Auszeit für eine große Reise-Teil 1: Afrika
04.03.2022: Soroti - Moroto
Heute geht es von Soroti nach Moroto. Das bedeutet einige Stunden Fahrt in den Nordosten Ugandas. Dort besiedelt ein Halbnomadenvolk ca. 1/10 Ugandas: die Karamajong. Eine sehr alte Kultur, die ursprünglich aus Äthiopien kam. Von hier zogen im 16 Jahrhundert die Nomaden Richtung Süden und siedelten sich unter anderem In Kenia, im Sudan und in Uganda an. Alle Stämme zeichnen sich durch eine extensive Viehwirtschaft aus (hierzu später noch mehr). Dies macht es erforderlich, dass die Stämme aufgrund von Regen- und Trockenperioden umherziehen. Die extensive Viehwirtschaft ist aber auch seit Jahrhunderten Zankapfel vieler Stammesfehden. So werden ganze Herden gestohlen, hierfür wird auch gemordet. Ebenso, wenn es um Wasserrechte an den Wasserlöchern geht.
Wir werden bei unserem Besuch sehr viel über die Kultur und Bräuche erfahren. Viele Dinge die wir hören sind für uns unvorstellbar. Die Karamajong halten jedoch an ihren Sitten und Bräuchen fest und wir müssen einfach tolerieren, dass es auch andere Weltverständnisse gibt.
Der Pfeil ist bei Soroti und bei dem roten Punkt darüber befinden sich die Dörfer, in den wir gestern die älteren Menschen besucht haben
Immer wieder sieht man Lastwagen, auf denen sehr viele Personen sind. Hier sind Männer auf dem Weg zur Arbeit.
Heute haben wir diese Strecke zu fahren - auf guter Straße - so benötigen wir tatsächlich nur 3 Stunden
Die Landschaft wechselt und auch das Klima. Hier im Nordosten finden wir eine trockene Steppe vor. Hin und wieder sehen wir Felsformationen. Wir sind am Ende der Trockenperiode, die seit November anhält. Die Flüsse sind ausgetrocknet und das Gras ist heruntergeäst von den Tieren. Bald wird die Regenzeit beginnen und danach wird alles wieder in frischem Grün wachsen.
Es wird trockener und wärmer, wir nähern uns der Grenze des Südsudan. Nur wenige Kilometer sind wir davon entfernt. Der heiße Wüstenwind weht uns ins Gesicht und der Fahrwind bringt keine Abkühlung.
Wir kommen in Moroto an. Moroto ist ein Distriktbezirk und besteht aus vielen einzelnen kleinen Dörfern. In diesem Distrikt leben ca. 17.000 Einwohner. Genau weiß das niemand.
Wir können nicht ins Dorf fahren und müssen dorthin laufen. Vorher haben wir einen lokalen Guide aufgenommen, der uns das Dorf zeigen wird. Ohne einen Guide wäre es sehr schwierig ein solches Dorf zu besuchen.
Hier stehen wir vor einem Zaun, der die Hütte(n) seiner Bewohner umkreist. Die Zäune sind aus Dornenbuschsträuchern oder -bäumen und soll Eindringlinge abhalten. Der Durchgang im Zaun ist niedrig, er wird von innen dann mit einem Dornenstrauch geschlossen, der von Außen nicht entfernt werden kann. So sind die Bewohner sicher. Auch die Kleintiere nimmt man mit hinein, dort sind sie geschützt. Innerhalb eines solchen Kreisels lebt eine Familie. Das sind teilweise mehrere Hütten.
Die Karamajong sind polygam. Das heißt, die Männer können beliebig viele Frauen haben. Und mit jeder Frau hat der Mann Kinder.. Teilweise 10 und mehr Kinder. So kommt es, dass innerhalb eines solchen eingezäunten Kreisels auch mal bis zu 100 Menschen leben. Übrigens muss der Mann die Frauen regelmässig wechseln und von Haus zu Haus ziehen. Tut er dies nicht, schalten sich die Dorfältesten ein und regeln das.
Diese junge Frau möchte gerne ein Selfie mit mir machen. Gerne komme ich dem Wunsch nach. Die Karamajong kennen keine Spiegel bzw. haben keine solchen. Deshalb freuen sie sich, wenn sie ihr Abbild auf dem Handy sehen.
Hier eine Schlafhütte. Der Einstieg ist sehr hoch. Hier schlafen mehrere Personen auf Fellen. Die Älteren, die nicht mehr klettern können, schlafen dann unten.
Die Regierung von Uganda hat vor einigen Jahren den Karamajong Moskitonetze gegeben, um die Ausbreitung der Malaria zu stoppen. Die Karamajong glauben aber an ihre eigenen Heilmittel und deshalb nutzen sie die Netze für die Befestigung der Grasdächer. Hier sehen wir eine Vorratskammer, in der auch das Saatgut gelagert wird.
Dies ist Emma (Emanuell), unser heutiger lokaler Guide. Er ist ein junger und stolzer Karamajong, der alles über die Kultur zu wissen scheint. Nicht nur Thomas ist interessiert. Die Kinder der Familie lauschen gespannt.
Wir gehen weiter durch das Dorf und erfahren, dass die Männer mit dem Vieh vor Monaten Richtung Westen gezogen sind. Hier gibt es zwar Wasser, aber es reicht nicht für das Vieh. Weiter westlich gibt es noch Wasser und Futter. Häufig kommt es vor, dass einige Männer nicht zurückkehren. Die Hirten werden überfallen, getötet und das Vieh wird gestohlen. Von wem? Von anderen Stämmen der Karamajong beziehungsweise anderen Nomaden aus Kenia oder dem Sudan. Viehdiebstahl steht auf der Tagesordnung. Die Karamajong glauben, ihnen gehören alle Rinder. Deshalb nehmen sie einfach, was ihnen in die Hände fällt.
Und da so viele Männer nicht zurückkehren, erklärt sich auch, warum die noch lebenden so viele Frauen haben. Das Verhältnis Männer zu heiratsfähigen bzw. Willigen Frauen ist 1:5. Über die Heiratsbräuche könnten wir hier sehr lange referieren. Nur so viel: jeder Mann nimmt sich die Frau, die ihm gefällt und die noch keinem anderen Mann gehören. Notfalls mit Gewalt. Sie geht dann zu ihren Eltern und sagt, dass ein Mann sie genommen hat. Dann beginnen die Verhandlungen der Eltern. Je hübscher die Frau ist, desto mehr Rinder muss der Bräutigam an die Eltern der Braut geben. Das können dann auch schon mal 50 oder 100 Rinder sein.
Einigt man sich, steht einer Vermählung nichts im Wege. In der Regel ist die Frau mit dieser Vermählung einverstanden, denn sie will natürlich auch, dass ihre Eltern viele Rinder für sie bekommen und wohlhabend werden.
Der Bräutigam muss seine Männlichkeit und Stärke noch unter Beweis stellen. Hierzu gehören verschiedene Rituale, unter anderem das Bemalen der Haut, wie auch das Herausreißen des Zungenbändchen. Nur wenn der junge Karamajong alle Aufgaben besteht, wird geheiratet.
Hier der Blick aus einer der Hüten heraus. Wie wir reingekrochen sind, wollen wir an dieser Stelle lieber nicht zeigen.
Auf Fellen der Rinder wird geschlafen. Alles sehr spartanisch. Übrigens sind um die Hütten herum Gräben. Während der Regenzeit würde sonst das Wasser hinein laufen. Die Dächer sind mit Gras gedeckt. Hierauf kommt dann auch noch ein Gemisch aus Gras und Viehdunk.
Wir gehen weiter durch das Dorf. Es ist schon bedrückend, wenn man sieht, wie einfach die Menschen hier leben. Etwas was sehr auffällig ist: die Umwelt zu schonen ist hier kein Thema. Überall liegt viel Müll rum - und „Tretminen“ - denn es gibt keine Toiletten.
Man folgt uns durch das Dorf und wir gehen Richtung des Platzes, auf dem das Vieh sonst in der Nacht eingepfercht wird. Auf dem großen Platz in der Mitte des Dorfes können bis zu 2.000 Rinder gehalten werden. Leider sehen wir keine, denn wie bereits gesagt sind sie ca. 35 km entfernt.
Als wir näher kommen, erkennen wir, dass es ein Pub ist. Das Angebot ist überschaubar. In der Regel wird immer nur Bier angeboten.
Ganz in der Nähe sehen wir einige Bewohner auf dem Boden sitzen bzw. knien. Hier findet ein „Brettspiel“ ohne Brett statt. Bis zu acht Spieler können hier spielen.
Auf jeder Seite sitzen heute 4 Spieler und spielen gegeneinander. Das Spiel kann Stunden dauern. Verstanden haben wir es nicht. Man war auch nicht wirklich interessiert, das Spiel zu unterbrechen, um es uns zu erklären. Wir glauben, dass es eine Art Roulette ist. Jeder Spieler legt in seine Mulde eine bestimmte Anzahl Steine, in einer Mulde sind die Steine durch Sand verdeckt. Sie werden dann freigewischt. Alles geht sehr schnell.
Es geht weiter und in der Mitte des Dorfes steht ein Faß mit gebrautem Bier. Thomas probiert, obwohl er kein Biertrinker ist. Vielleicht hat er auch deshalb gesagt, es schmecke gut - ich bin Biertrinkerin und würde kein Glas davon trinken.
Das gebraute Getränk bleibt bis zu 2 Tage dort ungekühlt stehen. Jeder der will, darf sich dort holen. Auch die Kinder.
Die Kinder werden von Klein auf in Richtung Stärke getrimmt. Dazu gehört auch, dass es nur einmal am Tag es etwas zu Essen gibt. Und an manchen Tagen gibt es überhaupt nichts. So sollen sie gestärkt zu Kämpfern werden.
Uns fällt bei einem der Hirten auf, dass er sehr viele Lederarmbänder um den Arm trägt.
Wir fragen, was es damit auf sich hat.
Die Hirten sind häufig tagelang in der Steppe und sind dort allem ausgesetzt und ausgeliefert. Während sie die Tiere hüten sitzen sie auch auf dem Boden oder schlafen. Damit sie nicht von den Schlangen gebissen werden, tragen sie etwas aus Gummi. Schlangen mögen den Geruch von Gummi nicht. Hier, wo es sehr warm ist, entwickelt sich natürlich ein starker Gummigeruch. Das hilft und schützt sie
Beim näheren Hinsehen erkennen wir, dass es sich hierbei um alte Autoreifen handelt. Alle Bewohner tragen diese selbstgemachten Schuhe als Schutz vor Schlangen.
Auch hier kommt ein kleiner Junge mit einer Herde Ziegen ins Dorf zurück. Teilweise werden 4 bis -5 jährige zum Ziegenhüten geschickt. Dann sind sie den ganzen Tag vom Dorf weg und hüten dort die Tiere. Wir haben diese Kinder auf unseren Fahrten häufig gesehen. Sie sind hierbei ganz allein.
Rechts sieht man einen Erwachsenen, der das Kind fragt, er er alle Ziegen mit zurück gebracht hat. Er bejaht dies.. Darauf hin zählt der Erwachsene die Tiere. Würde eines fehlen, wird dieses Kind nicht mehr zum Hüten geschickt, weil es versagt hat. Und es wird Schläge erhalten.
Hier fragt der kleine Bruder den großen Bruder, ob er alle Tiere zurück gebracht habe. Das hat er wohl, so wie unser Guide erfahren hat.
Hier ein junges Mädchen mit einem selbst gebauten Spielzeug.
Ein Rad aus dünnem Draht an einem Stock—verbunden mit einer Drahtschlaufe.
Wir gehen zurück zur Dorfmitte und Emma erzählt Thomas viel über die Gebräuche und Sitten der Karamajong.
Auf dem Dorfplatz haben sich viele Bewohner versammelt und wollen uns einen Tanz vorführen und auch noch mit uns Spielen.
Und dann wird noch gespielt. Es gibt ein Tauziehen ohne Tau. Die Karamajong spielen für ihr Leben gerne, teilweise bis spät in die Nacht. Das Tauziehen gewinnt übrigens die Mannschaft von Thomas
Wir verabschieden uns vom Dorfältesten. Er begleitet uns bis zum Ausgang des Dorfes. Die Älteren haben hier das sagen. Auch Emma hat vor ihm die notwendige Hochachtung. Der Besuch geht zu Ende und wir haben viel Neues erfahren. Morgen besuchen wir ein weiteres Dorf.
Aufbruch: | 26.02.2022 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 28.06.2022 |
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