäude war nicht so stabil und herabfallende Dachteile und die Spannungen sprengen die Fenster.
Als das Beben abebte, schaukelte das Haus nach, aber es hatte gehalten.
Aus dem Schlaf gerissen und viel zu überrascht, haben wir das Haus erst verlassen, als das Schlimmste schon vorbei war. An der Rezeption herrsche Aufregung, der Strom war inzwischen ausgefallen und die Stimmung schwankte von Ratlosigkeit, Panik, Hysterie bis zur sachlichen Bestandsaufnahme. Rupert schaute nach den Motorrädern, meine war umgefallen, vom Hauptständer runter vibriert, bis auf einen abgebrochenen Spiegel und einen eingedeulten Koffer keine weiteren Schäden.
Autos rasten wie verrückt durch die Straßen, Andere streifen zu Fuß umher, die Stimmung war komisch. Was konnten wir tun, nach einer Stunde legte sich die erste Aufregung und wir gingen zurück auf unsere Zimmer schliefen, zwar unruhig, aber immerhin noch ein paar Stunden bis es hell wurde. Wir spürten westlich kleineren Nachbeben, schreckten noch einigemal hoch, aber blieben ansonsten ruhig.
Unsere Sachen waren schnell gepackt, und so verließen wir rasch und mit nüchternen Magen die Stadt. Gleich in der Nacht hat es noch erste kleine Plünderungen gegeben, wir haben nicht viel gesehen, aber es reichte uns, um auf keinen Fall länger in der Stadt zu bleiben.
Wir wollten so schnell wie möglich weiter nach Süden, weg vom Epizentrum, so sind wir auf die Autobahn, die Panamerikana, genau 20 Kilometer, dann ging nichts mehr, eine Brücke war eingestürzt. Bis dahin hatten wir nur große Riße im Teer oder weggebrochene Seitenstreifen. So haben wir auf der Autobahn gewendet und sind zurück bis zu einer Abfahrtsmöglichkeit und wieder zurück nach Los Angeles. Es blieb uns nichts anderes übrig, als ein Stück Richtung Conception zu fahren, um dann über kleine Straßen wieder nach Süden zu kommen. Wir sahen immer wieder beschädigte Häuser, Brücken und oft war die Straße nur halb zu befahren, waren teilweise weggesackt oder mit großen Rißen übersät.
Die Nacht war kurz, wir noch nicht mal einen Kaffee und unser Tank war auch nur noch halb voll, so versuchten wir im ersten großen Dorf unter zu kommen, aber alles war zu, geschlossen, kein Wasser, kein Strom, teilweise zerstört.
In Angol an einer Tankstelle waren unzählige Menschen und die Polizei versuchte Ordnung zu bewahren. Wir hatten Reserve, also spritsparend über Landstraßen nach Collipulli, auch dort gab es überall Schäden und inzwischen war es früher nachmittag und die Straßen gespenstisch leer. Bei jedem kurzen Stopp merkten wir wie geschockt und gelähmt die Leute waren. Selbst die Polizei schien uns ratlos, was zu tun sei. Und als wir wieder auf der Autobahn waren, kurz vor einer wirklich großen Brücke, wurden wir gestoppt. "Wohin?" "Nach Victoria." "Ja, mit den Motorrädern kein Problem." Wir konnten weiter, trotzdem sind wir mit einem mulmigen Gefühl über die sehr hohe Brücke gefahren. Größere Fahrzeuge durften immer nur einzeln über die Brücke fahren. Die nächsten 35 Kilometern waren wir so gut wie alleine auf der Autobahn. Unter angeknacksten Fußgängerbrücken durch, mit der Hoffnung das es noch 3 Minuten hält. So kamen wir bis Victoria, unser Plan war noch 70 Kilometer zu einem Hotel und Camping unter bayerischer Leitung zu fahren, dort können wir sicher bleiben und da ein Fluß in der Nähe ist, hätten wir auch die Wasserversorgung gesichert, nur das Benzin wurde knapp. Aber wir hatten einmal mehr Glück, diese eine Tankstelle hatte Strom, somit gab es Benzin und da fast alle Tankstellen Wlan haben, nutzen wir diese Gelegenheit uns schnell über Internet zu Hause zu melden, denn wir wußten nicht, wann wir wieder die Möglichkeit haben.
Das Beben war gerade mal 12 Stunden her, aber uns schwante schon, das es schlimmer ist, und bevor sich alle zu große Sorgen machen, wollten wir Entwarnung geben, was uns betrifft. Kurze Infos aus dem Netz bestätigten unsere Befürchtungen.
Darüber erleichert, Lebenszeichen abgesendet und mit Benzin versorgt zu sein, fuhren wir bis Curacautin. In einem kleinen Laden, der seinen frischen und angetauten Lebensmittel verkaufte deckten wir uns nochmal ein und machten uns auf die letzten 10 Kilometer außerhalb. So hofften wir dort ein paar Tage abzuwarten bis sich die Lage wieder entspannt.
Im Restaurant wird mit Gas gekocht und so bekamen wir noch ein leckeres Geburtstagsmenü, Candellightdinner im wahrsten Sinne des Wortes, oder stromlos bedingt. Müde krochen wir in unser Zelt.
Die Nacht war ungewöhnlich heiß, der Sonntag ebenso und ganz untypisch absolut windstill. Uns bleibt nur abzuwarten, Strom war immer noch weg, ohne Strom funktioniert fast nichts, keine Verbindung zur Außenwelt, kein Wasser (Pumpe), kein Licht, keine Kühlung. Für uns war das Schlimmste keinerlei Informationen zu bekommen, was genau und wo genau was los ist. Da wart Ihr in Deutschland wahrscheinlich wesentlich besser informiert.
Der Ort in der Natur wirkte so friedlich, die Sonne schien und es war kaum zu glauben oder vorstellbar, was ein paar hundert Kilometer nordwestlich los ist. Wir sind von Los Angeles fast den ganzen Tag gefahren, haben uns aber nur 150 km Luftlinie davon entfernt.
Nachdem am Montag abends die Stromversorgung immer noch nicht funktionierte, die Lage sich eher zu Spitzte als beruhigte, Hauptproblem Strom, Wasser, Benzin und Lebensmittel, was alles zusammenhängt, beschlossen wir so schnell wie möglich nach Argentinien weiter zureisen. Unser Benzin reicht, und bis zum nächsten Grenzübergang war es nicht weit.
An der Grenzstation lief zum erstenmal ein Fernseher und wir konnten kurz die Nachrichten sehen, unsere schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen.
In Argentinien sind wir auf einer kleinen Piste erstmal Richtung Süden weiter gefahren und am 2.Tag dann in San Martin de los Andes angekommen. Hier haben wir wieder Kontakt zu Familie und Freunden aufgenommen und uns über die Lage in Chile informiert. Wir waren immer noch in großer Sorge um bekannte Reisende und die Besitzer von dem Hostal, die sich alle in der Gegend aufhalten.
Es dauerte 2 Tage bis wir von allen eine Entwarnung bekamen, das es ihnen den Umständen entsprechend gut geht.
Wenn wir diese letzten Tage und unsere Reiseroute durch gehen oder Bedenken was gewesen wäre wenn......, dann wird uns klar, das wir großes Glück hatten und so glimpflich davon gekommen sind.
Wir fühlen mit dem ganzen Land Chile, wir hatten dort eine gute Zeit und viel Leute kennengelernt, und hoffen das es allen gut geht.
Unterwegs auf der Landstraße, abgesackter Seitenstreifen, oft gingen die Riße quer über die Straße oder es gab richte Absätze........
.....meist waren die Gefahrenstellen noch gar nicht gekennzeichnet, und vorsichtiges Fahren war angesagt.
Das Erdbeben in Chile hatte im Epizentrum eine Stärke von 8,8, war somit eines der fünft stärksten je gemessenen Erdbeben. Zum heutigen Stand ( 04.03.10) forderte es 802 Tote, mehr als 1 Millon Häuser wurden zerstört und beeinflusst sogar die Erdachse.
Dank der relativ stabilen Bauweise in Chile ist die Zahl der Todesopfer nicht höher.
Das trifft auch auf das Hotel Dikran in Los Angeles zu, unser Hotel.
Aufbruch: | März 2009 |
Dauer: | 15 Monate |
Heimkehr: | Juni 2010 |
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