2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien

Reisezeit: April - Juni 2022  |  von Michael Bünte

Das Cap Bon: antiker Steinbruch

Steine, aus denen Karthago gebaut wurde

Steine, aus denen Karthago gebaut wurde

Der Weg in die Steinbrüche

Vor uns liegen die Felsen, aus denen vor etwa 3000 Jahren die Steine zum Bau der Stadt Karthago entnommen und auf Schiffe geladen wurden. Die Küste besteht aus kargem, sandfarbenem Felsgestein. Kein Geröll, keine Steinanhäufungen, nur harte, von den Winden in scharfen, ziselierten Konturen ausgeschliffene Steinformationen, als wenn Bildhauer hier über Jahrtausende ihre Lebenswerke hinterlassen hätten.
Dort am Ende des recht neu angelegtem Parkplatzes steht ein Kassenhäuschen aus den Steinen dieser Gegend mit Drehkreuz, bereit, Heerscharen von zahlenden Touristen in die Steinbrüche einzulassen.
Über dem Eingang hängt ein rotes Schild in französischer und arabischer Sprache: „Aus Sicherheitsgründen ist diese Anlage vorübergehend geschlossen worden. Der Eintritt ist verboten.“
Wir stehen da etwas ratlos, ein älterer Mann mit zerfurchtem Gesicht kommt auf uns zu: „Wollt Ihr in die Steinbrüche? Ich zeige Euch den Weg.“
Klarer Fall. Dieser Herr gibt sich als Guide (Fremdenführer) aus und will hinterher abkassieren.
„Wenn Ihr in den Steinbruch wollt, muss ich Euch führen. Ich kenne die sicheren Höhlen, in die ich Euch hineinlassen kann.“
„Und das rote Schild dort?“
„Das hängt da seit zehn Jahren, weil man kein Geld hat, die gefährlichen Stellen im Steinbruch abzusichern. Seitdem machen wir hier die Arbeit und führen die Touristen durch die Steinbrüche.“
Wir sehen uns an und lassen uns für dieses Mal darauf ein. Schließlich sind wir gerade 100 km hierher gefahren, um die Steinbrüche zu sehen. Und jetzt wollen wir es daran scheitern lassen, weil wir unseren Prinzipien auf Biegen und Brechen gerecht werden wollen? Quatsch, gehen wir also mit.
„Was wollen Sie denn für die Führung haben?“
„Gar nichts, Ihr braucht mir nichts zu geben, wenn Ihr nicht wollt.“
„Na, er wird schon etwas haben wollen,“ denke ich bei mir, „und wir werden uns nicht mit einem schlechten Gewissen verabschieden wollen.“

die Höhlen sind vorübergehend geschlossen

die Höhlen sind vorübergehend geschlossen

harte, von den Winden in scharfen, ziselierten Konturen ausgeschliffene Steinformationen

harte, von den Winden in scharfen, ziselierten Konturen ausgeschliffene Steinformationen

Die Führung durch die Höhlen

Ohne feste Preisabsprache folgen wir also unserem Guide einen schmalen Pfad am Kassenhäuschen vorbei, über ein Felsplateau zu einem Maschendrahtverhau vor einer hohen Höhle. An der Seite ist ein schmaler Eingang zum Durchschlüpfen in den Draht geschnitten worden und unversehens stehen wir in den punischen Steinbrüchen.
Unser Guide ist gut informiert und erzählt gut in deutscher Sprache. Es geht in die Tiefe durch in Stein gehauenen Hallen, die an ihrer Decke in etwa acht Metern Höhe jeweils eine rechteckige, mit Baudrahtgittern belegte Öffnung ins Freie haben.
Am am laufenden Band werden wir vollgetextet:
„Die Steinblöcke wurden unter Tage gehauen und über die Öffnungen nach oben befördert.“
„Hier haben die Sklaven so lange gearbeitet, bis sie tot umgefallen sind. Dann wurden sie einfach ersetzt.“
„Seht mal dort oben an der Kante über der Höhle, die weiß blühende Pflanze, das sind Kapern.“
„Hier in der nächsten Höhle kommen wir zu einem Stein, der aussieht, wie ein Kamel.“

Es scheint uns so, als würde unser Guide uns durch die Anlage drängen, als hätten wir nicht Zeit genug, um alles in Ruhe zu erkunden und die Steine auf uns wirken zu lassen.

der Eingang in die Höhlen der Steinbrüche

der Eingang in die Höhlen der Steinbrüche

in den Höhlen der punischen Steinbrüche

in den Höhlen der punischen Steinbrüche

„Habt Ihr noch ein Geschenk für mich?“

Schließlich stehen wir wieder unter dem leuchtend blauen Himmel im Sonnenlicht, bekommen noch einen Fels in Form eines Löwenkopfes am Meer gezeigt und dann einen fragenden Blick.
„Habt Ihr noch ein Geschenk für mich und meine Familie?“
„Aha, jetzt will er Geld sehen“, haben wir verstanden.
Wir geben ihm zehn Dinare, was aber offensichtlich noch nicht reicht, denn er meint, dass der offizielle Eintritt ja auch 8 Dinare pro Person gekostet hätte. Nachdem wir uns bei 15 Dinaren geeinigt haben, ist unser Guide zufrieden und kurz danach wie vom Erdboden verschwunden.

ein mächtiger Steinlöwe bewacht die punischen Steinbrüche

ein mächtiger Steinlöwe bewacht die punischen Steinbrüche

Jetzt sind wir unter uns

Jetzt sind wir unter uns. Wir gehen den ganzen Weg durch die Höhlen zurück, um jetzt noch einmal in Ruhe und in unserer Geschwindigkeit die punischen Steinbrüche auf uns wirken zu lassen. Dieses Mal lassen wir uns Zeit, um in der Stille der Steine dieses Anlage auf uns wirken zu lassen.
Und so kommen wir auch noch einmal zu dem übergroßen Dromedar aus Stein, das im Gegensonnenlicht aus der Höhle ins Licht blickt.

ein steinerndes Dromedar guckt ins Tageslicht

ein steinerndes Dromedar guckt ins Tageslicht

Kapern hängen wie Schleier über den Höhlen

Kapern hängen wie Schleier über den Höhlen

Kapernblüten

Kapernblüten

friedliche Begleiter

friedliche Begleiter

Als wir das zweite Mal den Rundweg beenden, sehen wir schon einen anderen Guide mit seinen Kunden durch das Loch im Maschendrahtzaun schlüpfen. Offensichtlich gibt es hier eine ganze Gruppe von Führern, die nach offizieller Schließung der Anlage das Geschäft mit den ankommenden Gästen übernommen haben und es unter sich aufteilen. Hier bekommt jeder genau mit, ob man auch ordentlich seinen “Eintritt“ bezahlt hat.
Um sechs Uhr beobachten wir, wie die ganze Bande der Führer dann, eingezwängt in einem kleinen Geländewagen, zu ihren Familien zurückfährt, wahrscheinlich um ihre “Geschenke“ des Tages zu Hause abzuliefern.

© Michael Bünte, 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Neapel nach Tunesien. Dieses ist der Bericht unserer zehnwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 06.04.2022
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 17.06.2022
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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