2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien
Djerba: Die Händler im Souk
treiben lassen
Wir schlendern durch die Stadt, werden von vielen Händlern für „nur fünf Minuten zum Gucken, heute alles gratis“ in die Läden gebeten, bleiben jedoch standhaft, denn wenn man bei 100 Händlern für fünf Minuten zum Gucken verweilt, sind acht Stunden herum. „Nein, ich brauche keine Lederlatschen, auch nicht als Souvenir. Meine Sandalen sind noch gut genug.“ „Und nein, wir brauchen keine Lampen, keine Chichapfeifen und einen handgeknüpften Teppich wollte ich mir auch nicht zulegen.“ „Ach, sie schicken es auch per Post nach Hamburg? Tut mir leid, ich möchte heute trotzdem keinen Teppich kaufen.“
Ein wenig tun uns die Menschen leid, die hier den wohlhabenden Touristen auf Biegen und Brechen ihre Waren anbieten und wohl in den meisten Fällen auf Ablehnung stoßen.
Wir bemühen uns, auf jedes „bonjour“ nicht genervt zu reagieren, freundlich zu antworten und Auskunft zu geben, wo wir her kommen und warum wir hier sind. Freundlichkeit ist das Wenigste, was wir den Menschen hier geben können.
Tagesausklang
Am späten Nachmittag sitzen wir unter fremdartigen Bäumen bei türkischem Kaffee und einer großen Buddel Wasser, schreiben unsere Gedanken nieder und beobachten die Menschen um uns herum.
Ein neuer Tag in Houmt Souk
Wir stehen mit unserem Geländewagen vor der Korsarenfestung “Borj al-Ghazi“, die im 14. Jahrhundert von Sizilianern und Spaniern als Bollwerk gegen die Piraterie im Mittelmeer errichtet und im sechzehnten Jahrhundert von einem türkischen Korsarenführer erobert wurde. Hier auf dem Parkplatz konnten wir ungestört die Nacht verbringen. Auf der neu hergestellten Uferpromenade, die uns heute morgen in milchigen Farbtönen empfängt, ist kein Mensch. Nur eine Rotte herrenloser Hunde ist auf der Suche nach Resten, die am Vortage hier liegen gelassen wurden. Draußen auf der See treiben kleine Fischerboote auf den Wellen. Hier herrscht Friede.
Doch der Himmel ist diesig. So viel Sand ist in der Luft. Die Sonne brennt bereits, ist aber nur hinter einem gleißenden Wolkenfleck zu erahnen.
Benommen vor Hitze beschließen wir, noch einmal durch die Stadt zu laufen und uns bei einem türkischen Kaffee und frischem Brot unter schattigen Bäumen sitzend ein Frühstück zu genehmigen. Später dann erreicht ein Hitzesturm aus der Sahara die Insel. Träge schleichen wir durch die Straßen, treffen wieder auf Händler, die uns wiedererkennen und uns wie alte Freunde herzlich zu ihnen in ihr Geschäft einladen. Wieder und wieder lehnen wir diese Art von Einladung ab.
Über den Tisch gezogen
Ein ganz besonders hartnäckiger kleiner Mann, der uns schon gestern auf Deutsch angesprochen hatte und behauptete, zwei Jahre auf dem Ku’Damm in Berlin ein tunesisches Restaurant betrieben zu haben, schafft es dann doch, dass wir uns für seine Töpferware interessieren. Tausende von bunt glasierten Keramiken hat er in seinen Regalen und auf dem Fußboden ausgestellt. Einmal wollen wir uns auf das Spielchen des Handelns einlassen und interessieren uns für kleine Keramikschälchen. Stolz zeigt unser Gastgeber - „fühlt Euch wie zuhause“ - die Schälchen in vier verschiedenen Größen und jeweils neun verschiedenen Mustern. Zack, zack, zack ist alles vor uns ausgebreitet, während er uns mit den Vorzügen seiner Ware, den Vorzügen, die er bei uns erkannt haben will, und den Vorzügen von Deutschland überhaupt, zutextet: „vive la France!“
Ganz traurig und enttäuscht tut er, als wir ihm sagen, dass wir höchstens zwei seiner Schälchen kaufen wollen. „Wieso nur zwei? Guck mal hier, kann man nehmen für Oliven, für Nüsse, für Mandeln, für Gebäckstücke. Da kann man ganz viele von gebrauchen!“ Wir bleiben standhaft. Gabi sucht die beiden Schälchen mit den wenigsten Mängeln heraus. Und nun geht es ans Handeln.
Unter jedem der Schälchen klebt ein Etikett mit 39 TD darauf. Gabi macht ein entsetztes Gesicht. „Das sind ja 13 Euro pro Schale“.
Der kleine Mann lacht. „Nein, nein , nein. Das ist der Preis für die Amerikaner. Für Euch mache ich einen anderen Preis.“
Wir überlegen, was uns diese Schalen Wert wären und kommen auf maximal 25 Dinare, aber für beide Schalen zusammen.
Der Händler holt flugs einen Zettel hervor, teilt ihn in drei Abschnitte und erklärt uns: „Guck mal, hier ist der Preis für die Amerikaner, hier der Preis für Italiener und Franzosen.“ Und in die dritte Spalte schreibt er den Preis für “seine persönlichen Freunde“. 60 Dinare steht dort.
Wir haben schon ein sehr schlechtes Gefühl in der Magengrube, als wir ihm unseren ersten Preis von 20 Dinaren nennen. „Was, nur 20 Dinare? Damit kann ich doch nicht überleben.“Guck mal hier“, er nimmt seinen Zettel bildet den Mittelwert und schreibt eine fette 40 darauf.
Wir erhöhen auf 25 Dinare für die zwei Schälchen. Der kleine Mann macht ein tieftrauriges Gesicht, geht auf 30 Dinare herunter. Wir schütteln den Kopf, und ich signalisiere ihm, dass wir jetzt gehen werden. Mit einem Knurren holt er ein Stück Zeitungspapier hervor, in das er die beiden Schälchen jetzt einwickelt.
Als allerbeste Freunde - „besucht mich bald mal wieder“ gehen wir, nicht mit dem Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein, unseres Weges.
In einem anderen Laden Nur wenig später finden wir “unsere Schälchen“ für je 3,900 Dinare in einem Keramikladen wieder. „Verdammt“. Sollen wir uns jetzt ärgern? Ja, könnten wir machen, sind aber nicht dazu verpflichtet. Wir haben unser Spielchen gehabt, haben den von uns angepeilten Preis durchgesetzt und dem Händler in seiner Welt zu einem kleinen Zubrot verholfen. Der Souk sähe völlig anders aus, wenn es nur noch die großen Geschäfte mit ihren knallhart durchkalkulierten Preisen gäbe.
Aufbruch: | 06.04.2022 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 17.06.2022 |