2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Zu den Berg-Oasen: nach Kairouan
Fehlstart
Heute morgen stellt Gerhard fest, dass sein Kühlschrank nicht mehr läuft. Seine Versorgerbatterie zeigt nur noch 8 Volt an, und es ist zu befürchten, dass zwei Zellen der Batterie defekt sind. So sind wir gut beschäftigt, nach dem Fehler zu suchen und unser Auto, da wir ja denselben Autotyp haben, besser kennenzulernen.
Zum Glück für uns sind mittlerweile auch einige andere Durchreisende hier angekommen, die uns mit einem Voltmessgerät und mit guten Ratschlägen aushelfen können. Wir messen die Batterie und die Durchgängigkeit der Kabel.
Der Fehler liegt schließlich bei einer durchgebrannten Hauptsicherung im Versorgungskreis. Wir sind schon bereit, uns zur nächsten Werkstatt auf den Weg zu machen, da kommt Gerhard in Kontakt mit drei Jungs in einem Jeep Cherokee, die einen gut bestückten Ersatzteilkasten im Gepäck haben. In dem finden sich passende Ersatzsicherungen verschiedener Ampèrestärken. Großzügig wird uns ausgeholfen und über die Fahrzeuge gefachsimpelt. So eine Off-Road Community hat schon etwas für sich.
der Weg nach Kairouan
Gegen 2 Uhr mittags starten wir die Motoren, um uns auf den Weg nach Kairouan, einer Stadt etwa 100 km in Richtung Südwesten, zu machen.
Aus unserem Reiseführer lernen wir, dass Kairouan nach Mekka, Medina und Jerusalem die viertheiligste Stadt für die Moslems ist. Da stellen sich schon Erwartungen ein.
Nachdem wir uns durch die Vororte von Nabeul gequält, unzählige Kreisverkehre und Fahrbahnschikanen passiert haben und hunderten Fußgängern, Motorrollern und auch Eselwagen ausgewichen sind, erreichen wir eine der gebührenpflichtigen Autobahnen von Tunesien. Bei einem freundlichen jungen Mann geben wir den geforderten Obolus von einem Dinar, also 33 Eurocent, ab und rollen auf glattem Asphalt, vorbei an den Ärmsten der Gesellschaft, die am Seitenstreifen versuchen noch ihre Waren an den Mann oder die Frau zu bringen, zügig durch eine riesige komplett ebene tunesische Landschaft. Rötliche Erde, große bebaute Ackerflächen, Plantagen mit schnurgeraden Baumreihen, deren Früchte sich uns nicht erschließen, Ödland und hin und wieder eine kleine Schafherde, die von einem Schäfer behütet durch karges Land zieht.
Viel Unrat hat sich in den Bäumen und in den übermannshohen Hecken aus Ohrenkakteen (Opuntien) verfangen. Die Landschaft entlang der Autobahn ist “dekoriert“ mit weißen, blauen oder schwarzen Plastiktüten, die niemand jemals wieder aus dem Gestrüpp entfernen wird.
„Oh Mensch, warum bist Du so sorglos mit Deiner Umwelt ?“
erster Eindruck in Kairouan
Die Autobahn ist zu Ende und wir nähern uns Kairouan auf der Landstraße.
Die Nähe der Stadt erkennen wir an der zunehmenden Anzahl der Verschläge von Händlern am Straßenrand. Dann sehen wir die ersten Gebäude am Straßenrand. Dort vor einem der einfachen Häuser steht ein junges Kamel. Eigentlich ist es ein Dromedar, da es nur einen Höcker hat, aber hier ist alles ein Kamel. Das Tier steht vor einer Metzgerei, vor dem große Fleischstücke an Gestellen aufgehängt sind. Später wird uns klar, dass es sich um eine Metzgerei mit Kamelfleisch handeln musste und dass das junge Tier davor wahrscheinlich der nächste Kandidat war, geschlachtet zu werden.
Vor einem anderen Stand wird einem kopfüber hängendem, allerdings totem Schaf das Fell über den rosa Leib gezogen, während seine Herde darunter steht und zusehen muss, wie ihr Angehöriger getötet und enthäutet wird. Keiner weiß, wie sehr die Tiere Zusammenhänge empfinden. Wir hoffen, dass sie nicht mitbekommen, dass sie die nächsten sein werden, die dort enthäutet werden.
Wir erreichen unseren geplanten Übernachtungsort und fahren auf den Parkplatz der Jugendherberge, die auch dem großen angegliederten Stadion Wasch- und Umkleidemöglichkeiten bietet. Wir melden uns an, errichten die Übernachtungsgebühr von sieben Dinar pro Person und können hier unsere Fahrzeuge bedenkenlos unter Palmen hinter einen weiß getünchten Mauer stehen lassen. Es gibt ein WC mit Waschbecken, das wir benutzen dürfen. Das Wasser aus dem Hahn riecht nicht nach Chlor und schmeckt nicht brackig, ist also zumindest zum Kochen gut zu verwenden.
Hier, gut behütet installiert, geht es auf Schusters Rappen in die große, heilige Stadt Kairouan. Die Altstadt ist komplett eingefasst von einer gewaltigen, zinnenbestückten Stadtmauer. Nur durch die Tore kommt man hinein. In den Maueren erwartet uns nicht das übliche Treiben einer nordafrikanischen Stadt. Wie schon gesagt: es ist Ramadan. Keines des vielen Cafés und Restaurants ist geöffnet. Nur an wenigen Ständen werden die hier bekannten süßen Gebäcke angeboten. Und jetzt gegen 5 Uhr abends haben die meisten Händler in der Hauptstraße und in den Souks ihre Waren schon wieder eingepackt. Nur hunderte von herabhängenden Strippen zeugen davon, dass üblicherweise alles voller Waren hängt.
Wir beschließen, zu den Fahrzeugen zurückzukehren und uns morgen früh noch einmal auf den Weg in die Stadt zu machen. Leider lag unser erster Eindruck dieser Stadt weit hinter unseren Erwartungen zurück.
Mit einem kleinen Kochgelage bei unseren Fahrzeugen unter Palmen, geschützt vor dem über uns hinwegpfeifenden Sturm durch die weiße Mauer, umgeben von farbenprächtigen Bougainvilleas, beenden wir den Tag bei Spaghetti und Merguez, den kleinen, scharfen Lammfleischwürstchen. Es fängt an, leicht aus dem Himmel zu spritzen. Sollte es etwa regnen? Na, die Erde hier kann es gebrauchen.
in Kairouan
Es ist richtig kalt heute morgen. Das Thermometer zeigt gerade mal 14 Grad, der Sturm pfeift durch die Palmen und rüttelt an unseren Zeltdächern, und der Himmel ist so diesig, als transportiere er gerade große Mengen von Saharasand in Richtung Europa. Wir frühstücken in Daunenjacken im Schutz der weißen Mauer und machen uns bald ein weiteres Mal auf den Weg in die heilige Stadt Kairouan.
Oh, wieviel Leben ist da jetzt zu sehen. All die gestern noch verschlossenen Ladenverschläge sind geöffnet, bis auf die der Cafés und Restaurants natürlich. Aber immerhin gibt es jetzt Obst- und Gemüsewägelchen, bei denen frische Waren angeboten werden.
Die gestern noch trostlos von den Gestellen hängenden Bänder sind voll mit Kleidern, Tüchern, Hüten und Spielzeug. Es herrscht das emsige Treiben einer südländischen Gesellschaft.
An manchen Hausecken riecht es streng nach Abfällen und . . . das willst Du gar nicht wissen wonach, dann duftet es gut nach Parfum, Gewürzen und nach frisch gebackenem Brot, das in glühend heißen Fässern fertig gegart und direkt an die Käufer gebracht wird. Wegen des Ramadan wird es nicht hier gegessen, aber es wird immerhin verkauft.
Wir versorgen uns mit frischen, vollkörnigen, fladenartigen Broten, in die wir, wir können uns nicht beherrschen, doch schon einmal versteckt hineinbeißen müssen.
Dann wandern wir durch enge, weiß oder in ein helles Blau getünchte Gassen von Kairouan, in denen wir von Kinderaugen beguckt werden, und immer wieder wird uns ein scheues „bonjour“ hinterhergerufen.
Ja, wir fallen hier schon auf und werden gemustert. Doch die Menschen sind freundlich uns gegenüber. Einige Male sollen wir uns unbedingt, nur für fünf Minuten, in einem Geschäft umsehen. Nein danke. Wir wissen, dass das nur zu Frust führt. Auf der einen Seite, weil wir keinen Teppich gekauft haben, auf der anderen Seite, weil wir dem Händler erklären müssen, dass wir sowieso keinen Teppich kaufen wollen. Also gehen wir nicht mit - noch nicht, hier am ersten Tag in dieser Stadt. Vielleicht begeben wir uns später mal in so ein Abenteuer, wenn wir Land und Leute besser kennengelernt haben.
Wir sind wieder bei den Fahrzeugen, essen eine Kleinigkeit und starten die Motoren, um weiter in Richtung Tozeur zu fahren. Auf dem Weg dorthin wollen wir noch einen Abstecher nach Sbeïtla machen. Dort kann man Reste einer römischen Stadt besichtigen. Und danach steht Tamerza, eine der Berg-Oasen auf unserem Programm.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |