2023 Mit einem Geländewagen durch Albanien und Nordmazedonien
Nordmazedonien: In der Falle
wir brauchen eine Abkühlung
"Wo ist denn hier mal eine Möglichkeit, um in den See springen zu können?"
Die ganze Zeit fahren wir schon am See von Debar vorbei. Mal liegt er tief unter uns, mal sind wir schon ganz dicht dran. Nirgends ein Stichweg, der ans Wasser führt.
Das Thermometer in unserem Auto zeigt 42 °C an. Wir sind bereits triefnass vor Schweiß. Unsere Klamotten kleben an uns. Wir brauchen dringend eine Abkühlung. Einfach mal kurz in den See springen. Aber bisher hatten wir keine Chance.
Dann überqueren wir die Talsperre. Auf der anderen Seite liegt ein Ort im gleißenden Sonnenlicht. Da sehe ich es. Ein paar Leute, die im Wasser planschen, und es steht sogar ein rotes Auto am Strand. Das ist es. Dort werden wir am Ziel sein. Jetzt muss ich nur noch das Schlupfloch finden, durch das es zum Strand hinunter geht.
Da vorne, eine Lücke in der dichten Hecke, ich blinke links, werde langsamer, doch es ist nur das Einfahrtstor zu einer Fabrik. Das kann doch gar nicht sein. In 50 Metern biegt die Straße nach rechts ab. Vorher muss es doch links runter zum Strand gehen. Wie sind die Leute denn dorthin gekommen?
Kurz vor der Rechtskurve dann doch noch ein Schotterweg, der im 90 Grad Winkel von der Durchgangsstraße abzweigt. Ein kurzer Blick nach hinten, keiner überholt mich gerade und schwupp sind wir in dem Schotterweg verschwunden. Zunächst ist er ganz passabel, führt in ein paar Schlangenlinien durch Gebüsch, bis er scharf nach rechts abknickt. Dann liegen tiefe Auswaschungen und diagonale Querrinnen vor uns, doch mit unserem OME-Fahrwerk kommen wir damit gut zurecht. In der nächsten Biegung sehe ich ein Auto stehen.
"Aha", denke ich, "fahren hier auch andere Autos lang." Es stehen Waschmaschinen am Wegrand, der Müll wird immer mehr, Zelte vor uns in den Büschen.
"Ist das hier ein Camp?"
im Roma-Lager
Einige Leute sitzen in Gruppen zusammen. Vielleicht sollten wir sie besser ansprechen und Kontakt aufnehmen. Ich drehe die Seitenscheibe herunter. Ein schlankes, schwarzhaariges Mädchen von vielleicht 18 Jahren in einem leuchtend roten Kleid wird auf uns aufmerksam und kommt heran.
Ich frage sie, ob man dort am Strand schwimmen kann und mache Schwimmbewegungen. Sie lächelt mit ihrem hübschen Gesicht zurück und nickt. Gabi ist bei der ganzen Sache gar nicht wohl. Sie möchte nicht mehr baden, sondern fordert mich auf, postwendend umzudrehen und weiterzufahren.
Dann kommt eine ältere Frau auf uns zu. Sie trägt ein knöchellanges gelbes Kleid, hat lange schwarze Haare mit silbernen Strähnen und trägt goldene, blitzende Ohrringe. Sie kommt dicht an meine halb heruntergedrehte Scheibe heran, lehnt sich gegen die Fahrertür und spricht mit uns in fließendem, beinahe akzentfreiem Deutsch.
"Wissen Sie, ich bin krank, ich habe viele Kinder und wir haben so wenig Geld . . . "
Längst haben wir gemerkt, dass wir in einem Roma-Lager gelandet sind. Was tun?
Vorwärts raus kommen wir nicht, da endet der Weg am Fluss. Wir müssen auf jeden Fall bei der nächsten Gelegenheit wenden und denselben Weg wieder zurück.
"Könnten Sie uns nicht mit ein bisschen mit Geld unterstützen? Es kann auch ganz wenig sein."
Ok, hier werden wir also einen Obulus bezahlen müssen, um heil wieder heraus zu kommen.
Wir machen ihr ein Zeichen, dass wir bereit sind ihr etwas zu geben, dass wir aber erst drehen müssten. Sie versteht, nickt und lächelt mit teils goldenen Zähnen. Sie weiß, dass wir zurückkommen müssen.
Rückzug
20 Meter weiter vorne ist das lange ersehnte Wasser zum Greifen nahe. Doch ich sehe zu, dass ich den Wagen gedreht bekomme. Wir rollen langsam zum Lager zurück. Im Rückspiegel sehe ich einen jungen Mann hinter uns her spurten. Ich gebe Gas, damit er das Auto nicht erreicht, bevor wir wieder bei der Alten sind.
Während wir wendeten hat Gabi schnell unsere Banknoten im Portemonnaie durchgesehen. "Was geben wir ihr?" 190 Denare haben wir in kleinen Scheinen. Viele 10 Denar-Scheine sind dabei. Das macht was her. Gabi hält das Bündel Geld bereit in Ihrer Hand.
Jetzt erreichen wir das Lager. Der junge Kerl rennt immer noch hinter uns her. Die Alte scheint gerade mit irgendetwas anderem beschäftigt zu sein, kommt dann aber schnell zu uns heran, als wir mit den Scheinen aus dem Fenster wedeln.
"Oh, vielen Dank. Das ist nett von Ihnen. Und gute Fahrt noch." Sie winkt uns zu.
"Alles Ok, dann alles Gute für Sie und Ihre Familie".
Fast hat der heranstürmende Junge unser Auto erreicht, wird aber von der Alten im gelben Kleid zurückgehalten, und wir können unbehelligt den Schotterweg wieder zurück schaukeln.
Immer noch triefnass geschwitzt und um eine glimpflich ausgegangene Erfahrung reicher sind wir wieder auf der Straße.
Aufbruch: | 15.05.2023 |
Dauer: | 12 Wochen |
Heimkehr: | 06.08.2023 |