2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Zu den Berg-Oasen: nach Gafsa
T-BELT
Wir sind wieder bei den Fahrzeugen. Die Sonne scheint jetzt hell und heiß vom Himmel. Alles ist verstaut, und wir machen uns auf den Weg nach Tamerza, einer der Berg-Oasen.
Wieder geht es über flaches Land. An den Horizonten geben sich jedoch bald die Konturen gewaltiger Bergmassive im Dunst zu erkennen. Wieder der Müll an den Straßenrändern, wieder die Schafe, das Leben in den Dörfern, die Bodenwellen, der Verkehr. Doch eines ist neu hier auf dem Weg in Richtung der algerischen Grenze. Es gibt sehr viele “Tankstellen“, also Reihen von Plastikbehältern mit Benzin oder Diesel. Diese Kraftstoffe werden zu besonders günstigem Preis vom Nachbarland herbeigeschafft und hier auf offener Straße verkauft. Zunächst dachten wir an Zitronenlimonade, die leicht gelblich in den durchsichtigen Behältern zu sehen sei. Aber die Gerätschaften zum Betanken von Fahrzeugen und die Autos, die daran betankt werden, zeigen bald die wirklichen Geschäfte, die hier vor sich gehen.
Dann, auf einer Hochebene, sehe ich plötzlich ein Licht an unserem Armaturenbrett gelb aufleuchten. T-BELT steht da unmissverständlich.
„Ach du je: Unser Zahnriemen macht Probleme.“
An einem anderen Auto hatten wir schon einmal einen Motorschaden wegen eines gebrochenen Zahnriemens und halten sofort an. Im Betriebshandbuch steht: „Sofort eine Toyotawerkstatt aufsuchen“. Wir stehen vor unseren Wagen am Rand der Straße und sind ratlos. Da kommt schon eine Gestalt auf uns zu. Ein grüner VW-Bus hatte gehalten. Ein hochgewachsener junger Mann mit Pudelmütze und Dreitagebart spricht uns auf Deutsch an. Er sagt, dass er eine gute Werkstatt in Kasserine, dem Dorf, das wir vor 5 km hinter uns gelassen hätten, kenne. Er kann uns dorthin bringen, müsste aber erst noch seine Oma wegbringen, die er im Auto sitzen hat.
Als er weg ist machen wir uns unsere Gedanken. Der Zahnriemen wurde vor 5000 km gewechselt. Wir haben jetzt einen Kilometerstand von 150.011 km. Wahrscheinlich handelt es sich bei unserem Geländewagen ohne Elektronik um eine rein mechanische Auswertung des Kilometerstandes, und beim Einbau des Riemens ist der Zähler der Anzeige nicht zurückgestellt worden.
Dennoch warten wir etwa eine halbe Stunde auf unseren tunesischen Helfer, der schon fünf Jahre in Hamburg gelebt hat und jetzt in Kiel Zahnmedizin studiert. Wegen unseres Hamburger Kennzeichens hatte er angehalten und uns helfen wollen.
Die Werkstatt, zu der er uns bringt ist geschlossen. Es ist Freitagnachmittag. Es ist Ramadan. Dennoch kommt der Werkstattmeister heran und bestätigt uns unsere Vermutung, dass es nur die nicht zurückgestellt Anzeige sei. „Macht Euch keine Gedanken. In YouTube kann man lesen, wie die Anzeige manuell zurückzustellen ist.“
spontane Routenänderung
Nach dieser Unterbrechung ist es spät geworden. Wir werden es nicht mehr schaffen vor dem Dunkelwerden die Berg-Oasen bei Tamerza zu erreichen. Park4Night zeigt an, dass es in Gafsa, die Fahrt dorthin würde nur einen kleinen Umweg bedeuten, zwei Campinplätze und einen Parkplatz gibt.
Der erste Campingplatz, den wir im Dämmerlicht erreichen ist geschlossen. Ein recht unfreundlicher Mann, der stolz darauf ist nur arabisch zu sprechen und mit uns nichts zu tun haben will, gibt uns das unmissverständlich zu erkennen. Auch vor dem Tor des zweiten Platzes hängt ein dickes Schloss. Auf dem Gelände ist jedoch Licht. Ein Auto ist durch den Zaun zu erkennen. Wir rufen die Telefonnummer dieses Platzes an, die wir auf unserer Liste der tunesischen Campingplätze gefunden haben, doch es meldet sich niemand.
Gut, dann stellen wir die Fahrzeuge dicht an die Mauer neben dem Tor und installieren uns dort. Wir brutzeln uns unsere frisch erstandenen Merguez und schmausen zufrieden im Mondlicht unter Palmwedeln.
Gerade sollte es ans Wegräumen gehen als wir unseren Gaskocher, der zum Abkühlen auf dem Sand vor dem Tor steht, hell beleuchtet wird. Der Bruder des Besitzers dieses Anwesens will gerade vom Hof fahren, sieht uns, und macht sich umgehend daran, seinen Platz für uns Gestrandete kurzzeitig zu öffnen. Er lässt uns hier nicht auf der Straße stehen. Schade eigentlich.
Und so rollen wir auf den einsamsten Campingplatz, den wir je besucht haben, installieren uns im Palmenhain und stehen jetzt geschützt von zinnunbewehrten Mauern im Lehmbautenlook. Den Preis für’s Übernachten, den wir erst am nächsten Tag begleichen sollen, handeln wir vorsichtshalber heute schon aus.
Morgens in Gafsa
Endlich ist es warm geworden. Die Morgensonne lässt Palmwedel im rötlichen Licht leuchten. Es sieht aus wie im Bilderbuch, wie die beiden Geländewagen inmitten der Lehmmauern unter den Palmen stehen. Reich geschmückte Gebäude, in denen sich plüschige Sofas mit dicken Kissen und schweren Teppichen befinden, finden wir auf dem Gelände. Das Wrack eines Renaults von 1938 dort ist der Stolz des Besitzers. Doch die gesamte Anlage hat viele Reparaturen nötig bevor die Saison hier beginnt. Oder ist das alles dem Verfall freigegeben, weil hier wegen der Corona-Pandemie seit zwei Jahren kaum noch Touristen absteigen? Wir werden es nicht herausfinden, hoffen nur, dass diese schöne Anlage des “Camping El Hassen“ erhalten werden kann. Es ist so ein friedlicher Ort.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |