4 Monate Suzhou in China

Reisezeit: Februar - Juni 2007  |  von Sandra in China

Abschied nehmen können sie nicht...

... oder doch!
Auf einmal ist die Zeit schon um und all die Pläne noch gar nicht vollständig umgesetzt. So war es natürlich auch bei mir und meine letzte Woche artete in absoluten Stress aus - noch eine Reihe Abschiedsessen und Unterricht bis zum vorletzten Tag!
Freitags: Mit meinem chinesischen Chef wollten wir auch in größerer Rund essen gehen, aber wieder waren alle ausgeflogen oder krank, weshalb wir nur zu dritt waren - Chef und Kollegin und ich. Und da netterweise mit den bestellten Fleischgerichten auf meine Essgewohnheiten Rücksicht genommen wurde, konnte ich sehr viele leckere und immer wieder neue Gerichte probieren. So eine Vielfalt hätte ich alleine nie bestellen können - da ist Insiderwissen gefragt. Da es an diesem Tag so schwül war, schaffte ich mein 0,6l-Bier nicht!!! Und der Bauch war selten so unangenehm ausgelastet und voll gestopft, wie nach diesem herrlichen Essen. Die Rückfahrt zum Campus verlief nach dem Aussteigen meiner Kollegin leider sehr wortarm - verdammte Sprachbarriere beiderseits. Später saß ich ziemlich "besoffen" am Schreibtisch und hätte am liebsten ein Nickerchen gemacht

Samstag: letzte Besorgungen in der Stadt machen, Sonntag den ganzen Tag prüfen. Montag dann lud mich mein "neuer deutscher" Chef zum HotPot ein. Es hatte zum 1.6. ein Wechsel in der Leitung des Instituts von deutscher Seite aus gegeben und der Neue war ein "alter Bekannter". Er hatte in meiner Uni BWL studiert und war als Muttersprachler oft im Chinesischunterricht, den ich vor meiner Reise besucht hatte. Und dann wurde er nach seinem Abschluss übernommen und ging freiwillig als "brain-gain" zurück nach China. Für mich eine Überraschung ihn überhaupt in China treffen zu können, aber eine unterhaltsame Angelegenheit - weil er noch der "deutscheste" Chinese war, den ich dort getroffen habe! Ebenfalls mit meiner Kollegin und nur ihm trafen wir uns in kleiner Runde in dem besten HotPot-Restaurant, wo ich schon einmal an Manuels Geburtstag gegessen hatte. Und wieder war es sehr lecker, tolle Atmosphäre und diesmal wurde ich auch in die Saucen-Theke eingeweiht, was das Gegarte noch leckerer machte - aber ganz wichtig waren wieder die kleinen gekochten Wachteleier, die schon bald von allen nett herausgefischt wurden und dann auf meinem Teller landeten

ein Wachtelei, das mit Stäbchen nicht so easy aus der HotPot-Flüssigkeit zu fischen ist - flutsch

ein Wachtelei, das mit Stäbchen nicht so easy aus der HotPot-Flüssigkeit zu fischen ist - flutsch

In meiner letzten Woche zeigte sich in mir alles, was mittlerweile chinesisch geworden war - aber siehe da, es fiel bei mir als Ausländerin gleich unangenehm auf. Ich hatte noch eine Scheibe Melone vom Nachtisch mit auf die Straße genommen und miss nun die Schale an den Stamm eines kleinen Baumes. "Aber das macht man doch nicht" - naja, also bitte, gleich bei Sonnenaufgang kommt ein kleiner fegender Chinese, der das gute Stück ordnungsgemäß entsorgen wird. Immerhin kann man das ja im Gegensatz zu klebrigem Rotz auf dem Bürgersteig! Ein anderes Mal hatte sich Alex beschwert, ich solle nicht die Kastanienschalen auf den Boden fallen lassen - ja, aber sein Zurück-in-die-Tüte-Gespucke führte dazu, dass die Papiertüte mit frischen Kastanien aufweichte und sich die guten mit den schlechten Resten in der Plastiktüte drum herum mischten - essen impossible.

darf ich vorstellen, meine Kollegin Zhao Ren

darf ich vorstellen, meine Kollegin Zhao Ren

Und dann sollte ich das größte Abschiedsessen haben, was schon am nächsten Tag stattfand. Eigentlich wollte ich eine kleine Party mit meinen jüngeren Studenten machen, aber irgendwie hatten sie sich zu einem gemeinsamen Abendessen entschieden - was auch total toll war: Es fand im kleinen Restaurant an der Uni statt, es gab lokales Essen, ein großes "Saufgelage" und eine Riesenschweinerei auf dem Tisch - also alles normal. Auch wenn alle Gerichte zu Beginn bestellt werden, kommen sie nach und nach an den Tisch - salzig wird mit süß (für mich ja der ideale Nachtisch) gemischt.

Victory nicht vergessen: vorne ein scharfe Eintopf mit u.a. Schweinehaut und links davon (nach vorne hin) leckere süße kleine Klößchen

Victory nicht vergessen: vorne ein scharfe Eintopf mit u.a. Schweinehaut und links davon (nach vorne hin) leckere süße kleine Klößchen

Und da das meiste Essen in einer Art Kochsud angeboten wird und sich ja jeder aus der Mitte mit seinen Stäbchen nimmt, was er gerade will, tropft es ordentlich. Wir hatten eine dünne Plastiktischdecke auf unserem Tisch, die nachher einfach mit samt den Resten zusammengerafft wird und in den Müll wandert.

das Bier wirkt, der Tisch ist schon pitschnass vom Schlabbern

das Bier wirkt, der Tisch ist schon pitschnass vom Schlabbern

Zum Trinkgelage kam es, weil die Studenten unter sich auch munter feierten und miteinander anstoßen wollten - und immer wieder und auch mal mit mir. Und all die Fotos erst...
Und von den Essmanieren musste ich mich auch mal so verhalten, wie ein Chinese: auf den Tisch, bzw. in eine Schale etwas zurückspucken - buah, es gab eine Art flüssigen Eintopf - sowohl mit Chinakohl aus als auch Schweinehaut. Ich fragte noch und war wegen der komischen Konsistenz misstrauisch, kaute aber eine kurze Weile (schon angewidert) drauf rum - als aus dem angepriesenen Kohl doch Schweinehaut wurde (eine Studentin zog sich die Haut am Arm hoch um das fehlende Wort zu ersetzen). Allesfresser - ohne mich wieder raus damit!

Ganbei - leere das Glas!

Ganbei - leere das Glas!

davon gibt´s noch viele andere

davon gibt´s noch viele andere

Eine Studentin hatte dann wohl auch noch so viel Bier getrunken, dass ihr etwas komisch war. Sie wurde aber lieb von ihrem Freund betreut. Ich hatte mich ja immer wieder danach erkundigt, ob sie denn am nächsten Tag früh Unterricht hätte und jetzt bald (zwischen 20 und 21Uhr) auf ihre Zimmer gehen würden. Ein bisschen verantwortlich für den Abend fühlte ich mich ja doch!

mir wurde langsam zu warm unter meiner längeren Matte -immer mal wieder mit Kurzzeit-Zopf

mir wurde langsam zu warm unter meiner längeren Matte -immer mal wieder mit Kurzzeit-Zopf

Ich hatte am nächsten Morgen nur einen Termin im Nagelstudio, um mir passend zu meinem neuen chinesischen Oberteil die Nägel gestalten zu lassen und das ganze am Abiball meiner Schwester zu präsentieren.

An anderer Stelle konnten dann einige doch nicht so richtig Abschied nehmen, oder nicht so, wie es mir vorgestellt hätte!
Meine Tanzfreundin Zhu Yipu sah ich noch zum Mittagessen, aber am Donnerstag selbst war sie auch schon auf dem Weg nach Hause. Aber unser Abschied lief gänzlich ohne Umarmungen oder dergleichen ab - weil wir dachten, wir würden uns vielleicht doch nochmal sehen. Meine Kollegin Zhao Ren hatte ich Donnerstagmittag noch kurz im Büro erhofft, aber sie rief nur an, dass sie schnell wegmüsse und einen guten Flug noch - Gut, dann...
Mir war ein "großes" Auto mit einem Busfahrer organisiert worden, es passte mein ganzes Gepäck in den Kofferraum, einige Studenten lungerten vor meinem Wohnheim rum und meine Nerven lagen schon aufgrund meines schweren Koffers und dem kleinen nervenden Alex auf Grundeis. Er hatte mir netterweise geholfen, noch einige Dinge ins Büro zu schleppen, was nicht ins Wohnheim gehörte. Aber immer, wenn ich meine Gedanken mal sammelte, machte er irgendwas, was mich aus der Fassung brachte und so musste er mal einiges einstecken!
Ich bekam noch einen festen und sympathischen Händedruck vom chinesischen Chef, eine Umarmung von Wu Mang (wie einen kleinen leichten Pin für die Federmappe - einer der 5 olympischen Ringe als Figürchen!) und ein fast-Zusammenstoß mit Shin Yinhong bei der gleichen Handlung: er hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn umarmen würde und war sichtlich und zur Erheiterung aller total überfordert. Dann fuhren 2 meiner älteren Studentinnen mit und ALEX auch! Puh, ich hielt also ihn und den schrecklichen Suzhou-Verkehr noch bis zum Flughafenbus aus. Da der Fahrer im Halteverbot stand und das Auto bald zurückbringen musste, gab es nur noch ein Winken und auch die 3 waren wieder weg! Eine offizielle Verabschiedung mit den älteren Studenten hatte es nicht gegeben, da sich viele wahrscheinlich dachten - endlich wieder chinesischer Alltag ohne Deutsche - und in 2 1/2 Monaten sind wir ja sowieso da! Aber von einer handvoll Studenten hatte ich kleine Präsente aller Geschmacksrichtungen bekommen! Naja, konnte man bei einigen Sachen nur sagen und sie fristen jetzt ihr Dasein woanders...
Mein neuer "Chef" schaffte es aufgrund einer Polizeikontrolle und des dichten Verkehrs nicht mehr bis zu meiner Abfahrt zum Bus und so telefonierten wir nur noch, während ich aus dem nachmittäglichen Suzhou in Richtung Shanghai fuhr...

© Sandra in China, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
DaF-Tours betreibe ich ja schon seit Beginn meines Deutsch-als-Fremdsprache-Studiums und diesmal ist halt China dran. Immer im Zeichen der deutschen Sprache :-) Suzhou gilt als das Venedig des Ostens und liegt 150km landeinwärts und westlich von Shanghai. Guckt mal unter Google-Earth. Mit DaF um die Welt...
Details:
Aufbruch: 07.02.2007
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: Juni 2007
Reiseziele: China
Der Autor
 
Sandra in China berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.