2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Anreise: über die Grenze
über die Grenze
Das Ausparken ist dann filmreif. Die ersten Fahrzeuge müssen rückwärts aus dem Laderaum der Cruise Smeralda wieder herausfahren, da das Schiff nur am Heck seine Ladeklappen hat. Dann fangen einige Fahrer an, im Laderaum zu umdrehen, um sich das Rückwärtsfahren zu ersparen. Doch jetzt ist nichts mehr geordnet. Viele Leute geben viele Anweisungen, die von vielen Fahrern überhaupt nicht beachtet werden. Jeder ist hier auf sich gestellt. Nur raus !
Auch wir sind jetzt an Land und fahren, wir hatten auf Gerhard gewartet bis auch er das Chaos verlassen konnte, gemeinsam zum Einreiseterminal.
Hier gibt es mehrere Stationen zu durchlaufen.
Zunächst wird von je einer Person aus jedem Fahrzeug ein Corona-Schnelltest gemacht. Ein junges, freundliche Mädel in Schwesternkleidung steckt Gabi behutsam das Wattestäbchen in die Nase und sagt auf deutsch „Willkommen in Tunesien“. Die nächste Station ist die Einreisebehörde. Hier wäre fast alles zügig gegangen, doch ein hinzugeeilter Chef will von uns die Dokumente unserer im voraus gebuchten Hotelreservierungen sehen.
„Na, hoffentlich reicht der Zweizeiler unseres Campingplatzes in Nabeul aus.“
Es geht mehrfach hin und her. Ich erkläre, dass Gerhard und wir eine Gruppe bilden. Wir nennen mehrfach das Datum unserer Wiederausreise aus Tunesien bis die Beamten schließlich, Gabi bekam von einem Beamten ein Augenzwinkern zugeworfen, einen langen Sermon in arabischen Schriftzeichen auf die von uns vorausgefüllten Zettel schreiben und uns ziehen lassen.
„Wir sind durch“. . . denken wir. Nein, hinter der nächsten Kurve stehen wieder zwei Beamte, die meinen Pass und die Fahrzeugpapiere sehen wollen.
Wir reden mit ihnen auf französisch und einer der Beamten füllt ein Formular aus. Alles macht den Eindruck, dass es voran geht, bis Gerhard mich heran winkt: „Die wollen Geld haben. Hast Du einen 10 Euro Schein? Das würde die Sache hier beschleunigen.“ Er hat die Ansage bekommen: „ Entweder Geld oder wir durchsuchen Dein Auto von oben bis unten.“
Wir geben ihm den 10 Euro Schein und meinen, den Wünschen gerecht geworden zu sein. Jetzt möchte der andere Beamte aber auch 10 Euro bekommen . . . „hahaha“.
Ein wichtiger Vorgesetzter kommt heran. Er wirft einen kurzen Blick hinten in unsere Geländewagen und ist zufrieden. Der zweite Beamte geht leer aus.
Später erfahren wir, dass die beiden gar keine Beamten waren, dass sie jedoch das Formular für die Fahrzeuge eigenmächtig ausgefüllt hatten und deswegen einen Obulus von uns bekommen wollten, von den Zollbeamten geduldet, aber nicht rechtens. Man sollte sich das Formular eigentlich selbst ausfüllen. Und . . . das Fahrzeug durchsuchen dürften die beiden, die keine Uniform trugen, schon gar nicht.
Mit dem auf arabisch ausgefüllten Zettel, den ich auch noch unterschreiben muss, werden wir an ein Schalterhäuschen geschickt. Dort bekommen wir wieder Formulare, die in einem weiteren Schalterhäuschen ausgefüllt werden. Der Beamte, der mich bedient wünscht mir ein “Herzliches Willkommen in Tunesien“ und schickt mich wieder zum ersten Häuschen, in dem ich einen wuchtigen Stempel in meinen Pass bekomme. „Jetzt sind wir wirklich durch“ . . . denken wir.
Die nächste Station sind Beamte mit Kalaschnikows und Hunden, die offensichtlich die Drogenbeauftragten sind. Hier kramen wir die schon zum dritten Mal wieder verstauten Pässe heraus, werden aber nicht noch einmal gebeten, unser “Geschenk“ abzugeben. Danach müssen wir noch einmal bei einer einzelnen Person anhalten, die „bitte einmal die Pässe“ sehen möchte. Wir sagen zu ihm etwas auf französisch, was die Sache sehr viel einfacher macht. Er erklärt uns, dass es seine Aufgabe sei, zu kontrollieren, ob sich der Einreisestempel tatsächlich in unseren Pässen befindet.
Jetzt sind wir durch . . . ja tatsächlich, jetzt sind wir wirklich endgültig durch und rollen über die Grenze nach Tunesien hinein, vorbei an vielen Händlern, die mit SIM-Karten, Broten und anderen Waren winken.
Wir haben die Schnauze gestrichen voll, müssen schnellstens weg hier und uns erst einmal richtig schütteln.
ein fliegender Stein
Wir sind auf dem Weg nach Nabeul zu dem Campingplatz, den wir für heute wegen der tunesischen Bestimmungen reserviert hatten. Für uns ist es einfach den Weg zu finden, da wir nur unserem Freund Gerhard folgen müssen, der sein Navi bereits auf unseren Zielort programmiert hat. Nicht ganz so einfach ist es, den aus Seitenstraßen hervorpreschenden Autos, den Motorrollern, den auf der Straße wandernden Händlern, Kindern und Ziegenherden auszuweichen; von den Löchern und den Schikanen auf den Straßen mal ganz abgesehen. Wir fahren auf einem freien Stück Landstraße zügig hinter Gerhard her, ich sehe eine kleine Gruppe von Kindern am Straßenrand, und dann sehe ich vor unserer Windschutzscheibe einen schwarzen Gegenstand fliegen. Einen Sekundenbruchteil denke ich „so muss ein Meteorit aussehen, der durchs All fliegt“ da knallt es schon mit lautem Schlag gegen unsere Fahrerkabine. Verdammt, die Kinder haben einen Stein nach uns geworfen. Die Scheibe ist heil. Das kann doch gar nicht sein, bei dem Schlag. Kein Sprung, kein kleinstes Löchlein - unmöglich. Wir sind sauer auf alle Kinder, die ohne zu wissen, was sie da anrichten, so etwas machen.
Später auf dem Campingplatz, den wir ohne weitere Vorkommnisse erreicht haben, erklärt uns Gerhard, dass wir gar nicht das Ziel der Kinder waren. Zwei Gruppen hätten sich gegenseitig über die Straße hinweg mit Steinen beworfen. Wir seien nur dazwischen geraten. „Na, das ist ja tröstlich“, denke ich und betrachte die neue Delle, einen Zentimeter unter der Dichtung unserer Frontscheibe. Da hatten wir aber einen schnellen Schutzengel. Zwei Zentimeter höher, eine etwas höhere Geschwindigkeit, eine hundertstel Sekunde später, und wir hätten jetzt keine Frontscheibe mehr.
„Danke, Du lieber Schutzengel !“
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |