2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Zu den Berg-Oasen: nach Sbeïtla
Hier im Westen Tunesiens gibt es keine Autobahnen mehr. Wir fahren die 80 km von Kairouan nach Sbeïtla über teilweise gut ausgebauten Landstraßen und durch Dörfer und kleine Städte, die sich jeweils mit mehreren heftigen Bodenwellen auf dem Asphalt ankündigen. Oft werden sie durch Hinweisschilder, die Geschwindigkeit auf 30 km/h herunterzudrosseln angekündigt, was man besser auch befolgen sollte. Es gibt schon einige Kracher unter ihnen.
Überall ähnliche Bilder von dem Leben vor Geschäften und vor Werkstätten. Vor vielen Werkstätten stehen halbe Autos, ausgebaute Einfahrtstore und andere Metallgegenstände. Es wird an Motorrädern geschraubt, Gewürze werden drapiert und Schafe enthäutet. Und überall fliegen bunte Plastiktüten herum, oder sie hängen in den Büschen. Katzen preschen über die Straße. Immer wieder der Adrenalinschock und die Hoffnung, dass sie den heranrollenden Rädern entkommen mögen.
Übernachtung vor dem Hotel “Sufetula“
In Sbeïtla können wir gegen eine Gebühr von 35 Dinaren auf dem Parkplatz des Hotels “Sufetula“ übernachten. Die Anlage ist luxuriös, doch alles sieht hier verlassen aus. Es ist eben noch nicht die Saison, und außerdem ist Ramadan.
Wir nutzen das freie WLAN-Netz des Hotels und haben auch die Möglichkeit unsere Akkus der Kameras und Laptops über den 220 Volt Außenanschluss unseres Toyota zu laden, den wir mit den Steckdosen auf dem Parkplatz verbinden dürfen. Das ist alles in dem Übernachtungspreis enthalten.
Es wird uns angeboten, dass wir am Abend im Restaurant des Hotel essen könnten. Wegen Ramadan gibt es jedoch kein Buffet, wie sonst, sondern nur ein Einheitsmenü. Wir beschließen, es uns gut gehen zu lassen und ordern also drei dieser Menüs für um 20:00 Uhr.
Gemeinsam mit den einzigen Gästen des Hotels sind wir pünktlich im riesigen Speiseraum des Hotelrestaurants. Es ist ein wenig gespenstig hier.
Doch der Koch kann seine Kunst sehen lassen. Die Nudelvorsuppe, die Brik, in Fettteig eingeschlagene pochierte Eier, das Huhn und die Doraden schmecken vorzüglich. Sogar Bier bekommen wir hier in der muslimischen Fastenzeit. Und zum Nachtisch gibt es eine große Schale frischer Erdbeeren. Für 10 Euro pro Person haben wir fürstlich gespeist.
Der Koch wird uns vorgestellt. Wir sind voll des Lobes und unsere Gastgeber sind hoch erfreut. Als “Geschenk“ des Hauses bekommen wir obendrein eine Dusche für den kommenden Morgen. Man wird uns ein Zimmer aufschließen.
Auf dem Weg zu unseren Fahrzeugen fragen wir uns natürlich, warum der Hotelchef so handelt? War es einfach eine freundliche Geste von ihm, fand er es nett, mit uns auf deutsch zu plaudern oder waren es unsere Ausdünstungen, die ihn dazu bewegt haben, uns kostenlos duschen zu lassen?
Wir beschließen für uns, dass es bestimmt die freundliche Geste sein musste, und machen uns keinen weiteren Kopf darüber. Mit vollen Bäuchen kehren wir auf den Hotelparkplatz zurück, nachdem wir uns in vornehmen Bädern gewaschen und die Zähne geputzt haben.
die Ruinenstadt “Sufetula“
Als ich aufwache höre ich es schon. Es regnet kräftig auf unser Zeltdach.
Es weht ein starker Wind und es ist immer noch kalt. „So habe ich mir das Wetter in Tunesien immer vorgestellt“, denke ich mir ironisch. Na, es wird schon werden. Ich verkrieche mich für die nächste Stunde in Pullover und Daunenjacke zum Aufschreiben unserer Erlebnisse auf den Beifahrersitz, während Gabi noch weiter im warmen Schlafsack vor sich hin schnorchelt. Zum Trost gibt es ja heute die warme Dusche im Hotel, und außerdem soll es in den kommenden Tagen trocken und warm werden, sagt die Wettervorhersage. Also alles halb so schlimm. Das wird schon.
Die Dusche war super, das Frühstück haben wir zu dritt in unserem Geländewagen eingenommen. Durch Verschieben und Klappen von verschiedenen Brettern kann man im Innenraum drei bequeme Sitzplätze an einem Ausziehtisch herstellen, so dass wir hier bei Kaffee und Fladenbrot den Regen abwarten.
Eine halbe Stunde später können wir auch schon los. Der Regen hat nachgelassen. Die Ruinen der römischen Stadt Sufetula, ein riesiges Areal alter Steine, ist schon in der Ferne zu sehen. Wir lassen die Fahrzeuge auf dem Hotelparkplatz, denn hier stehen sie sicher, und machen uns zu Fuß auf den Weg.
Nach etwa zwei Kilometern erreichen wir den Eingang des Areals, werden von einem freundlichen Herren abgefangen und von ihm zu einem Polizisten gebracht, der wissen will, woher wir kommen und wohin wir fahren wollen. Da wir alles glaubhaft beantworten können, dürfen wir in das neu gebaute Museum gehen, um uns dort die Eintrittskarten für die Besichtigung der römischen, punischen und byzantinischen Steinmauern zu kaufen.
Auf dem Weg dorthin bieten sich sofort einige Führer an, die uns natürlich die schönsten Mosaike zeigen wollen. Da wir jedoch Gerhard als unseren Professor und Guide deklarieren, der mit seinem Reiseführer unter dem Arm einen gut informierten Eindruck macht, werden wir schnell in Ruhe gelassen.
Gerhards “Badewanne“
Schön ist der Anblick auf gelbe Blütenmeere, zwischen denen die alten Mauern von Häusern, Märkten, Kirchen und Tempeln zu erkennen sind. Nur wenigen Mauerreste sind höher als 2 Meter. Doch einer der Tempelkomplexe ist noch bis zum Dach teilweise erhalten - oder vielleicht auch nachträglich wieder hergestellt worden.
Immer wieder werden wir von älteren Herren im Kapuzenumhang angesprochen, die uns antike Öllampen oder Münzen verkaufen wollen, die wir, wenn sie tatsächlich antik sein sollten, gar nicht aus dem Land ausführen dürften. Also bleiben wir stark, lehnen ab und bleiben freundlich.
Und dann findet Gerhard den Ort, nach dem er die ganze Zeit gesucht hat. Es gibt ein Foto, auf dem seine Frau, Martina, als Neunzehnjährige in einer mit Mosaiken ausgelegten “Badewanne“ sitzt. Er wusste nicht mehr, in welchem der tausend Gebäude die Wanne zu finden ist. Jetzt steht er ergriffen in den Resten einer Kirche vor “seiner Badewanne“ und sinniert: „45 Jahre ist das jetzt her“.
Es handelt sich allerdings nicht um eine Badewanne, sondern um ein antikes, in den Boden eingelassenes Taufbecken. Alles ist noch genauso erhalten, wie er es in Erinnerung hatte. Nur dass heute eine Absperrung verhindert, dass sich neunzehnjährige Jungendliche hineinsetzen und fotografieren lassen.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |