4 Monate Suzhou in China

Reisezeit: Februar - Juni 2007  |  von Sandra in China

Verkehr: mit dem Fahrrad und zu Fuß

In Suzhou gibt es noch breite Fahrrad-, bzw. wohl eher Elektrorad-Wege, wo allerdings auch viele Fußgänger gehen, weil die Bürgersteige zu schmal oder mit parkenden Rädern vollgestellt sind. In Shanghai ist dafür kein Platz mehr, in anderen größeren Städten auch nicht.
Bei Dunkelheit haben die wenigsten Zweiräder ihr Licht eingeschaltet - denn das würde doch die Autofahrer irritieren und man munkelt, es sei sogar verboten. Andere Länder, andere Sitten - einmal regnete es abends und ich überquerte die Straße auf einem Zebrastreifen, war schon auf der Straßenmitte und richtete meinen Blick nach rechts. Aber von links wurde ich dann von einem elektrischen Zweirad in rasender "Schleichfahrt" fast erwischt!!!
Das erste Mal war ich ja in Hangzhou glücklich Fahrrad gefahren. Als es jedoch dunkel wurde, wir kein Licht am Rad hatten, wollte ich sicherheitshalber auf dem Bürgersteig fahren als auf der Straße. Fast zum Ende unserer Tour (etwas verfahren auf dem Rückweg) fuhr ich an einer Straßenmündung vorbei, als sich mir Bruchteile später das Herz zusammenzog. In Gedanken sah ich im Nachhinein mein Gehirn über die Straße spritzen und AUS... - da wollte ein Minibus in voller Fahrt nach rechts abbiegen, nicht hinter mir (was aufgrund meiner Geschwindigkeit nur zu einem geringen Abbremsen seinerseits geführt hätte), sondern ganz chinesisch vor mir. Ich bemerkte den Minibus erst, als er direkt neben mir war und stark bremste, dann doch hinter mir abbog, aber schon auf die Gegenspur kam.
Und das begegnet einem als schwächstes Mitglied im Verkehr - man muss gefälligst selbst aufpassen, wenn man eine Einbiegung oder Straße überquert.

In Suzhou kann man aber ganz gut Fahrrad fahren und das habe ich auch zweimal gemacht, nachdem ich einen Fahrradverleih gefunden hatte. Erstmal erkundigen und als ich dann wie versprochen am Wochenende drauf wiederkam, war die Besitzerin so erfreut mir ein Fahrrad verleihen zu können, dass es auch nicht schlimm war, dass ich nicht den vollen Kautionsbetrag dabei hatte. Am Ende wurde großzügig abgerundet, obwohl der Preis von 1,5 Yuan wirklich arm macht! Und zu Hause musste ich dann auch noch feststellen, dass ich den Schlüssel nicht abgegeben hatte, weil ich erst noch ein Pläuschen mit ihr über meine Tagesroute hielt. Aber in ihrer Antwort-SMS stand dann, es sei nicht so schlimm, sie hätten noch einen zweiten Schlüssel und ich könne ihn abgeben, wenn ich das nächste Mal in der Stadt sei. Wie nett! Viele Wochen später war ich noch mal da, da wollte sie mir einen besonderen Deal anbieten, aber meine Tage in China waren bereits gezählt, weshalb ich mich nur verabschieden konnte.
Ich hab es einmal auf fast 5 gefahrene Stunden gebracht und bin einmal um die alte Innenstadt. Der Sattel war schon auf maximaler Höhe, aber noch zu klein. Mein Po tat selten so weh Beim Verfahren in den kleinen huckeligen Gassen denke ich, dass ich das alte Suzhou noch kennen lernen konnte. Andere Ausländer sind mir da eigentlich nicht begegnet!

Erst wurde mir erzählt, dass uns Ausländern im Verkehr sowieso nichts passieren würde, da es für den Fahrer viel zu teuer wäre, einen Personenschaden zu verursachen. Allerdings fühlte ich mich oft nicht anders als die angehupten Chinesen. Aber auch so, wenn ich mitten auf der Straße ging und die Autos erst hupen ließ, bis ich an den Rand ging Jeder hat das Recht auf seinen Platz im Verkehr und deshalb auch oft mitten auf der Straße. Die Straße, besonders die stark befahrenen und an Stellen ohne Fußgängerampeln, überquert man am besten in einer Gruppe anderer Fußgänger, da hat man einen natürlichen Puffer - man weiß ja nie!

Sehr "unfreundlich" fand ich die Tatsache, dass ich bei Grün nicht sicher über den Zebrastreifen gehen konnte, da die Rechtsabbieger immer fahren dürfen und man so auch deswegen noch aufpassen und anhalten muss. Da gelobe ich mir die vielen sicheren Rechte eines deutschen Fußgänger "back home"! Ein Zebrastreifen hat sowieso keine andere Bedeutung als weiße Farbstreifen auf schwarzem Teer! Wie alle anderen Fahrbahnmarkierungen auch. Mensch, die Gegenspur ist für alle da. Licht/Hupe bremst den Gegenverkehr schon rechtzeitig aus.
Und der Schilderwald in Deutschland hat bestimmt seine gute Begründung. Hier gibt es wesentlich weniger, aber wenn dann mal eins da ist, übersieht man es auch gerne. An der Uni gibt es eine Autobahnauffahrt HINTER der Brücke. Der weiße Pfeil auf Blau deutet an, dass man hinter den Pfeilern erst links abbiegen soll (die Ampeln waren noch nicht in Betrieb), aber da es sowieso schon einen Autoknoten gab, wurde mit mir auch schon vor dem Pfeiler in den Gegenverkehr abgebogen. Schilderwälder gibt es alle 50 Meter zu beiden Seiten der Autobahnen - Werbung. So muss Amerika sein!?!?

Am Anfang meiner Zeit bin ich einige Male kurz hintereinander an einer befahrenen Straße entlang gegangen bis ich bald merkte, das ich keine Luft mehr bekam. Gut, dass ich dann in den Bauch atmen konnte, bis sich zurück in der Wohnung nach einer viertel Stunde meine Lunge wieder entspannte. Die Luft ist so schlecht an den Straßen, dass es vielleicht kein Wunder ist, wieso so viele Menschen rotzen - ich habe nachher kein essfertiges Obst mehr in einem offenen Laden gekauft.
Ein wenig genervt und fast schon aggressiv reagierte ich einmal auf dem Campus mit lauten verärgerten Ausrufen, als ein Auto rückwärts aus einem Parkplatz herausfuhr und mich nicht kommen sah (weil man darauf eigentlich nicht achten muss). Ich hatte aber vollbepackt und bei der Hitze keine Lust, anzuhalten und nach empörten Rufen, stoppte das Auto tatsächlich kurz bevor es mich schon fast berührt hätte. Argh, das brauch ich echt nicht! Manchmal hätte ich ihnen gerne das Lenkrad aus der Hand genommen - und vielleicht kann ich ja eine Fahrschule aufmachen!?!?

© Sandra in China, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
DaF-Tours betreibe ich ja schon seit Beginn meines Deutsch-als-Fremdsprache-Studiums und diesmal ist halt China dran. Immer im Zeichen der deutschen Sprache :-) Suzhou gilt als das Venedig des Ostens und liegt 150km landeinwärts und westlich von Shanghai. Guckt mal unter Google-Earth. Mit DaF um die Welt...
Details:
Aufbruch: 07.02.2007
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: Juni 2007
Reiseziele: China
Der Autor
 
Sandra in China berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.