2023 Mit einem Geländewagen durch Albanien und Nordmazedonien
An der Küste im Süden: Shën Georgios
Ich wache auf in einem Blumenmeer aus Klatschmohn, verschiedenen Diestelarten, Malven, mediteranen Katzenöhrchen und tausenden mehr. Die Sonne scheint hell in unsere Zeltdach hinein. Wir stehen vor den Resten einer uralten Kirche. Es waren wohl mehrere Gebäude, so dass wir annehmen, dass es sich um ein altes Kloster gehandelt haben wird. Die Kirche hat man in den letzten Jahren nach ihrem alten Vorbild wieder aufgebaut. Ein kleines Gebäude auf einem Felsvorsprung über dem Tal.
Gestern Abend konnten wir einen Blick hineinwerfen. Überbordender Schmuck eines orthodoxen Gotteshauses mit Gemälden, Ikonen und klerikalen Ausstattungen. Ein friedlicher Ort ist das hier, mit unserem Fahrzeug gut zu erreichen, doch etwas abseits der Durchgangsstraße auf einem ausgewaschenen Kiesweg zu erreichen. Ein guter Ort für die Nacht.
Gestern haben wir noch lange auf der Mauer vor der Kirche gesessen und den Mond am Himmel wandern sehen, währen im Tal nach und nach die Lichter erschienen. Wolkenberge sammelten sich über den Gipfeln der Berge, blutrot wurde das Firmament nachdem die Sonne hinter den Konturen der sich ineinander schiebenden Berge versunken war. Ein Schauspiel, dem wir ewig hätten zusehen können. Wir saßen da, schlürfen an einem Glas Wein und genossen den Frieden, das Land, die würzigen Düfte der Kräuter und die Umgebung um uns herum.
Gerade ist freundlich blickender Herr auf mich zugekommen, als er mich so auf der Steinbank vor der Kirche hat sitzen sehen. Er hat das Aussehen eines Schäfers, hatte sein Auto an der letzten Wegeskreuzung abgestellt und will mit mir Kontakt aufnehmen. Der Fremde spricht mich in seiner Sprache an, von der ich nichts verstehe. Er bietet mir seine Hand zum Gruß, ich schlage ein. Dann setzt er sich zu mir auf die Mauer. Lange passiert nichts. Der andere überlegt wohl, wie er mit mir kommunizieren könne. Er formt mit seinen beiden Daumen und Zeigefingern Kreise, die er sich vor die Augen hält. Dann schnippt er mit dem Daumen an seinen Mittelfinger. Ich verstehe: Er möchte Geld für die schöne Aussicht hier haben. Und ich verstehe ihn wieder nicht.
"Deutsch, Englisch, Französisch?" Nein, er spricht nur Albanisch.
Dann biete ich ihm an, mit dem Internetübersetzer mit mir zu "sprechen". Ich such die App heraus, öffne sie und zeige ihm, wo er etwas eintippen kann, damit das dann übersetzt wird.
"Nein" Er winkt dankend ab. Schreiben kann er auch nicht.
Mit bedauerndem Blick steht er auf, lächelt noch einmal, legt seine Hand auf's Herz und verabschiedet sich mit einem festen Handschlag. Ich bleibe zurück, nicht wissend, ob es richtig war, oder falsch, ihm jetzt keine 1000 Lek in die Hand gedrückt zu haben.
"Wir können dieses Geld für die schöne Aussicht und den ungestörten Übernachtungsplatz ja dieser kleinen Kirche spenden". Doch Reisende als Goldesel zu betrachten, diesen Gedanken möchten wir hier nicht forcieren.
Aufbruch: | 15.05.2023 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 06.08.2023 |