Down Under - von Perth nach Darwin im Motorhome
Tag 10 - Cervantes mit magischem Sunset
Ein Blick zum Fenster hinaus offenbart wiederum einen wolkenverhangenen, grauen Himmel. Das geht mir langsam auf den Keks und so mache ich meinem Unmut laut Luft, was Jürg wieder einmal zu einem müden Augenrollen veranlasst. Doch wenigstens ist es angenehm warm, so dass wir draussen frühstücken können.
Jürg hat ein wenig Rückenschmerzen. Während ich den schmuddligen Picknicktisch putze und das Frühstück parat mache, macht er sich zu einem Spaziergang auf. Als wir unser Frühstück geniessen, brechen die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken und meine Laune bessert sich zusehends.
Auf dem Highway 1 verlassen wir das Swan Valley. Ein Weinkellerei nach der andern säumt den Highway und das Auge erfasst endlos lange Weinrebenfelder. Es ist ein berühmtes Weingebiet und am Besten bucht man wirklich eine Bustour für Degustationen, denn mit dem Auto müsste man ziemlich weit von Weingut zu Weingut fahren. Grosse Schilder der Polizei machen immer wieder auf den maximal erlaubten Promillewert aufmerksam. Verständlich...
Langsam verlassen wir das zivilisierte Gebiet und gelangen in eine landwirtschaftlich dominierte Gegend mit vielen Schaf- und Kuhfarmen. Auch diese endet irgendwann und wir fahren durch eine Weite, die von Feldern, hohen Eukalyptusbäumen und zahlreichen Sträuchern gesäumt ist. Oftmals verläuft der Highway schnurgerade und Hügelzüge lassen uns achterbahnartig rauf und runter fahren.
In Gin Gin biegen wir vom Highway 1 ab und fahren ins kleine Dorf hinein, wo wir in einem IGA unsere Vorräte aufstocken. Die nächsten hundert Kilometer darf ich fahren. Nach rund 170 Kilometern erreichen wir die Abzweigung nach Cervantes. Hier übernimmt Jürg wieder das Steuer. Der Highway wird auf Nebenstrassen immer wieder deutlich schmäler mit hohen Absätzen am Strassenrand. Dafür fühle ich mich noch nicht fit genug.
Vor uns liegt eine weite malerische Ebene. Am Horizont leuchten uns weisse Sanddünen entgegen. Doch der Highway wurde nicht etwa quer hindurch gebaut. Mal gehts links, dann wieder rechts, dann wieder links. Irgendwie jagt man uns kreuz und quer hindurch bis wir endlich Cervantes erreichen.
Kurz vor Cervantes stellen wir fest, dass wir eigentlich eine schönere Route hätten fahren können. Der Highway 60 hätte uns am Meer entlang geführt. Auf meiner Karte von 2011 ist diese Strecke aber noch als unbefestigt eingezeichnet. In den letzten zwei Jahren hat man diesen Highway anscheinend geteert. Tja, aktuelle Strassenpläne sollte man mitnehmen!
Nach rund 200 Kilometern Fahrt erreichen wir unseren Ort für die nächsten zwei Tage, Cervantes. Wir fahren bis ans Meer hinunter und erblicken hier unseren Campingplatz. Der Ort selber ist nicht spektakulär. Er wurde erst 1962 gegründet aufgrund eines expandierenden Felsenhummerfangs. Heute ist Cervantes aber für den Tourismus wichtig, da sich in der Nähe der bekannte Nambung Nationalpark befindet. Dies ist ja auch der Grund, dass wir hierher kommen.
Der Pinnacle Caravan Park liegt malerisch nur etwa hundert Meter vom Strand entfernt. Wie so viele Caravan Parks haben auch hier viele permanente Camper ihre Festplätze, gut zu erkennen am Puff ums ganze Häuschen. Man hat dann wirklich all seine Spielzeuge bei sich von Boot bis Fahrrad, vom grossen Barbequegrill bis Fernsehgerät. Daneben hat es dann Plätze für Touristen wie uns und wie so üblich, werden wir beim Einparken von neugierigen Augen beobachtet. Man möchte ja wissen, was für komische Käuze sich da wieder einnisten.
Unser Platz befindet sich gleich vis-à-vis vom Wasch- und Toilettenhaus. Hinter uns befindet sich eine ganze Reihe von permanenten Motorhomes und aus einem Garten davor erschallt fröhliches Gelächter und lautes Geplauder. Doch es sind nicht etwa junge Leute, die Party machen sondern Senioren, die irgendein Spiel spielen und dabei lauthals lachen und grölen. Wir finden das zu lustig...
Der schöne Nachmittag lädt zu einem Spaziergang ein. Die Rezeption des Campingplatzes besteht auch aus einem kleinen Laden und einem Restaurant. Wir kaufen uns Eiscrème und spazieren hinunter an den Strand. Dort erblicken wir nördlich wunderschöne Ferienhäuser und teure Villen. Im Hafen sieht man viele Fischerboote. Dank einem Mix aus Wolken und Sonne hat das ruhige Meer eine wunderbare hellgrüne und bläuliche Färbung, auch ist das Wasser ein wenig wärmer als südlich von Perth. Die Sonne brennt schon recht heiss hinab und es wird angenehm kühler sobald sie hinter Wolken verschwindet.
Lange laufen wir südwärts den Strand entlang. Der Strand wird von trockenem Seegras überhäuft, was zum barfuss laufen nicht grad angenehm ist. So spazieren wir öfters im seichten Wasser.
Um eine Biegung herum erreichen wir eine weitläufige Sandbank. Da es hier kein Seegras gibt, ist der schneeweisse Sand wunderschön und wir geniessen den Anblick aufs Höchste. Die Flut hat kleinere "Badewannen" mit Wasser gefüllt zurückgelassen und kleine Kinder toben sich dort ausgiebig aus. Mama sitzt neben ihrem 4x4 Auto und liest auf dem Campingstuhl. Das ist doch ein schöner Familiensonntag!
Irgendwann nach einer guten Stunde kehren wir um und spazieren wieder durchs Wasser zurück zu unserem Ausgangspunkt. Zurück beim Camper machen wir es uns neben dran gemütlich, geniessen ein Glas Wein, lesen oder unterhalten uns mit Senioren. Da wir uns genau zwischen den Party-Senioren und dem Toilettenhaus befinden, durchqueren immer wieder Leute unseren Platz und viele plaudern auch gerne. So erfahren wir, dass sie eine Reisegruppe aus Perth sind, die alle Jahre für ein zwei Wochen hier nach Cervantes gemeinsam in die Ferien kommen. Und da gehe es halt feucht-fröhlich zu und her. Das hören wir! Wir finden es aber toll.
Um vier Uhr gibt es bei uns Abendessen, was gewisse Senioren leicht erstaunt zur Kenntnis nehmen. Bratkartoffeln, Kalbsplätzli und Pfirsiche aus der Dose sind unser heutiger kulinarischer Höhepunkt. Danach geht die Sonne schon langsam dem Horizont zu und ich ahne, dass es einen Mega-Sunset geben muss. Jürg ist zu faul nochmals an den Strand zu kommen und so packe ich meine Kamera und düse alleine hinunter.
Auf unseren zahlreichen Reisen haben wir ja schon viele Sonnenuntergänge erlebt. Was ich aber hier erblicke übertrifft selbst die Afrika-Sunsets! Langsam schiebt sich die Sonne farbenfroh dem Horizont zu und die vielen Schleierwolken beginnen die herrlichsten Farben anzunehmen. Von Gelb geht es zu Orange, von Rot zu Rosa. Die Fischerboote bieten einen hervorragenden Vordergrund. Als die Sonne verschwunden ist, fängt der Himmel Feuer und glüht in den unglaublichsten Farben. Über den schönen Ferienvillen leuchtet ein strahlendes Pink und über dem Meer brennt der Himmel wie Feuer. Meine Kamera kommt nicht zur Ruhe und ich kann mein Glück kaum fassen eine solche Abendstimmung erleben zu dürfen.
Als das abendliche Feuerwerk langsam abnimmt, kehre ich zurück zu Jürg und versuche ihm klarzumachen, dass er grad den eindruckvollsten Sunset seines Lebens verpasst habe. Da er auch ein wenig vom Himmel erblicken konnte, weiss er dies wohl. Aber nur nicht zugeben...
Es dunkelt sehr schnell. Wir sitzen beide draussen und erfreuen uns an den Geräuschen der Nacht. Die Seniorenparty ist vorbei. Wir staunen sowieso wie schnell dass es auf den Campingplätzen ruhig wird. Die Grillen zirpen und ab und zu hört man ein verdächtiges Rascheln im Unterholz. Jürg liebt es einfach dazusitzen und alles auf sich wirken zu lassen. Solche Momente erinnern ihn an seine Jugend, die er im Urlaub mit seiner Familie immer am Murtensee auf einem Campingplatz verbracht hat. Da ich gerne lese trotz Dunkelheit, montiere ich Jürgs Stirnlampe. Sieht zwar ulkig aus, aber man kann trotz Finsternis gut damit lesen. Was für ein schöner Abend!
Aufbruch: | 04.04.2013 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 16.05.2013 |