2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Anreise: Die Fährüberfahrt
Tag 6
Heute werden wir ein erneutes Mal von dem schrillen Bellen italienischer Kleinsthunde und vorbeisausenden Autos geweckt, die in früher Stunde die Gunst des Alleinseins auf der Bergstraße nutzen, um mit hoher Geschwindigkeit ins Tal zu rauschen. Das gute Essen gestern Abend hat uns gut getan und uns einen tiefen, erholsamen Schlaf bereitet.
Es gibt ein Stehfrühstück auf Gerhards heruntergeklapptem Sandblech, bevor wir durch die engen Bergstraßen wieder zum Meer hinunter fahren. Drei Stunden vor der Abfahrt des Schiffes sollen wir schon am Hafen sein.
Wir sind pünktlich und reihen uns in die Spur der Geländewagen ein, die vollbepackt heute auf die M/V Cruise Smeralda einschiffen wollen. Hier sind wir plötzlich in der Szene einer Offroad Community. Wir werden auf einen Parkplatz eingewiesen und erwarten das, was da kommen möge.
Als erstes bekommen wir beim Einchecken die Auskunft, dass wir für die Einreise nach Tunesien unsere Rückfahrtkarte und eine komplette Buchung unserer Hotelübernachtungen für unsere gesamte Reise vorweisen müssen.
Schließlich akzeptiert die Dame hinter dem Schalter die E-mail unseres für drei Nächte reservierten Campingplatzes in Nabeul mit dem Hinweis: sie könne nicht garantieren, dass wir ohne die Hotelbuchungen im Hafen von Tunis nicht umgehend wieder zurückgeschickt werden. Während der Wartezeit bekommen wir mit, dass viele der Reisenden überhaupt keine Hotelbuchungen vorweisen können. Man hilft sich mit dem Trick, über booking.com ein Hotel für die gesamte Reisezeit zu buchen, die Buchungsbestätigung per Screenshot zu speichern, und dann umgehend die Buchung kostenlos zu stornieren. Den gespeicherten ScreenShot kann man dann später immer wieder vorzeigen.
Wir begnügen uns mit unserer E-mail vom Campingplatz in Nabeul. „Werden sehen, was da kommt.“
Die ersten Gespräche mit anderen Fahrern beginnen. Wir treffen viele Tunesier, die auf Heimaturlaub sind und die uns einige Tipps für unsere Reise geben können.
Die Abfahrtszeit 13:15 Uhr verstreicht, ohne dass sich etwas bewegt. Jetzt, nach der Hetzjagd auf den Autobahnen haben wir Zeit. Irgendwann wird es schon losgehen. Die Sonne fängt an zu brennen und gibt einen Vorgeschmack davon, was uns in den nächsten Wochen erwarten kann. Die Wartezeit vergeht wie im Fluge.
Und dann tatsächlich, um 14:30 Uhr, sind auch wir an der Reihe, die Heckrampe des Schiffes erklimmen zu dürfen. Die Einweisungen verlaufen geordnet und friedlich. „Wir sind drauf.“ „Soweit sind wir gekommen.“
Um 15:15 Uhr legt das Schiff dann tatsächlich ab, nachdem noch Reparaturen durchgeführt werden mussten. Langsam setzt sich das Schiff in Bewegung. Die Konturen der Berge und die Ortschaften an der Amalfiküste ziehen an uns vorbei. Die Insel Ischia löst sich aus den Konturen heraus und ist schließlich als eigenständiges Eiland zu erkennen. Der spitze Kegel des Vesuvs sticht in den hellblauen Mittagshimmel. Eine bizarre Küstenformation breitet sich vor uns aus, die immer mehr im Dunst ihre Details verliert.
Tag 7
Die Nacht verläuft ruhig. Da ist nicht zu viel Seegang zu spüren, der unsere Sinne durcheinander bringt. Die Klimaanlage ist nicht zu niedrig eingestellt.
Nur der Zwischenstopp in Palermo reißt uns aus dem Schlaf, weil laute Be- und Entladungsgeräusche durch die Kabinenwände dringen.
Glücklicherweise hat die Kabine doch eine separate Duschkabine (entgegen der Angabe im Internet). Der Raum ist relativ sauber, wenn man von den klebrigen Resten der Reinigungsmittel auf den glatten Oberflächen absieht.
Aber es ist viel kaputt. Der Schalter des einen Nachtlichts ist nur noch ein Loch, in dem die Elektrik zu erkennen ist. Der Duschkopf spritzt aus vielen Löchern in alle Richtungen. Die Handtuchhaken sind nicht mehr vollständig und die Lautsprecheranlage ist nur noch ein Schein ihrer selbst und nicht mehr funktionsfähig. Wir können also nicht erwarten, dass uns in dieser Kabine ein Notruf der Schiffsbesatzung erreichen würde.
Um 9 Uhr haben wir uns mit Gerhard zum Frühstück verabredet. Mittlerweile hat sich ein starker Wind entwickelt, so dass wir uns nicht mehr gerade auf den Beinen halten können. Schwankend wandeln wir im Seemannsgang durch die Korridore.
Wir treffen uns mit Gerhard auf dem Oberdeck in einer Sitzecke vor dem Fenster, damit Gabi, die relativ schnell Gleichgewichtsprobleme bekommt, den Horizont im Blick haben kann. Außerdem helfen ihr ihre beiden Akkupressurarmbänder an den Handgelenken gegen die aufsteigende Übelkeit.
Unser vorgebuchtes Frühstück besteht aus einer winzigen Espressopfütze, die wir mit einem Becher heißen Wassers zu einem Kaffee upgraden. Dazu gibt es ein wirklich leckeres, frisch aufgebackenes Croissant. Und das war’s. Ach ja, eine kleine Flasche stilles Wasser gibt es auch für jeden dazu.
Wir sitzen zu dritt in Kunstlederersesseln, sehen die schaumbekrönten Wogen draußen vorbeigleiten, schmausen und machen Pläne für die kommenden Tage.
Dann kommen die ersten kleineren Inseln in Sicht, die das sich nähernde Festland ankündigen. Der Wind draußen ist so stark, dass die Wellen auf dem 7. Deck von Zeit zu Zeit voll gegen die Fensterscheibe schlagen. Das ist wirklich krass, denn wir befinden uns etwa 25 m über dem Meer.
In der Bucht, in der Tunis liegt, lassen Wind und Wellen etwas nach. Nach Räumung der Kabine stehen wir mit unseren Siebensachen an der Reling ein Deck höher und sehen das weiße Häusermeer von Tunis an uns vorbei streifen.
Die Luft ist dunstig und feucht, das Wasser ist von einem unnatürlich hellen Türkis, gespickt mit schneeweißen Schaumkronen, einige fremdartige Fischerboote dümpeln auf den Wogen, und das Licht, dieses hellgleißende Licht der afrikanischen Nordküste, das die Farben blaß werden lässt, brennt uns in den Augen.
Und dann prescht mit voller Fahrt, der Bug taucht mehrfach tief in die Wellen, das Lotsenschiff heran. Vor der Hafeneinfahrt lauern schon zwei Schlepper wie Haie auf den richtigen Augenblick, zupacken zu können.
Bisher sieht alles so aus wie im Hamburger Hafen, wenn ein Schiff “auf den Haken genommen wird“. Das Anlegemanöver der dann folgenden Stunde war dann mehr Handarbeit mit vielen Versuchen, die große Grimaldifähre an die Kante zu bekommen. Hier oben gibt es nichts mehr zu sehen. So bewegen wir uns auf Deck 4 zu unseren Fahrzeugen herunter.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |