Das eher unbekannte Portugal - 2017

Reisezeit: April - Juni 2017  |  von Uschi Agboka

Frauen in der portugiesischen Gesellschaft

Informationen über Frauen in der portugiesischen Gesellschaft

Portugal - Frauen in der portugiesischen Gesellschaft

Die Situation der Portugiesinnen war noch bis 1974 durch eine Rechtslage gekennzeichnet, die sie dem Mann gegenüber benachteiligte, wie es bis dahin kaum ein anderes Land in Europa praktizierte.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch aus dem Jahr 1967 waren die Rechte der Frauen schwarz auf weiß niedergeschrieben. Der Ehemann wurde darin als Familienoberhaupt bestätigt. Schon während der Verlobungszeit konnte er darauf bestehen, dass seine zukünftige Frau ihre Arbeitsstelle aufgab.

Bei der Heirat ging der Besitz der Frau nahezu ganz an den Mann über. Dieser hatte dann auch alle Entscheidungsgewalt. So musste er z. B. seine Zustimmung geben, schriftlich und notariell beglaubigt, wenn seine Frau mit den Kindern ins Ausland fahren wollte. Darüber hinaus durfte er die Post seiner Frau öffnen.

Der Mann blieb sogar strafrechtlich verschont, wenn er die Gattin im Falle eines Ehebruchs tötete. Für die Ehe – war sie portugiesisch-katholisch geschlossen – gab es gemäß dem Konkordat von 1940 zwischen Portugal und dem Vatikan keine Scheidung.

Im gesellschaftlichen Bereich mussten die Frauen weitere Diskriminierungen hinnehmen. Ihre Bildung wurde nicht gefördert. Ihre Aufgabe sah man im Hausfrauendasein, der guten Ehefrau, Gebärerin und Mutter, für die Bildung nicht nötig war. Folglich war die berufliche Qualifikation gering.

Höhere Ämter, wie das eines Diplomaten oder Richters, waren sowieso der Männerwelt vorbehalten. Nach der eingeschränkten Berufwahl bekamen die Frauen vorwiegend die schlechter bezahlten, unattraktiven oder wenig anspruchsvollen Arbeiten. Der Lohn war in der Regel 30 – 50 % niedriger als bei Männern, die die gleiche Arbeit leisteten.

Noch heute arbeiten viele Frauen in den traditionellen Frauenberufen als Wäscherin, Hausangestellte, Erzieherin oder unbezahlte Arbeitskraft in der Landwirtschaft.

In der Industrie sind Frauen vor allem in der Textil-, Bekleidungs- und Schuhbranche gefragt, da diese Unternehmen bevorzugt Leichtlohngruppen einstellen. Die Löhne von Frauen sind zwar heute denen der Männer angeglichen worden, liegen aber immer noch deutlich hinter deren Tarifen zurück.

Eine Möglichkeit, die Ungleichheit auf politischer Ebene aufzuheben, gab es nicht, denn bis 1968 hatten Frauen – mit Ausnahme der wenigen Hochschulabsolventinnen – kein Wahlrecht. Von kommunalen Wahlen waren sie sogar bis 1974 ausgeschlossen.

Moralisch unterstützte die Kirche diese politischen Reglements. Sie förderte und konservierte zugleich eine Volksfrömmigkeit, die auf ein sittenstrenges, keusches Leben der Frau und ihre folgsame Hingabe für Ehemann und Familie abgestellt war.

Mit dem 25. April 1974, dem Tag der Revolution, gab es einschneidende Veränderungen. Nach der Verfassung aus dem Jahr 1976 und dem zwei Jahre später erneuerten Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Frau dem Mann nun in allen Bereichen gleich gestellt.

Ehefrauen, aber auch Frauen, die ohne Trauschein mit ihrem Partner zusammenleben, haben fortan das Recht, frei und unabhängig einen Beruf auszuüben und über ihr Privatvermögen sowie ein eigenes Bankkonto zu verfügen, ohne dass der Mann von Gesetz wegen Einspruch erheben kann. Sie dürfen mitreden bei der Wahl des Wohnsitzes, sind aber auch für dessen Unterhaltung verantwortlich.

Zudem erleichtert das neue Gesetz Ehescheidungen und hebt die Benachteiligung außerehelicher Kinder auf.

Hausarbeit und Kindererziehung werden einer beruflichen Tätigkeit gleichgestellt und dem Ehemann wurden nun ebenfalls Haushaltsverpflichtungen auferlegt.

Die Bischöfe waren gegen dieses neue Gesetz und viele andere Männer natürlich auch.

Es sei beklagenswert, so rügte die portugiesische Bischofskonferenz in einem veröffentlichten Hirtenbrief, dass "Situationen, die allein vom Leben und von der Liebe geregelt werden sollten, künftighin per Gesetz reguliert werden".

Solch "grundlegenden sozialen, juristischen und kulturellen Umwälzungen" müsse sich jeder portugiesische Christ, so forderten die Bischöfe, entschieden widersetzen -- und Widerstand haben Portugals Frauen wohl auch weiterhin nicht nur von den Männern der Kirche zu erwarten.

Allzu tief verwurzelt ist in dem ärmsten und lange Zeit rückständigsten Land Westeuropas noch jene konservativ-katholische Moral, nach der das Weib dem Mann untertan zu sein hat.

Wohl haben portugiesische Frauen seit 1933 das Wahlrecht (deutsche seit 1919), doch durften in den Jahren der Salazar-Diktatur keineswegs alle, sondern nur weibliche Familienoberhäupter und Frauen mit höherer Schulbildung wählen -- zu jener Zeit eine verschwindend kleine Minderheit.

Verheiratete portugiesische Frauen besaßen keinen eigenen Pass und durften das Land nur mit einer schriftlichen Erlaubnis ihres Mannes verlassen; über die Erziehung der gemeinsamen Kinder konnte der Ehemann ganz allein entscheiden.

Zwar versuchte Salazar-Nachfolger Marcello Caetano, einige der schlimmsten Diskriminierungen abzubauen. Aber noch im Herbst 1973 veranstaltete das autoritäre Regime in Lissabon einen Musterprozess gegen die Schriftstellerinnen Maria Isabel Barreno, Maria Teresa Horta und Maria Velho da Costa, genannt "die drei Marias", die gemeinsam ein aus lyrischen, erotischen und gesellschaftskritischen Passagen gemischtes feministisches Manifest mit dem Titel "Neue portugiesische Briefe" verfasst hatten. Das Buch, so die Ankläger, beleidige "Anstand und Sitte" und sei überhaupt Pornographie.

Der Prozess wurde überrollt vom Sturz der Diktatur durch linke Militärs im April 1974, und die drei Marias kamen frei. Der sozialrevolutionäre Schwung, der nun das Land ergriff, fegte viele der alten Tabus hinweg. Über Lissabons Avenida da Liberdade zogen Frauen mit Kampfrufen gegen den "Machismo", den Männlichkeitswahn, den die Portugiesen mit ihren spanischen Nachbarn gemeinsam haben. Feministinnen verbrannten öffentlich ihre Büstenhalter.

Jede der neu zugelassenen Parteien, die auf sich hielt, gründete ihre eigene Frauengruppe, und die Regierung setzte erstmals eine Kommission zur Untersuchung der Situation der Frau ein.

So rasch aber ließen sich, trotz besten Willens, in Jahrhunderten versteinerte Vorurteile und Verhaltensweisen nicht abbauen: In die erste frei gewählte Verfassunggebende Versammlung kamen 1975 von insgesamt 250 Abgeordneten nur 19 Frauen, ins Parlament zogen ein Jahr später sogar nur 15 weibliche Vertreter ein.

Und obwohl die Revolutionäre den portugiesischen Frauen gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit versprachen, hielten sie sich oft selbst nicht an ihre eigenen Grundsätze. Auf den neu entstandenen, zumeist kommunistisch geführten Landarbeitergenossenschaften im Alentejo etwa bekamen Tagelöhnerinnen vielfach ein Drittel weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen.

Nach wie vor auch ist trotz der neuen Freiheit in Portugal das alte, totale Abtreibungsverbot in Kraft, versuchen immer noch zwischen 15001>0 und 180 000 Portugiesinnen alljährlich einen Abortus. Als die Journalistin Mana Antonia Palla 1976 in einer Fernsehsendung das Tabu zu durchbrechen versuchte und neben fachgerechter Anwendung von Verhütungsmitteln auch eine Original-Abtreibung auf dem Bildschirm zeigte, wurde ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet.

"Wir haben zwar eine Revolution gehabt", erkannte Frau Palla, "aber die konservative, puritanische Mentalität der meisten Leute hat sich nicht geändert.

Und so soll es, wenn es nach den portugiesischen Bischöfen ginge, auch bleiben. Denn die "übertriebene und formalistische Regelung des Prinzips der Gleichheit unter Ehegatten" im neuen Eherecht, so befanden sie, werde nichts als Unheil stiften -- nämlich den "Familiensinn zerstören".

© Uschi Agboka, 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Kultur- und Naturreise durch das eher unbekannte Portugal, abseits der großen Touristenströme.
Details:
Aufbruch: 01.04.2017
Dauer: 12 Wochen
Heimkehr: 20.06.2017
Reiseziele: Portugal
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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