2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien

Reisezeit: April - Juni 2022  |  von Michael Bünte

Sahara: in die Sahara

neue Reisegefährten

Es ist ganz still heute Morgen, als ich um halb 6, nachdem der Muezzin meinen Schlaf mit seinen Gesängen beendete, zur Dusche gehe. Die gesamte italienische Gesellschaft liegt in ihren Dachzelten. Tische und Stühle von den abendlichen Gelagen stehen noch herum. Nichts regt sich. Die Luft ist warm, der sandige Wind hat nachgelassen. Ein blauer Himmel spannt sich über den von der Morgensonne beschienenen Palmen.

Nach und nach kriechen Gestalten mit kleinen Augen aus den Zelten, um sich auf den Weg zum Waschhaus machen, oder einfach nur müde vor ihren Kaffeetassen zu sitzen. Wir werden von Robert, dem Fahrer eines roten Iveco aus Dresden angesprochen, ob wir mit ihm und seiner Familie zum Tembain fahren würden. Der Tembain ist ein Tafelberg in einer atemberaubenden Landschaft des Nationalparks “J’bil“. Robert hat Wüstenerfahrung. Er ist mit seiner Frau Sabine und den beiden halbwüchsigen Kindern Siri und Hannes in ihrem sehr geländegängigen Fahrzeug hier unterwegs.

Unsere kleine Gruppe hält Kriegsrat. Wir beschließen mitzumachen. Denn der Nationalpark ist auch für uns ein attraktives Ziel und es ist immer sicherer, mit mehreren Fahrzeugen und mit erfahrenen Fahrern in die Wüste zu fahren. Nach einem schnellen Frühstück geht es also in einem Trupp von drei Fahrzeugen in die Stadt um die Dieseltanks zu füllen und um Trinkwasser und frisches Brot einzukaufen. Es dauert allerdings noch eine halbe Stunde, bis die Bäckerei im Ort ihre Gitter öffnet und wir die 6 Brote für je 300 Dinare, also 9 Eurocent pro Stück, in den Arm gedrückt bekommen.

frisches Brot aus der Backstube . . . in Plastiktüten

frisches Brot aus der Backstube . . . in Plastiktüten

ab in die Wüste

Dann fahren wir los. Es geht zum Tafelberg “Tembain“. Auf einer Asphaltstraße gelangen wir nach ein paar Stunden zum Café “Porte du Désert“. Der Espresso dort ist hervorragend und es gibt, oh Wunder, eine exklusiv eingerichtete saubere Toilette in einem etwas heruntergekommen zu sein scheinenden Nebengebäude, um das der Sand fegt. Von hier aus ist die Straße eine befestigte Sandpiste, die bis zum Eingang des Nationalparks führt. Dieser Teil des Parks ist von einem sich in der Ferne verlierenden Zaun umfriedet, in dem eine Antilopenart ihre Heimat hat, beziehungsweise haben soll, denn der Zaun ist über lange Strecken gar nicht mehr vorhanden. Nur noch Betonpfähle zeugen von der vor einigen Jahren errichteten Einfriedung. Dennoch dürfen wir nicht durch dieses Gebiet des Nationalparks hindurchfahren und müssen einen Umweg von mehr als 30 Kilometern auf der Schotterpiste in Kauf nehmen. Immer wieder wird unser Weg durch Sandwehen unterbrochen, über die sich unsere Fahrzeuge arbeiten.

auf einer Asphaltstraße in die Wüste

auf einer Asphaltstraße in die Wüste

Das Café "Porte du Désert"

Das Café "Porte du Désert"

beim hervorragenden Espresso mit Blick auf den Parkplatz

beim hervorragenden Espresso mit Blick auf den Parkplatz

die Waschgelegenheiten in der exklusiv eingerichtete saubere Toilette des Cafés

die Waschgelegenheiten in der exklusiv eingerichtete saubere Toilette des Cafés

der Eingang des Nationalparks “J’bil“

der Eingang des Nationalparks “J’bil“

Rettungsaktion

In einiger Entfernung können wir, abseits des Weges, ein größeres Wohnmobil erkennen, um das herum sich Personen bewegen.
„Hat der sich festgefahren?“
Wir nehmen das Fernglas zur Hand.
„Das ist doch der Schweizer im blauen T-Shirt, den ich gestern beim Abwaschen des Geschirrs auf dem Camp getroffen habe.“
„Sollen wir hin und nachsehen, was los ist?“
Wir drehen um und fahren auf einer schmalen Sandpiste etwas 3 Kilometer in die Richtung, in der wir den zum Wohnmobil umgebauten LKW haben stehen sehen.
Dort angekommen sehen wir das Dilemma. Der Wagen sitzt bis zum Bauch in einer Sandwehe fest.
„Wie konnte denn das passieren? Man hätte doch auch an dem Sandhaufen vorbeifahren können.“
„Wir sind das erste Mal in der Wüste. Mein Mann wollte einmal über eine Düne fahren“, war die Antwort der Schweizerin, die etwas “durch den Wind“ war.
Also gut, jetzt ist Buddeln angesagt, zumindest bis die Räder wieder freigelegt sind. Dann werden Abschleppseile und Schäkel aus den Werkzeugkästen hervorgeholt und mit einem kräftigen Zug kommt der LKW wieder auf festen Boden. Wir begleiten das schweizer Paar noch bis zur befestigten Schotterpiste, bevor wir unseren Weg zum Tembain fortsetzen.

"Mein Mann wollte einmal über eine Düne fahren"

"Mein Mann wollte einmal über eine Düne fahren"

eingebuddelt

eingebuddelt

Tafelberge

Jetzt fahren wir ohne jegliche Piste, über eine Ebene aus kleinen Steinen, immer am Zaun entlang. Dann verlassen wir das Gebiet des Nationalparks. Es geht, nur von Wegpunkten des Navigationsgerätes geleitet, über ebene Schotterfelder und zwischen mit Tamarisken bewachsenen Sanddünen hindurch in die Wüste. Nach etwa zwei Stunden sind im Dunst des Horizontes mehrere Tafelberge zu erkennen. Der größte unter ihnen ist der Tembain, unser Ziel, das wir eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichen.

Noch lange sitzen wir am Lagerfeuer, für das die beiden Kinder Hannes und Siri trockenes Holz zusammengesucht haben. Bis auf die Geräusche des kalten Windes, der hier über den Pass weht, herrscht absolute Stille. Über uns ein funkelnder, mondloser Sternenhimmel in dem hin und wieder Sternschnuppen Wünsche wahr werden lassen.

zwischen mit Tamarisken bewachsenen Sanddünen hindurch

zwischen mit Tamarisken bewachsenen Sanddünen hindurch

Kamele schauen neugierig durch’s Seitenfenster

Kamele schauen neugierig durch’s Seitenfenster

im Dunst des Horizontes sind mehrere Tafelberge zu erkennen

im Dunst des Horizontes sind mehrere Tafelberge zu erkennen

noch lange sitzen wir am Lagerfeuer unter den Sternen

noch lange sitzen wir am Lagerfeuer unter den Sternen

Weiter in Richtung Süden

Wie geht es heute weiter? Zurück nach Douz oder soll unser neues Ziel der so genannte “Verlorenen See“ sein, eine artesischen Quelle, aus der seit einer Probebohrung vor Jahrzehnten permanent fossiles warmes Wasser aus dem Sandboden sprudelt, das in einem Bassin aufgefangen wird, in dem man auch baden kann. Wir beschließen erstens, dass wir zum See fahren wollen, schließlich sind wir ja hier, um Entdeckungen zu machen, zweitens, dass wir nicht die einfache Route nehmen wollen, die in einem großen Bogen um die Sanddünen herumführt. Wir wollen versuchen, die Dünengürtel zu überqueren. Die richtigen Fahrzeuge dafür haben wir ja mitgebracht.

unser Übernachtungsplatz unterm Tembain

unser Übernachtungsplatz unterm Tembain

wie kann dieser schwarze Käfer hier im Sand überleben?

wie kann dieser schwarze Käfer hier im Sand überleben?

Bevor wir losfahren wird erst einmal Luft aus den Reifen abgelassen, so dass nur noch 2 bar des Luftdrucks von den vorher 3,6 bar verbleiben. Das müssen wir machen, um die Reifen vor den großen, scharfen Steinen der Schotterfelder zu schützen und um im Sand der Dünen eine größere Kontaktfläche der Reifen zu haben.
Unsere Reifen bekommen dicke Wülste. Es sieht gar nicht mehr gesund aus, doch ist der Griff merklich besser als vorher. Auch wickelt sich nun das Reifengummi wie ein labberiges Tuch um spitze Steine herum anstatt von ihnen aufgespießt zu werden. Nur darf man mit diesem geringen Luftdruck nicht auf langen Strecken schnell fahren. Und das werden wir hier ja bestimmt nicht machen. Auch müssen wir jetzt darauf achten, nicht zu ruckartig zu lenken, damit sich kein Sand zwischen Reifen und Felge setzt, und dieser dadurch undicht wird.

das Gummi der Reifen legt sich wie ein labberiges Tuch um die spitzen Steine herum

das Gummi der Reifen legt sich wie ein labberiges Tuch um die spitzen Steine herum

über die Dünengürtel

Die Motoren werden gestartet. Es geht eine Zeit lang durch eine endlose Ebene aus kleinen Sandhügeln hindurch, zwischen denen wir uns eine kurvenreiche Bahn suchen. Dann erreichen wir eine Sandpiste und schließlich kommen wir zum “Camp Mars“, einem großen Zeltlager, in dem abenteuerlustige Touristen, die von den umliegenden Städten mit Geländewagen hierher gebracht werden, Wüstenübernachtungen buchen können. Und nun kommen wir in den ersten Dünengürtel.

am "Camp Mars" vorbei

am "Camp Mars" vorbei

über die Sanddünen

über die Sanddünen

Steil geht eine Fahrzeugspur die Sandberge empor. Es ist kaum zu glauben, wie sich der Iveco von Robert mit aufheulendem Motor stark schwankend heraufarbeitet. Gerhard ist als nächster dran und dann fährt auch unser Toyota das erste Mal mit uns in die hohen Dünen.
Wir fahren mit eingeschaltetem Allrad und Untersetzungsgetriebe hinterher.
Mit laut aufheulendem Motor bewegt sich die lange Motorhaube des Fahrzeugs gegen den Sandberg, unvermittelt hebt sie sich wie bei einem Schiff in großen Wellen nach oben, und dann fahren wir ohne Durchdrehen der Räder, mit langsamer Bewegung, immer der vorgelegten Spur folgend, die Düne herauf. Wir erreichen eine Kuppe des Sandbergs. Der Wagen kippt nach vorne über, sinkt in die nächste Kuhle und weiter geht die Kletterei Welle für Welle, höher und höher hinauf, bis wir bei den beiden anderen Fahrzeugen angekommen sind, die auf einer festen Schotterebene auf uns warten. Vier Daumen gehen nach oben. Wir haben uns als Anfänger nicht zu dumm angestellt.

steil arbeitet sich unser Fahrzeug die Sandberge empor

steil arbeitet sich unser Fahrzeug die Sandberge empor

. . . und kippt nach vorne über

. . . und kippt nach vorne über

Dort oben geht es weiter über Stock und Stein, beziehungsweise über Schotter und Sand, immer weiter in die Dünen hinein. Vor uns der Iveco, der gerade noch auf einem Sandkamm entlangfuhr, hat plötzlich ein Problem. Er ist in weichem Sand links abgeglitten und hat sich mit durchdrehenden Rädern festgefahren. Robert deutet mir an, dass ich vorbeifahren solle. Mit Schwung rausche ich in die Senke neben dem Iveco, auf der anderen Seite mit aufheulendem Motor wieder hinaus und setze unseren Geländewagen vor das schwere Fahrzeug. Ein Abschleppseil wird angebracht. Mit kurzem, unterstützenden Zug ist der Iveco nach etwa vier Metern wieder frei.
Auch bei dieser Aktion haben wir uns nicht zu dumm angestellt.

Der erste Dünengürtel ist geschafft. Jetzt geht es weiter, über mit kleinen Buckeldünen bestückten Schotterflächen, in Richtung Süden.
Ein Kamel mit seinem Kleinen steht unvermittelt in unserer Nähe. Das Muttertier hebt den Kopf in unsere Richtung, schätzt ab, ob es mit seinem Kleinen wohl fliehen müsse, und bleibt dann doch bei den Tamarisken, von denen sich die beiden hier und da ein Zweiglein abzupfen. Ein friedliches Bild, wie in einem Bilderbuch gemalt. Hier ist es die Wirklichkeit.

ein Muttertier in unserer Nähe schätzt ab, ob es mit seinem Kleinen wohl fliehen müsse

ein Muttertier in unserer Nähe schätzt ab, ob es mit seinem Kleinen wohl fliehen müsse

Jetzt führt unser Weg auf den zweiten Dünengürtel zu. Ein langes, hohes Band aus Sand versperrt wieder unseren Weg zum Verlorenen See. Die Spur des Iveco von Robert führt um Sandberge herum und über viele bis zu zwei Meter hohe Bodenwellen. Wir nehmen die nächste Düne in Angriff. Der Motor heult auf, damit der Wagen genügend Schwung bekommt, sich emporarbeiten zu können. Oben, kurz vor dem Gipfel darf der Wagen kaum noch Geschwindigkeit haben, damit er nicht über den Zenit hinweg schießt, sondern sich mich einer sanften Kippbewegung wieder nach unten bewegt.
Es ist wie ein Spiel in den Wellen und erinnert sehr an Paddeln in hoher See, nur eben mit einem motorisierten Fahrzeug.
Gas geben, emporsteigen, Druck wegnehmen, kippen, fallen lassen und wieder Gas geben. Unser Toyota macht bisher eine gute Figur.

Aber so unproblematisch wie bisher geht es nicht weiter. Die nächste Höhe liegt unmittelbar hinter einer Linksbiegung. Die Strecke ist nicht lang genug um ausreichend Schwung zu holen. Kurz, bevor ich den Gipfel der Düne erreiche “verhungert“ der Motor im zweiten untersetzten Gang. Er würgt ab. Wir hängen in steiler Schräglage im Sand. Im Rückwärtsgang drehen trotz Allrad die Räder durch und wühlen sich tiefer in das pulverige Material hinein.
Jetzt helfen nur noch die Differentialsperren, die bewirken, dass sich die Räder einer Achse nicht mehr einzeln frei drehen können. Langsam kommt das Fahrzeug in Bewegung und gleitet rückwärts wieder hinunter, um dann soweit wie möglich durch die Senke hindurch immer noch rückwärts wieder bergan zu fahren. Jetzt haben wir eine bessere Position, da wir nicht erst um die Biegung vor dem Anstieg müssen.

Dieses Mal lege ich den ersten untersetzten Gang ein, um den Motor nicht wieder “verhungern“ zu lassen, starte das Manöver erneut, gebe Gas und erkenne ganz schnell: „Der Wagen ist viel zu langsam, um überhaupt genügend Schwung für die Anhöhe zu bekommen.“
Also stopp, wieder zurück, wieder soweit wie möglich rückwärts die hinter mir liegende Düne hinauf, um dann, mit laut aufheulendem Motor im zweiten Gang erneut auf den Sandberg zu zuschießen. Der Wagen kommt in Fahrt, die große Nase mit dem Toyota-Emblem darauf hebt sich steil nach oben, ich sehe nur noch den blauen Wüstenhimmel durch die Windschutzscheibe. Ich bewege mich ins Nichts, im Vertrauen darauf, dass der Weg unter uns hinter der Düne weiter geht. Der Wagen steigt, steigt und steigt mit laut heulendem Motor, wird langsamer und immer langsamer bis er schließlich in die Kippbewegung kommt und die Konturen der Dünenlandschaft um uns herum wieder sichtbar werden. Vor uns ist wieder die Spur im Sand zu erkennen, der wir folgen. Wir sind durch. Aber jetzt bloß nicht stehenbleiben. Da ist schon die nächste Düne, vor uns, auf die wir hinaufkommen müssen. Allerdings geht es jetzt gerade hindurch, so dass wir genügend Schwung bekommen. Nach 4 weiteren Wellen kommen wir bei den beiden anderen oben wartenden Fahrzeugen an. Das war nicht mehr lustig. Wir beratschlagen, ob wir diesem Weg weiter folgen sollen, der aus insgesamt 20 solchen Dünenquerungen besteht. Die zweite von diesen haben wir jetzt noch nicht einmal geschafft. Vor Sonnenuntergang werden wir bei diesem Vorankommen bestimmt nicht den Verlorenen See erreichen.

Fahren im Sand

Fahren im Sand

Rückzug

Die Vernunft siegt. Wir kehren um, rutschen die bisher erklommenen Dünen wieder herunter, was sich als einfacher herausstellt, als befürchtet, kommen wieder am “Camp Mars“ vorbei und finden einen Platz zum Übernachten unterhalb eines kleinen Tafelberges in einer Senke zwischen bis zum Horizont reichenden, buckeligen Dünen, in denen vereinzelt Tamarisken stehen.
Wir sitzen ein zweites Mal mit Gerhard und der Familie aus Dresden unter dem Sternenhimmel der Sahara beim Lagerfeuer, sind dankbar, dass wir aus allen Situationen heute heil wieder herausgekommen sind und dass unsere Fahrzeuge keinen Schaden genommen haben.

Rückzug

Rückzug

kurzlebige Sandkunst im Wind

kurzlebige Sandkunst im Wind

Bückeldünen im Abendlicht

Bückeldünen im Abendlicht

Camp unter einem Tafelberg ohne Namen

Camp unter einem Tafelberg ohne Namen

ein neuer Plan

Um halb sechs Uhr am Morgen schält sich eine blasse, helle Scheibe aus dem Dunst des Horizontes über dem Buckelfeld der Dünen mit den vereinzelten Tamariskenbüschen. Die Sonne ist im mit sandiger Luft beladenem Dunst aufgegangen. Über uns wacht der Tafelberg im Blassblau des Morgenhimmels, über dem eine schmale Mondsichel steht. Wir sind immer noch in der Sahara.

eine blasse, helle Scheibe aus dem Dunst des Horizontes

eine blasse, helle Scheibe aus dem Dunst des Horizontes

Leben in der Wüste

Leben in der Wüste

Eine Stunde später ist unsere kleine Gruppe wieder versammelt. Wir überlegen, wie es weitergehen soll. Die Idee, von hier aus den Verlorenen See erreichen zu können, verwerfen wir. Jetzt wollen wir die Oase “Ksar Ghilane“ ansteuern, in der man in warmen Thermalquellen im Wasser sitzen kann.
Eine Möglichkeit, dorthin zu gelangen, ist der Weg nach Douz zurück und von dort aus über Schotter und Asphalt ohne eine Dünenüberquerung.
Eine zweite Möglichkeit ist ein im Navi angegebener Track, der am Ende des Zauns vom Nationalpark beginnt. Dieser Weg ist etwa 120 km kürzer, als der über Douz, beinhaltet jedoch die Überquerung von zwei Dünenkämmen, wobei wir nicht wissen, wie die Beschaffenheit des Weges ist, der sich wöchentlich durch wandernde Sanddünen ändert. Nach einem kurzen Frühstück entscheiden wir uns für die kurze Strecke, wollen jedoch am Café „La Tente“ noch Rücksprache mit Durchreisenden nehmen, um diese Entscheidung eventuell korrigieren zu können.

Wir fahren am Zaun des Nationalparks entlang auf einer bis zum Horizont reichenden Ebene, die aus feinem, festen Schotter besteht.
Die drei Fahrzeuge gleiten nebeneinander mit zügiger Geschwindigkeit und leichten Nickbewegungen über die unendliche Fläche, ohne vorgegebene Spur, nur das Ziel im Blick, wie ein Geschwader von drei Schnellbooten bei leichter Dünung auf hoher See. Revolutionäre Gesänge kommen uns in den Sinn, während wir praktisch über den ebenen Wüstenboden schweben. Das Thermometer zeigt 48 Grad.

es geht über eine endlose Ebene aus kleinen Steinen

es geht über eine endlose Ebene aus kleinen Steinen

Wieder sehen wir die schwarzen Körper von wandernden Kamelen am Horizont. Dieses Mal ist es eine ganze Gruppe, die sich zwischen den Tamarisken bewegt. Wir fahren etwas näher heran und beobachten lange die großen, sanften Tiere. Doch wissen wir, dass auch diese Tiere, die einen so friedlichen Eindruck machen, sehr wehrhaft sind und auch sehr aggressiv werden können. Es ist ratsam sie zu respektieren und in Frieden weiden zu lassen.

Kamele: beobachten lange die großen, sanften Tiere

Kamele: beobachten lange die großen, sanften Tiere

es ist ratsam sie zu respektieren und in Frieden weiden zu lassen

es ist ratsam sie zu respektieren und in Frieden weiden zu lassen

festgefahren

Nach einem ungenießbaren Kaffee, auf den wir uns im Café “La Tente“ gefreut hatten, erfahren wir von Durchreisenden, dass sie auf dem Weg zum Verlorenen See ein Fahrzeug demoliert haben. Der Weg nach Ksar Ghilane führe über zwei sechzig Meter hohe Dünenkämme und sei befahrbar. Aber es sei nicht leicht. Wir wollen es dennoch versuchen.

Wieder geht es im Zickzack zwischen den Sandbergen hindurch und auch manchmal darüber hinweg. Es ist längst nicht so schwierig wie gestern bei dem Anstieg auf die hohen Dünenkämme. Doch dann verliert sich die Spur. Zuviel Sand hat sich auf die ursprüngliche Piste gelegt, so dass wir nur noch über die im Navi eingegebenen Stützpunkte wissen, in welche Richtung wir fahren müssen.

Wir sind das zweite Fahrzeug in der Reihe, vor uns der rote Iveco von Robert und seiner Familie. Wieder kommen wir in die Situation, dass die von Robert gelegte Spur nach einem starken Linksknick steil einen Sandberg hinaufführt. Der Motor “verhungert“, ich versuche es ein zweites Mal, aber auch jetzt komme ich im aufgewühlten, pulverigen Sand nicht bis auf die Kante der Düne.
Ich steige aus, sehe, dass ich, wenn ich über eine benachbarte Düne fahren würde, sehr schnell und einfach wieder auf Roberts Spur gelangen würde.
Also nehme ich mein Schicksal selbst in die Hand. Mit Schwung fahre ich auf die von mir ausgewählte Düne zu. Der Wagen reckt sich steil gegen den Himmel, beide Vorderräder heben ab, und der Geländewagen setzt sich . . . mit seinem Bauch mitten auf den Grad der Düne. Jetzt bewegt sich nichts mehr. Da helfen auch keine Differentialsperren. Keines der vier Räder hat genügend Kontakt zum Boden, als dass sie irgendeine Bewegung realisieren ließen. Der schwere Wagen liegt dort wie eine Schildkröte auf ihrem Bauchpanzer, die mit ihren Beinen zappelt. Unser Glück ist, dass der Geländewagen mit starken Unterfahrschutzblechen ausgerüstet ist. So ist durch diese Aktion kein Schaden entstanden.

Gerhard kommt mit seinem Toyota heran. Er hat eine kräftige Seilwinde vorne an seinem Fahrzeug. Mit kräftigem, unterstützenden Zug bekommen die Reifen wieder Kontakt zu festerem Untergrund. Es dauert nicht lange, und unser Wagen steht wieder auf festem Grund. Noch einmal versuche ich es in der Spur, die der Iveco uns vorgegeben hat, und dieses Mal klappt es den Dünenkamm zu erreichen, ohne mit dem Boden aufzusetzen vorne überzukippen und den Wagen dann „abtropfen zu lassen“, ihn also praktisch ohne Schwung in das nächste Tal hinuntergleiten zu lassen.

festgefahren . . .  nichts geht mehr.

festgefahren . . . nichts geht mehr.

buddeln ist angesagt

buddeln ist angesagt

Gerhard kommt mit seinem Toyota heran

Gerhard kommt mit seinem Toyota heran

warten auf die Weiterfahrt

warten auf die Weiterfahrt

Es ist nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang. Wir sind immer noch in den Dünen unterwegs. Der Wind ist stärker geworden, so dass pfeifend Sandböen über die Dünenkämme fegen. Wir beschließen, für heute nicht weiter zu fahren und finden auf einer großen Ebene aus feinem Schotter einen Platz für die Nacht, auf dem wir auch bei dem für morgen angekündigten Sandsturm sicher stehen können.
Etwas enttäuscht, unser Ziel nicht erreicht zu haben, heute Abend nicht im warmen Wasser unter Palmen sitzen zu können, kein kaltes Bier in den Händen zu haben, richten wir unsere Fahrzeuge für die Nacht ein und rollen uns in die Schlafsäcke. Der Wind briest auf. Er wird langsam zu einem an den Zeltwänden rappelnden Sturm. Sand prasselt an die Fahrzeuge. Sand ist jetzt überall. Und Sand verteilt sich bis in die kleinsten Ritzen.

Übernachtung im Sturm auf einer Schotterebene

Übernachtung im Sturm auf einer Schotterebene

Kamele am Horizont in der blassen Abendsonne

Kamele am Horizont in der blassen Abendsonne

Sandsturm

Draußen heult heute morgen der bereits angekündigte Sturm. Der Sand wird in Schwaden dicht über dem Boden über die Ebene getrieben. Der Himmel ist dunstig - kein Blau bis zum Zenith. Die Sonne ist jetzt nur noch ein milchig heller Fleck über uns. Das Fahrzeug wackelt im Takt der Windböen.
Nein, an diesem stürmischen Tag werden wir uns nicht in die Dünen wagen, über deren Kuppen permanent der Sand geblasen wird, der sich jetzt schon in den Haaren bemerkbar macht und zwischen den Zähnen knirschende Geräusche verursacht.

Sandsturm über den Dünen

Sandsturm über den Dünen

Der Sand verteilt sich bis in die kleinsten Ritzen.

Der Sand verteilt sich bis in die kleinsten Ritzen.

Für unser Frühstück, das wir trotz allem draußen einnehmen möchten, stelle ich unseren Wagen quer zum Wind. So können wir vor dem Wagen in der bereits wärmenden fahlen Sonne sitzen.
Sabine aus dem Iveco neben uns gesellt sich zu uns. Sie ist ganz besorgt um ihre beiden Männer, die bereits vor über einer Stunde losgezogen waren, um zu Fuss einen Weg durch die Dünen zu finden. Wir versuchen, ihr mit positiven Gedanken die Angst zu nehmen.
„Wir bleiben, bis die beiden wieder hier sind“, versichern wir.
Wir warten, mit unseren Kaffeebechern in der Hand, bis nach einer weiteren halben Stunde, zwei sich bewegende Konturen am Rand unserer Hochebene auszumachen sind. Gute Laune verbreitend kehren die beiden Kundschafter zurück. „Es wird schwierig, einen Weg zu finden. Die eingetragenen Pisten sind mit hohen Sandbergen verstellt, über die man sich herüber arbeiten muss. Der Weg ist jeden Tag wieder ein anderer. Die Dünen wechseln schnell ihre Formen“
Unsere kleine Dreiergruppe beschließt, heute nicht weiter in die Dünen hineinzufahren. „Wir werden den Weg über Douz nehmen, dort ein paar frische Vorräte einkaufen, und von dort auf der Asphaltstraße zur Oase Ksar Ghilane fahren.“ Robert und seine Familie (also seine Familie eher nicht) will sich noch einmal in die Dünen wagen, um doch noch den kurzen Weg zu dieser Oase zu finden. Da sich unsere Wege jetzt trennen verabschieden wir uns ganz herzlich voneinander.

zurück nach Douz

Unsere beiden Fahrzeuge, jetzt alleine hier unterwegs, müssen nur noch einen Dünengürtel überqueren, um beim Café “La Tente“ wieder auf die feste Piste zu gelangen. Gerhard macht mit seinem Navi den Führer. Er kann viel besser als wir abschätzen, ob die Sandberge, die sich vor uns auftun, zu überqueren, oder zu umfahren sind. Im Zick und zack geht es, immer seiner Spur folgend, durch die Hügellandschaft.
Ich halte kurz an, um ein paar Fotos von den Geländewagen in dieser unwirtlichen Welt zu machen, die wir sonst immer nur in Reisekatalogen bewundert hatten. Und dann ist es passiert. Gerhard ist schon so weit voraus, dass wir den winzigen Punkt aus den Augen verloren haben, und die Spur ist nach den wenigen Minuten vom Wind ausgelöscht. „Oh ha, das war keine so gute Idee.“ Da sitzen wir nun im gleißenden Sonnenlicht und können nur anhand des Sonnenstandes abschätzen, in welche Richtung wir uns halten müssen, um Gerhard wiederzufinden. Das Funkgerät, das wir für einen solchen Fall extra mitgenommen haben, hat mittlerweile leere Batterien und kann uns auch nicht weiterhelfen.

Nach einer gefühlt langen Zeit im gleißenden die Konturen verwischendem Licht, in der wir wie Indianer auf der Spurensuche frische Spuren von alten unterscheiden lernen, finden wir tatsächlich die Profilabdrücke von Gerhards Toyota wieder, die sich aber schnell wieder verlieren, weil es über eine Ebene aus hartem Schotter geht. Hier sind überhaupt gar keine Spuren mehr zu sehen. Wo hat Gerhard dieses Schotterfeld wieder verlassen?

Weit hinten, kurz vor dem Horizont, entdecken wir eine Bewegung in der ansonsten unbeweglichen Welt der Dünen. Dort hinten müssen wir hin, und in diese Richtung müssen wir uns halten. Wir finden wieder eine frische Spur und erreichen Gerhard, der mit seinem Wagen auf einer Anhöhe auf uns wartet.

Jetzt sind wir wieder auf der Straße mit schlechtem Asphalt in Richtung Douz unterwegs. Sandschwaden wabern wie Luftgeister über der Straßendecke. Und immer wieder legen sich die Dünen uns in den Weg. An einigen Stellen haben sich schon meterhohe Sandberge auf dem Asphalt gebildet, die wir abseits der Straße umfahren müssen. Aussteigen ist nicht ratsam. Unsere Waden würden wie von einem Sandstrahlgebläse attackiert.

immer wieder legen sich die Dünen uns in den Weg

immer wieder legen sich die Dünen uns in den Weg

zurück in Douz: Gemälde an der Wand eines Restaurants

zurück in Douz: Gemälde an der Wand eines Restaurants

© Michael Bünte, 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Neapel nach Tunesien. Dieses ist der Bericht unserer zehnwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 06.04.2022
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 17.06.2022
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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