2023 Mit einem Geländewagen durch Albanien und Nordmazedonien

Reisezeit: Mai - August 2023  |  von Michael Bünte

In den Bergen im Süden: Entlang der Lengara-Schlucht

Durch den Canyon

Heute wollen wir durch den Langara-Canyon laufen. Es gibt dort zwar keinen offiziellen Wanderweg, aber mit dem richtigen Schuhwerk soll man bis zu der nächsten Brücke am Anfang der Schlucht gelangen, und von dort aus auf einem markierten Wanderweg zurück zu den Thermalquellen kommen können. Als "richtiges Schuhwerk" packen wir leichte Laufschuhe ein. Vorsichtshalber nehmen wir aber auch noch die wasserfesten Badeschuhe mit, die wir eigentlich wegen der Seeigel im Meer mitgenommen hatten.
Bei der Steinbogenbrücke verlassen wir den Weg. Wir klettern in das Flussbett, und an diesem entlang, bis die Felsen so steil werden, dass wir nicht mehr hinüberklettern können. Jetzt müssen wir die Seite wechseln.

Es gibt zwar viele Findlinge im Fluss über die man herüber klettern könnte, aber die werden so stark von dem milchig trüben Wasser umspült, dass wir wohl oder übel auf unsere Badeschuhe zurückgreifen müssen. Also Wanderschuhe wieder eingepackt, Badeschuhe an, und rein in den Bach. Wir haben Glück, dass die Strömung bei diesem Wasserstand nicht so stark ist, dass uns die Füße weggerissen werden.

bei der Steinbogenbrücke verlassen wir den Weg

bei der Steinbogenbrücke verlassen wir den Weg

es gibt viele Findlinge im Fluss, aber bei diesem Wasserstand kann man trockenen Fusses nicht queren

es gibt viele Findlinge im Fluss, aber bei diesem Wasserstand kann man trockenen Fusses nicht queren

Seitenwechsel

Seitenwechsel

Der Grund des Flusses besteht zum Teil aus grobem Kies, auf dem wir gut voran kommen, teils aus dicken runden Findlingen, die aber nicht glitschig sind, und deshalb keine Gefahr besteht, auszurutschen.
Wir kommen nur langsam voran. Zum Einen, weil die erste Flussdurchquerung nicht die einzige bleibt. Alle 100 Meter, manchmal auch schon nach 20 Metern, also bei jeder Richtungsänderung des Flusses müssen wir auf die andere Seite, manchmal einfach, manchmal kompliziert, manchmal ist es ein Gang ins Ungewisse, weil wir nicht wissen, ob der Grund fest ist, auf den wir treten, oder ob wir in ein Schlickloch geraten in dem einem die Füße in die Tiefe gezogen werden und man zusehen muss, nicht die Schuhe zu verlieren.
Tiefer und tiefer wandern wir in die Schlucht hinein. Es geht in engen Windungen zwischen den immer höher aufragenden Felsen hindurch. Große Höhlen blicken uns aus ihren leeren Augen an. Die Felsen stehen jetzt so dicht zusammen, dass wir den Himmel kaum noch sehen können. Vor uns wirken die überhängenden Felsen wie eine geschlossene Wand, durch die es kein Durchkommen gibt. Und doch erscheint nach wenigen Schritten ein neuer Blickwinkel und ein weiterer Durchgang tut sich auf. Es hallt laut, wenn wir auf einen kippeligen Stein getreten sind. Das Rauschen des Wasser vervielfacht sich durch das Echo an den hohen Wänden.
"Wie hoch mögen die Felswände über uns sein?"
Wir schätzen sie so auf 200 bis 250 Meter. Die schmalste Stelle zwischen den Felswänden soll nur 16 Meter betragen. Kein Wunder, dass hier unten plötzlich ein kühler Luftstrom entlang streicht. Uns fröstelt. Plötzlich wird das Rauschen lauter. Quirliges Wasser hüpft über grobe Kiesel von rechts in den Fluss hinein. Es riecht stark nach Schwefel. Wir queren erneut den Fluss. An den Füßen spüren wir eine wohltuende Wärme. Eine warme Quelle oberhalb des herabrauschenden Wassers. Auch hier haben findige Menschen das aus dem Berg strömende Wasser in einem Steinbecken zurückgehalten und man kann in einen kleinen Pool steigen, der mit einer milchig-blauen, stark nach Schwefel duftender Flüssigkeit gefüllt ist.
Das ist auch der Grund, aus dem wir hier nicht alleine sind. Einige Handtücher liegen über den Steinen. Weiße Papiertücher finden sich am Rand und auf den schmalen Pfaden in den Wald.
Für uns ist es zwar hübsch anzusehen, aber durch viele Menschen, die es nicht schaffen, ihre Hinterlassenschaftten wieder mitzunehmen, leider sehr verdreckt. "Schade, warum ?".

die schmalste Stelle im Canyon beträgt nur 16 Meter

die schmalste Stelle im Canyon beträgt nur 16 Meter

wir schätzen die Felswände auf 200 bis 250 Meter

wir schätzen die Felswände auf 200 bis 250 Meter

ein Wasserfall stürzt sich zu uns herab

ein Wasserfall stürzt sich zu uns herab

auch hier weiter oben im Flussbett hat man Becken für weitere Thermalquellen angelegt

auch hier weiter oben im Flussbett hat man Becken für weitere Thermalquellen angelegt

Wir wandern weiter, kommen an weiteren Höhlen vorbei, ein Wasserfall stürzt sich von hoch oben in vielen Kaskaden zu uns in die Tiefe. Teilweise zerspritzen die Tropfen in alle Richtungen, vereinen sich in Felsrinnen wieder und fallen wieder in die Tiefe, bis sie auf einer breiten Felsenplatte vollends auseinanderdriften und diese vollständig mit einem dünnen Film benetzen. Vor uns haben sich die vielen Tropfen wieder gesammelt und bilden ein munteres Bächlein, das über einen Felsvorsprung den letzten Meter in die Tiefe hüpft.

Viel weiter kommen wir nicht durch die Schlucht. Unser Weg endet an einem von beiden Seiten mit senkrechten Felsen begrenzten Wasserloch, das so tief ist, dass wir schwimmen müssten, um auf die andere Seite zu gelangen. Schon vor den Felsen bleiben die Füße schmatzend im Schlick stecken und werden in die Tiefe gezogen. Also, nichts wie raus hier und den Rückzug angetreten.
Bei Beginn der Dämmerung erreichen wir wieder die Steinbogenbrücke und den Thermalpool. Keine Frage, dass wir nach diesem Tag noch einmal hineinspringen, bevor wir in unsere Koje kriechen.

hier ist für uns die Wanderung im Flussbett zu Ende

hier ist für uns die Wanderung im Flussbett zu Ende

zwei Schmetterlinge im Liebesspiel

zwei Schmetterlinge im Liebesspiel

über die Felsen oberhalb der Schlucht

Wir bleiben noch einen Tag länger, denn wir wollen uns die Lengara-Schlucht auch noch von oben ansehen. Das obligatorische Bad im Pool haben wir schon um halb 7 absolviert. Ein Pärchen war mit uns gemeinsam dort. Der Ansturm kommt erst gegen 9 Uhr.

Als wir jetzt am Thermalpool vorbei kommen ist dort richtig viel Betrieb. Es geht zwar friedlich zu, doch man steht dort ganz schön dicht; und das jetzt in der Nebensaison.
Auch die kleinen Nebenbecken sind voll.

Wir wandern an der Steinbogenbrücke vorbei einen steilen Pfad hinauf, an Karsthöhlen vorbei. Nach wenigen Metern tropft uns der Schweiß vom Gesicht. Es ist heiß. Gut, dass wir ausreichend Wasser mitgenommen haben.

tagsüber ist der warme Pool ordentlich besucht

tagsüber ist der warme Pool ordentlich besucht

Blick aus einer Karsthöhle auf den Pool

Blick aus einer Karsthöhle auf den Pool

Zunächst ist der Weg nach oben ausgetreten und gut zu finden. Weiter oben am Berg, wo Ziegenherden hunderte von Pfaden gelegt haben, stehen kleine Steinmännchen (Türmchen aus wenigen aufeinander geschichteten flachen Steinen), die uns den Weg weisen.
Es geht an Felsverwerfungen vorbei, durch ausgetrocknete Bachbette hindurch und durch hartes, trockenes Unterholz.
Es raschelt vor mir, nur eine kleine Bewegung in den Augenwinkeln. Ich bleibe starr stehen. Langsam gewöhnen sich meine Augen an den hellen Sonnenstrahl nachdem ich aus dem Unterholz ins Licht getreten bin. Und da liegt sie. Eine Schlange hatte sich zum Sonnen auf einem Felsen mitten auf dem Pfad zusammengerollt. Ich kenne diese einarbig braune Schlangenart nicht, weiß nicht, ob sie giftig ist, ob sie angreifen wird, weiß nur, dass es keine Kreuzotter ist.
Bei meiner nächsten Bewegung entrollt sie sich ohne Hast, aber mit schneller, fließender Bewegung. Dann verschwindet sie im dichten Buschwerk.

die Wegmarkierungen von anderen Wanderern sind nicht immer ganz eindeutig

die Wegmarkierungen von anderen Wanderern sind nicht immer ganz eindeutig

Höhlen auf der Hangseite im Karstgestein

Höhlen auf der Hangseite im Karstgestein

Jetzt laufen wir über große Steinfelder. Den Weg, den wir eigentlich gehen wollten, haben wir verloren. Zu viele freundliche Leute haben hier oben am Berg "Steinmännchen" aufgeschichtet.
Es gibt keine eindeutige Richtung mehr. Wir wandern jetzt querfeldein, immer auf eine Stromleitung zu, in der Hoffnung, dass wir dort auf einen Weg treffen würden. Nur nicht die Richtung aus den Augen verlieren, aus der wir gekommen sind. Eigentlich ist es relativ einfach. Wir müssen nur bergab gehen.
Das Problem ist nur, dass wir auch an einem steilen, über 100 Meter tiefen Felsabhang landen können, der sich hinter dem nächsten Busch auftun kann.
Wir treffen ein Paar aus Holland, die ebenso wie wir hier oben ohne Orientierungspunkte über die Felsen laufen. Sie kommen aus der entgegengesetzten Richtung. So können wir ihnen helfen, den Weg mit den "Steinmännchen" zu finden, und sie können uns sagen, wie wir immerhin zu einem der Felsen hoch über der Lengara-Schlucht finden, von dem aus man tief in die Schlucht hineinsehen kann.

tief unter uns liegt die Lengaricë im Canyon

tief unter uns liegt die Lengaricë im Canyon

überbordende Blumenwiesen auf den Karstfelsen

überbordende Blumenwiesen auf den Karstfelsen

eine Blüte mit sechs Blättern ist selten wie ein vierblättriges Kleeblatt

eine Blüte mit sechs Blättern ist selten wie ein vierblättriges Kleeblatt

auf dem nicht gekennzeichnete Weg durch ein ausgetrocknetes Bachbett

auf dem nicht gekennzeichnete Weg durch ein ausgetrocknetes Bachbett

wieder zurück bei der Steinbogenbrücke

wieder zurück bei der Steinbogenbrücke

© Michael Bünte, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Italien, Kroatien, Montenegro nach Albanien. Dieses ist der Bericht unserer zwölfwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 15.05.2023
Dauer: 12 Wochen
Heimkehr: 06.08.2023
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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