2023 Mit einem Geländewagen durch Albanien und Nordmazedonien

Reisezeit: Mai - August 2023  |  von Michael Bünte

Der Kosovo: Peja und die Rugova-Schlucht

Peja (Pejë)

Unser Start in Peja, einer Stadt ganz im Westen des Kosovo am Ausgang des "Rugova Canyons" war etwas holperig. Wir wollten einen Parkplatz in der Nähe des Zentrums anfahren und landeten nach Befolgen der Anweisungen unseres Navigationssystems in einer Fußgängerzone, in der allerdings auch schon andere Autos standen. Irgendwie hat man hier vor nicht langer Zeit eine Menge umgestaltet, was in die Navi-Daten noch nicht eingeflossen ist.
Zum Glück hat mich vorhin nicht die Polizei, sondern ein Passant darauf aufmerksam gemacht, dass ich dort nicht stehenbleiben könne. Wollte ich ja auch nicht. Ich musste nur einmal nachsehen, wo wir überhaupt gelandet sind, in diesem Einbahnstraßengewirr.
Doch das ist jetzt Vergangenheit. Gerade haben wir unser Auto für einen Euro Tagesgebühr auf einem bewachten Parkplatz abgestellt. Jetzt sind wir zu Fuß unterwegs und laufen durch die Fußgängerzone der Stadt.

Es ist ein Ort, der sich für uns angenehm anfühlt. Viele Menschen sind hier auf den Straßen entspannt unterwegs. Die flachen, zweistöckigen Gebäude der Basarstraße sind im ursprünglichen Stil wieder hergestellt worden. Hier ist Leben. Die Geschäfte sind voller Waren, keine Autos, die uns über die Füße fahren, kein Müll, der herumliegt, viele Brunnen aus denen permanent frisches Trinkwasser sprudelt, die Silhouette der Berge, die immer wieder hinter den Gebäuden hervorgucken. Es ist eine Freude, hier entlangzulaufen.

die Gebäude der Basarstraße sind im ursprünglichen Stil wieder hergestellt worden

die Gebäude der Basarstraße sind im ursprünglichen Stil wieder hergestellt worden

hier wird der türkische Kaffee noch von Hand zubereitet und serviert

hier wird der türkische Kaffee noch von Hand zubereitet und serviert

Bald sitzen auch wir in einem der Cafés bei Torte und türkischem Kaffee, beobachten das Treiben um uns herum und lassen es uns gut gehen. Doch auch hier gibt es die Familien, die auf Pappkartons unter den Bäumen "ihr Zuhause" haben, deren Kinder in der Fußgängerzone herum streifen und dafür abgestellt sind, zum Lebensunterhalt der Sippe beizutragen. Wir wissen, dass wir in unseren kurzen Aufenthalten nur einen äußerst oberflächlichen Eindruck von dem tatsächlichen Leben und den Hintergründen hier bekommen können.

ein Leben auf der Straße

ein Leben auf der Straße

Kinder, die zum Lebensunterhalt der Sippe beitragen müssen

Kinder, die zum Lebensunterhalt der Sippe beitragen müssen

diese Roma-Familie "wohnt" auf einer Bank

diese Roma-Familie "wohnt" auf einer Bank

und überall streunende Hunde

und überall streunende Hunde

durch die Rugova-Schlucht

Als Bleibe für die Nacht haben wir uns einen Stellplatz in den Bergen oberhalb der Rugova-Schlucht ausgeguckt. Es ist später Nachmittag geworden. Wir fahren auf einer abenteuerlichen Straße in die Berge hinein. Zunächst noch am Hang gebaut, dann über Serpentinen den Hang erklimmend, führt die Straße nach Drelaj, unserem Zielort. Es geht unter überhängenden Felsen entlang, durch unbeleuchtete Natursteintunnel hindurch, die so niedrig sind, dass keine zwei Fahrzeuge aneinander vorbei passen, doch es gibt keine Ampel, die zeigt, ob der Weg frei ist.
Der spannendste Tunnel liegt in einer Kurve. Wir fahren ins Schwarze. Die Beleuchtung unseres Fahrzeugs wird von den rauen, dunklen Tunnelwänden schnell verschluckt. Immer den Blick gespannt nach vorne, ob ein entgegenkommendes Fahrzeug sichtbar wird.
"Genau, das muss ja passieren." Eine ganze Reihe von Autos kommt von vorne, und wir stehen mitten im Tunnel. Ich fahre soweit es mir die Tunneldecke zulässt an die Seite und bleibe stehen. Einer nach dem anderen tasten sich die entgegenkommenden Autos an uns vorbei, bis es wieder schwarz vor uns wird. Es kommt uns kein Licht mehr entgegen. Schnell wieder vorwärts, damit wir dieses Mal durchkommen. Die Kurve ist zu Ende, ich sehe das Ende des Tunnelausgangs, vor dem schon die nächste Wagenkolonne wartet. "Oh wie schön", denke ich mir. Unter den entgegenkommenden Fahrzeugen ist auch ein großer LKW. Wenn einem so einer im Tunnel begegnet, wird es richtig schwierig. Da haben wir wirklich noch mal Glück gehabt.

in der Rugova-Schlucht

in der Rugova-Schlucht

die Straße klammert sich an die Felsen

die Straße klammert sich an die Felsen

es geht durch enge Natursteintunnel

es geht durch enge Natursteintunnel

Vorsicht, wenn es eng wird

Vorsicht, wenn es eng wird

von hoch oben fallen die Bergbäche in die Tiefe

von hoch oben fallen die Bergbäche in die Tiefe

und immer wieder werden wir von in Deutschland lebenden Kosovaren freundlich angesprochen

und immer wieder werden wir von in Deutschland lebenden Kosovaren freundlich angesprochen

Drelaj, der Ort in den Bergen

Jetzt suchen wir den Weg nach Drelaj oberhalb der Schlucht. Wir wollen zum "Guest House Bujtina Kaçaku". Das Internet ist ausgefallen, und es gibt auch keine Hinweisschilder, denen wir folgen könnten. Wir stehen etwas abseits der Straße, überlegend wie wir unseren Weg finden können, da hält ein blank polierter schwarzer BMW vor uns. Der Fahrer spricht mich auf Deutsch an, ob er mir helfen könnte. Leider kennt er unser gesuchtes Guest House nicht, kann uns aber sagen, dass wir an der Mineralwasserfabrik von der Straße durch die Schlucht abbiegen müssen.
Bevor er weiterfährt sagt er noch: "Ich bin der Eigentümer des Hotels "Panorama", weiter unten in der Schlucht. Wenn Ihr es nicht findet, kommt bei mir vorbei."
Das ist ja freundlich von ihm., Jetzt haben wir zumindest einen Plan "B", dem wir folgen könnten, falls etwas schief geht.

Es geht nichts schief. Wir können uns behelfen, indem wir den kleinen blauen Punkt unseres aktuellen Standortes auf dem Handy verfolgen und immer die Straße nehmen, die den Punkt in die richtige Richtung gleiten läßt. So kommen wir nach etlichen Steigungen und Kehren und zweimaligem Umkehren auch ohne Internetverbindung in Drelaj an.

Jetzt sitzen wir bei einem Glas Quellwasser mit Visar vor seinem
"Guest House Bujtina Kaçaku" und blicken in die alpinen Berge des Kosovo. Visar hat dieses Guest House vor ein paar Jahren gebaut. Sein Grundstück liegt direkt am "Peaks of the Balkan Trail", einem Wanderrundweg, der den Kosovo, Albanien und Montenegro miteinander verbindet und über zahlreiche Berggipfel führt.
Visar spricht fließend Deutsch. Er hat mit seiner Familie lange Zeit in Deutschland gelebt und gearbeitet. Er liebt Deutschland, doch leben möchte er jetzt lieber hier in seiner Heimat.

jetzt sitzen wir mit Visar vor seinem "Guest House" und blicken in die alpinen Berge des Kosovo.

jetzt sitzen wir mit Visar vor seinem "Guest House" und blicken in die alpinen Berge des Kosovo.

das Haus von Visar

das Haus von Visar

Wir fragen nach den Unruhen, die bei uns immer wieder in den Nachrichten verbreitet werden.
Visar erklärt uns, dass diese nicht im ganzen Land, sondern nur in den nördlichen Grenzgebieten aufflammen, wo die dort lebenden Kosovo-Serben und Kosovo-Albaner sich darum streiten, wer im Land das Sagen hat.
"Im Grunde ist der Kosovo ein sicheres Land."
Er findet es gut und wichtig, dass die KFOR Truppen im Land für Ordnung sorgen. Lange sitzen wir noch mit ihm zusammen, blicken über das Tal und tauschen gegenseitig unsere Erfahrungen aus. Jetzt sind wir wirklich froh darüber, dass wir doch noch in den Kosovo gefahren sind.

Visar, sein Bruder und die Mutter der beiden

Visar, sein Bruder und die Mutter der beiden

© Michael Bünte, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Italien, Kroatien, Montenegro nach Albanien. Dieses ist der Bericht unserer zwölfwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 15.05.2023
Dauer: 12 Wochen
Heimkehr: 06.08.2023
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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