2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Das Cap Bon: Ruinenstadt
Kerkouane, die Stadt aus punischer Zeit
Es ist Morgen. Der der Schlagbaum, vor dem wir gestern Abend abgewiesen wurden, steht offen, und wir sind herzlich willkommen, unser Fahrzeug kostenlos auf dem Parkplatz abzustellen.
In dieser archäologischen Ausgrabungsstätte ist das Häuschen, in dem die Besuchertickets verkauft werden, noch intakt und wir erstehen zwei Hochglanztickets, die unterschrieben, gestempelt und im selben Atemzug eingerissen werden.
„Ja, sie gelten den ganzen Tag. Ihr könnt zwischendurch raus, und später wieder reinkommen.“
Wir wollten sicherstellen, dass wir nach den ersten Eindrücken in den Ruinen am Auto frühstücken und später eine zweite Runde durch die alte Steinwelt drehen können. Doch man kennt uns. Wir sind sowieso die einzigen Besucher hier.
Von der ganzen Stadt sind nur noch etwa ein Meter hohe Mauerreste vorhanden, an deren Ausrichtung und Anordnung wir erahnen können, wo früher einmal die Eingänge der Gebäude waren, wo es Gänge zu den Nebengebäuden gab, und wo sich die Treppen, angedeutet durch einige Stufen, in die oberen Etagen befanden, denn in dieser Stadt gab es auch schon zu punischer Zeit mehrstöckige Häuser. Es sind Eingangshallen der Häuser zu erkennen, deren Fußbodenbelag an heutige Terrazzo-Böden erinnern. Wie ein Sternenhimmel leuchtet ein Meer schneeweißer Steine im Schwarz des Hintergrundes. Es sieht aus, als hätte jemand einen Teppich ausgebreitet, um den Eintretenden zu zeigen, welchen Prunk der Hausherr sich leisten kann.
Hier können wir auch immer mal wieder eine Darstellung der Lebensgöttin “Tanit“ als Mosaik auf dem Fußboden vor dem Eingang erkennen, weiß umrandet, mit einem Gesicht aus schwarzem Obsidian.
Am besten gefallen uns die Sitzbadewannen, mit denen wohl jedes Haus hier ausgestattet ist. Diese Badewannen sind an ihrem immer noch intakten, glatten rosafarbenen Putz zu erkennen - kleine Becken, unterteilt in zwei verschiedene Beckenhöhen, und mit einem Ablaufstein an der tiefsten Stelle versehen, den man offensichtlich verschließen konnte.
Einige dieser Becken sind mit Mosaiken ausgekleidet, andere schmucklos in glattem Putz gehalten. Es ist wie ein Suchspiel, die kleinen Artefakte zwischen der Mauerresten zu finden und den Gebäuden zuzuordnen.
Leider sind die in Stein gemeißelten erklärenden Tafeln so abgewittert, die gedruckten Pappschilder so ausgeblichen, dass wir nur einen geringen Teil der Informationen über die einzelnen Gebäude erhalten.
Wieder ein Beispiel von einem ehrgeizigen Ansatz, Wissen zu vermitteln, der durch Nachlässigkeit und fehlende Ausdauer zu einem verlöschenden Licht geworden ist.
Der Blick über die Stadt zeigt uns aber die gewaltigen Ausdehnungen dieser punischen Siedlung mit ihren Hauptverkehrsachsen, den noblen Häusern, deren Innenhöfen, der Tempelanlage und den engen Handwerkervierteln, die sich an die Stadtmauer drängen. Zum Glück wurden die Grundmauern dieser Stadt seit ihrer Zerstörung im ersten punischen Krieg nicht überbaut und liegen unangetastet in ihrer ursprünglichen Form an diesem Ort am Meer.
Eingetaucht sind wir hier in eine etwa zweieinhalbtausend Jahre alte Zeit.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |