2023 Mit einem Geländewagen durch Albanien und Nordmazedonien

Reisezeit: Mai - August 2023  |  von Michael Bünte

zurück in Albanien: Off Road

"Die Strecke zwischen Berat und Përmet ist machbar." Das haben uns gestern jedenfalls Alain und Katinka, das Pärchen aus Holland, gestern Abend bestätigt. Sie sind in der Gegenrichtung diesen Weg gefahren.
In der Nacht hat es auch keine weiteren Regenschauer gegeben, so dass die Wege in der Schlucht wohl bereits abgetrocknet sind.
Wir beschließen, heute die Strecke über Çorovoda durch den Nationalpark Hotova-Dangell über die Pässe zu fahren.
Bis zum Aussichtspunkt "Kanionet e Osumit Zabërzan", verläuft die Straße, gut asphaltiert und mit nicht all zu vielen Schlaglöchern, in Serpentinen immer am Canyon des Osum entlang.
Immer wieder gibt es 'View Points', Ausweichstellen an der Straße, auf denen man kurz anhalten kann, um in die tiefen, farbigen Gesteinsformationen des 'Grand Canyon' von Albanien hineinzublicken.
Wir kommen an den unterirdischen Munitions- und Waffenfabriken vorbei, in denen in der kommunistischen Zeit unter anderem die Nachbauten der Kalaschnikow hergestellt wurden.
Schornsteine und Lüftungsschächte ragen aus den Felsen.

Dann kommen wir zu dem Abzweig mit einem deutlichen Schild, dass es hier nur für Fahrzeuge mit Allradantrieb weiter geht.

eine alte Waffenfabrik aus kommunistischer Zeit

eine alte Waffenfabrik aus kommunistischer Zeit

Durchfahrt nur für Fahrzeuge mit Allradantrieb

Durchfahrt nur für Fahrzeuge mit Allradantrieb

Ein blitzblanker VW-Bus mit zwei Kajaks auf dem Dach überholt uns forsch, bremst jedoch vor dem Schotterweg scharf ab, und die beiden im Bus scheinen zu überlegen, ob sie mit ihrem relativ neuen Wagen die nächsten 30 Kilometer auf den Schotterwegen fahren sollen.
Mit heruntergekurbelten Seitenscheiben tauschen wir mit ihnen das aus, was wir über die Strecke bisher gehört haben. Dann fahren wir los. "Ich glaube nicht, dass die beiden hinterher kommen", denke ich mir.

Für uns geht es jetzt los

Wir schaukeln über grobe lose Steine steil einen Berg hinab. Links von uns im Flussbett wird Holzkohle hergestellt.
"Alle Schotten dicht !"
Es stinkt bestialisch. Große schwarz Berge der Endprodukte sehen wir im Tal liegen.
"Das ist ja kein so schöner Anblick zum Start unserer Fahrt."
Zumal wir gestern einen Kilometer weiter unten in diesem Fluss noch gebadet haben . . .

Unsere Reisegeschwindigkeit hat sich jetzt dramatisch reduziert. Mit zehn bis zwanzig Stundenkilometern holpern wir durch die tiefen Schlaglöcher, in denen immer noch das Wasser von den gestrigen Regenfällen steht. Dann führt der Weg über eine schmale Stahlbrücke ohne Leitplanke oder sonstige Seitenbegrenzung.
"Weißt Du überhaupt, ob die unseren Geländewagen tragen kann", höre ich Gabi neben mir zaghaft fragen.
Sie trägt uns. Immer schön die Spur halten, und nur einen ganz kurzen Blick in die Tiefe riskieren. Milchigblau fließt der Fluss unter uns, den wir gerade überqueren. Darum herum nur eine Mondlandschaft. Es sieht schon abenteuerlich aus. Leider kein Ort zum Aussteigen, um diese Szene auf einem Foto festhalten zu können.

Und jetzt kommt der Anstieg nach der Brücke. "Da geht es rauf." Es ist wie in einer Achterbahn, wenn man im Wägelchen zur ersten Kuppe nach oben gezogen wird. Auf losem Geröll geht es steil bergauf.
Erster Gang, ich schalte das Allradgetriebe dazu. Der Sechszylindermotor zieht den schweren Wagen wie über eine Zahnschiene in die Höhe. In solch einer Situation verstehen wir, warum viele, die unser Auto gesehen haben, so begeistert davon sind.
Tiefe ausgewaschene, diagonal verlaufende Auswaschungen müssen wir überqueren. Das umgerüstete Fahrwerk mit dem hohen Federhub macht sich bemerkbar. Es ist so gebaut, dass immer alle vier Räder den Bodenkontakt und damit den Griff behalten. Es rutscht seitlich, doch der Wagen fängt sich schnell wieder. Immer weiter ziehen wir den Berg hinauf, bis die Kuppe erreicht ist. Wir haben es geschafft und gelangen jetzt auf einen horizontalen Weg, auf dem wir etwas schneller voran kommen.

jetzt sind wir auf der Off Rod Strecke

jetzt sind wir auf der Off Rod Strecke

wir bewegen uns durch eine schroffe Berglandschaft.
Tief unten an der Brücke der VW-Bus, der uns folgt

wir bewegen uns durch eine schroffe Berglandschaft.
Tief unten an der Brücke der VW-Bus, der uns folgt

Wir sehen die Bergformationen an uns vorbeiziehen. Schroffe, steile Klippen, ohne jeglichen Baumbewuchs. Nur in manchen Felsritzen haben sich ein paar Büsche halten können.
Der Boden des Weges ist hier teilweise durch den Regen aufgeweicht. Durch tiefe Schlammfurchen bahnen wir uns unseren Weg. Der 4x4-Antrieb ist hier absolut notwendig.
Und dann kommen wir an den Abzweig. Das holländische Pärchen sagte uns gestern, dass wir einfach nur immer geradeaus fahren müssten. Es wäre überhaupt kein Problem.
Nun kommen wir aber heute von der anderen Richtung. Der Weg gabelt sich in spitzem Winkel. Es geht schräg links hoch oder rechts runter. Schilder suchen wir hier vergebens. Was bleibt uns übrig, als auf dem Navi nachzusehen, welche der gestrichelten Linien wir denn nun nehmen müssen, um an unser Ziel zu kommen.
Gerade haben wir uns für "rechts runter" entschieden und sind schon auf dem Weg ins Tal, da sehe ich einen VW-Bus mit zwei Kajaks auf dem Dach hinter mir.
"Alle Achtung !", denke ich laut. "Hat der Fahrer aber starke Nerven."
"Oder einen sturen Dickkopf" höre ich von neben mir.
"Na, ob er jetzt mit seinem neuen Auto genug hat? Zeit, um umzudrehen hätten sie ja noch."

die Brücke hält unsere 3,5 Tonnen aus

die Brücke hält unsere 3,5 Tonnen aus

es geht immer höher hinauf

es geht immer höher hinauf

hier ist der Weg wieder relativ gut

hier ist der Weg wieder relativ gut

einige Wasserstellen sind vom gestrigen Gewitter noch nicht abgetrocknet

einige Wasserstellen sind vom gestrigen Gewitter noch nicht abgetrocknet

Wir konzentrieren uns jetzt wieder auf unseren Weg, der hoffentlich der Richtige ist. So ganz sicher sind wir uns da nicht. Doch die Menge der Spuren, die im Schlamm zu erkennen sind, könnten auch ein Indiz dafür sein, dass hier täglich nicht nur ein Fahrzeug entlang fährt.
Nachdem wir die nächste Talsohle erreicht haben geht es jetzt wieder steil bergan.
Weit, ganz weit oben können wir die Kerbe an den Berghängen, an der sich die Straße an den Felsen entlang windet.
"Uiihh, das ist aber noch ein ganzes Stück, das wir da bewältigen müssen, um dort oben anzukommen."
Ab jetzt geht es in Serpentinen bergauf. Mit Schwung muss ich in die Kurve hinein fahren, damit wir nicht stecken bleiben. Immer in der Hoffnung, dass nicht gerade in diesem Augenblick ein anderer von vorne kommt. Ein kurzes Signal mit der Hupe, und wieder geht es in die Kurve um eine Felsnase herum.
Die Straße ist in dieser Kurve so schmal, dass es scheint, als schössen wir geradewegs in den Himmel. Keine Leitplanke, keine Mauer, der Kuhfänger scheint sich über dem Abgrund zu drehen, als wir wieder einmal eine Haarnadelkurve durchfahren. Meine Beifahrerin hat neben sich nichts, als einen hunderte von Metern tiefen Abgrund. Krampfhaft hält sie sich an der so genannten "Shit-Bar", dem Haltegriff für den Beifahrer über dem Handschuhfach fest.

einmal verschnaufen

An der nächsten Ausweichstelle müssen endlich einmal aussteigen und uns die Gegend in Ruhe betrachten. Inzwischen sind wir so hoch im Berg, dass wir in einer Flugzeugperspektive tief in die Täler und auf die tiefer gelegenen Felsgrate guckt.
"Sieh' mal, die helle Linie, die sich dort unten durch die Landschaft windet. Das ist die Straße, auf der wir vorhin gefahren sind."
Wir erkennen einige Ecken wieder, so auch die schmale Brücke, über die wir uns getraut haben.
"Und da sind auch die beiden bunten Boote auf dem VW-Bus-Dach an der Brücke angekommen"
Die beiden haben tatsächlich nicht aufgegeben, sondern quälen Ihren blitzblanken California-Bus weiter die Off Road Strecke entlang.
"Wie lange wir wohl brauchen werden? Kommen wir von Sonnenuntergang noch in Përmet an?"

Irre Motorradfahrer

Jetzt wird es voll, auf unserer Off Road Strecke. Offenbar ist eine Gruppe von Cross-Motorradfahrer in unserer Richtung unterwegs. Sie sind viel schnelle, als wir. Die ersten beiden Fahrer bleiben noch so lange geduldig hinter uns, bis sich eine Gelegenheit zum Überholen ergibt.
Ich werde etwas langsamer und lasse sie vorbei. Auch für die folgenden Räder kann ich an einer etwas breiteren Stelle ausweichen. Der Fahrer des fünften Motorrads muss wohl aufholen. Er ist ungeduldig, oder muss uns zeigen, was er kann. Er überholt uns auf der rechten Seite, ohne abzuwarten, bis da genug Platz für beide Fahrzeuge ist. Er fährt auf den steilen Abhang neben der Straße hinauf, ist bereits neben uns, kommt ins Schlingern, rutscht den Abhang wieder herunter auf uns zu, kann seine Maschine knapp vor der Berührung mit unserem Geländewagen noch abfangen und hoppelt über das grobe Geröll an uns vorbei.
"So ein Schwachkopf", denke ich mir. 20 Meter weiter wäre ein gute Stelle gewesen, um ohne Risiko an uns vorbei zu fahren. Aber einige haben es hier in den Bergen wohl so eilig, dass sie Kopf und Kragen riskieren.
Das ist offensichtlich, denn an vielen Stellen stehen Grabsteine mit frischen Blumen am Straßenrand, oder es sind Miniaturkapellen aufgebaut, die an verunglückte Menschen erinnern.

Wir sind oben, haben den Pass erreicht

Der Ort, durch den wir jetzt fahren heißt "Sevran i Madh".
Als erstes ist ein großes blaues Parkplatzschild aus Pappe am Straßenrand zu erkennen, ein Parkplatz ist dort aber nicht. Dahinter ist ein Unterstand aus Holz mit Strohdach und Bierbänken darin. Auch an diesem Ende der Welt gibt es also auch ein Café. Eine kleine Frau in roter Trachtenkleidung mit einem weißen Käppchen auf dem Kopf kommt herbei geeilt und begrüßt uns. "Nein danke, wir wollen jetzt nicht Kaffee trinken. Wir haben alles dabei."
Wir winken freundlich und fahren weiter.
Sehen können wir von dem Ort "Sevran i Madh" nicht viel. Rechts von uns steht ein Schafstall mit schrägem Blechdach, etwas tiefer gelegen erkennen wir Dächer von zwei Häusern, die im tiefen Grün versunken zu sein scheinen. Einige Obstgärten sind angelegt. Die Kirschen sind reif. Schon sind wir durch. Wir haben zwar kein Ortsschild gesehen, aber es gibt jetzt keine Gebäude mehr. Wir fahren auf ebener Strecke durch einen grünen Tunnel. Tief hängen die Ranken herunter, die unseren Wagen streifen.

Mittagspause

Dann wechselt die Kulisse wieder. Almwiesen mit bunten Bergblumen, ein Blick auf das Panorama der albanischen Bergwelt. Wunderschön ist ist hier. Wir beschließen, auf dieser Bergblumenwiese das Hier-Sein zu genießen, stellen den Wagen neben der Straße ab und richten uns für eine Nachmittagspause ein. Wir fühlen uns wie bei Heidi zu Besuch. Warm scheint die Sonne auf unsere Rücken. Es summt und brummt um uns herum. Vor uns der Blick in die Täler und die Licht- und Schattenspiele der grandiosen Bergwelt.

Pause nach zwei Stunden Fahrt

Pause nach zwei Stunden Fahrt

vor uns die schroffe Landschaft der albanischen Berge

vor uns die schroffe Landschaft der albanischen Berge

Natternköpfe im Gegenlicht

Natternköpfe im Gegenlicht

Ein Motorengeräusch nähert sich. Etwas Buntes kommt um die letzte Wegbiegung herum gefahren. "Nein, das ist jetzt nicht wahr" Es ist der VW-Bus aus Berlin, mit seinen zwei Kajaks auf dem Dach. Der Fahrer hält. Er lässt die Seitenscheibe heruntergleiten.
"Was tut man seinem Auto nicht alles an".
"Ihr hättet ja nicht weiterfahren müssen." "Wie ist das mit Eurer Bodenfreiheit? Reicht die aus"
"Einmal haben wir aufgesetzt. Mit dem Reserverad glaube ich."
"Sonst ist alles gut?"
"Ja, ansonsten kommen wir mehr recht als schlecht durch."
"OK, dann gute Fahrt noch."
Die Kajaks schaukeln von dannen. Wir bleiben noch auf 'unserer' Wiese sitzen und genießen den Augenblick. Gabi kann sich noch nicht so ganz entspannen. Sie hat Sorge vor dem Abstieg, und vor dem, was uns da noch erwartet. Auch beruhigende Worte wollen heute nicht so richtig helfen.

Zwei Stunden später

liegen wir in einem warmen, über große Steine hüpfenden Bach. Wir haben die planierte Straße wieder erreicht, haben unseren Geländewagen auf einem brach liegenden Feld abgestellt und die Wassertemperatur des lustig plätschernden Bergbaches geprüft.
"Bestimmt 24 Grad" Es ist herrlich. Schwimmen kann man nicht, aber wie in einer Badewanne liegen, und sich im Wasserschwall den am Körper klebenden Schweiß abspülen lassen.

endlich liegen wir nach den Strapazen in einem warmen Bach

endlich liegen wir nach den Strapazen in einem warmen Bach

Auch der Wagen braucht dringend eine Wäsche

das albanische "LAVAZH" ähnelt dem französischen "Lavage"

das albanische "LAVAZH" ähnelt dem französischen "Lavage"

© Michael Bünte, 2023
Du bist hier : Startseite Europa Albanien Off Road
Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Italien, Kroatien, Montenegro nach Albanien. Dieses ist der Bericht unserer zwölfwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 15.05.2023
Dauer: 12 Wochen
Heimkehr: 06.08.2023
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
Bild des Autors