Reise um die Welt

Reisezeit: September 2018 - September 2019  |  von Sabine C

Radeln in Uruguay

Von Montevideo nach Colonia del Sacramento

Und dann gings richtig los. Das Rad gepackt. Die Strecke auf dem Garmin. Die erste Etappe bis Santa Lucia, 63 km. Auch wenn Uruguay für südamerikanische Verhältnisse einen ruhigen Verkehr hat, war die Ausfahrt aus Montevideo für mich eine Herausforderung. Die Straßen sind teilweise schlecht, längs gestreift - Spurrillen. Mein Albtraum, spätestens seitdem ich im Juli in die Straßenbahnschienen gekommen bin. Das wichtigste ist wohl, dass die Autofahrer überhaupt nicht auf solche Erscheinungen wie mich eingestellt sind. Die meisten sind rücksichtsvoll und ich tue mein Bestes, um den Verkehr nicht übermäßig zu stören. So gelange ich an den Stadtrand. Dort fahre ich erst durch eine eingezäunte Siedlung mit norddeutsch aussehenden verklinkerten Reienhäusern. Block 1, 2, 3...steht dran. Was das wohl war? Dann werde ich gewarnt, geradeaus zu fahren. Die Hauptstraße wäre besser. Also Hauptstraße und ich bin schon wieder eingeschüchtert.
Später führt der Weg zurück auf meinen Track. Ich fahre durch italienisch aussehende Landschaft. Die Straße ist gut. So geht es über viele Kilometer und ich genieße die Fahrt auf guten, wenig befahrenen Straßen. Der Wind kommt von hinten. Und trotz ständigen Auf und Ab geht es gut voran. Santa Lucia erreiche ich noch vor 17 Uhr und es gibt tatsächlich einen Campingplatz an der erwarteten Stelle. DerPlatz ist eingezäunt und macht einen schönen Eindruck, Wiese und Bäume. Es gibt noch zwei Familien auf dem Platz. Besonders auffällig ist eine dreiköpfige Familie mit Großmutter. Gut genährt in bunter Kleidung und viele Goldzähne im Mund. Sie kommen aus Brasilien. Der Mann stellt sich als Medizinmann vor. Er reist mit seiner Familie herum, um seine Medizin zu verkaufen. Ich möchte nichts kaufen, obwohl die Großmutter extra mit dem eingeschweißten Din A4 Blatt mit den Leiden für die sie Medizin haben, zu mir kommt. Mehrmals werde ich von ihr gefragt, ob ich keine Angst habe und wohin ich fahre. Das macht mir Angst und ich frage bei dem Campingplatzaufseher, ob der Platz nachts bewacht ist. Er ist bewacht!

Die sanitären Anlagen auf dem Platz sind unterirdisch, aber vorhanden. Immerhin bekomme ich eine warme Dusche. Es ist Freitagabend und in der Stadt herrscht reges Treiben. Junge Leute beim Sport oder Einüben von Liedern. Früh lege ich mich in mein Zelt. Der Lärm um den Campingplatz schwillt an . Musik, Stimmen, Moped- und Autogeräusche sind bis lange in die Nacht zu hören.
Morgens regnet es kurz. Mir ist es recht. Ich war am ersten Tag unvorsichtig und habe mich etwas verbrannt. Auf dem 35. Breitengrad hilft es nicht, schon braun zu sein. Man braucht immer Sonnenschutz, auch wenn es bewölkt ist. Eigentlich weiß ich das.
Die ersten Kilometer begleitet mich einer der Hunde, die auf dem Campingplatz rumgelaufen sind. Es gibt viele wilde Hunde. Bis jetzt waren sie alle lieb.
Der Rückenwind vom Vortag ist nun Seitenwind. Er wird immer stürmischer und als ich auf den letzten 8 km die Fahrtrichtung ändere, habe ich so starken Gegenwind, dass ich an einigen Stellen schieben muss. Den größten Teil des Tages fahre ich auf der Autobahn oder Schnellstraße. Das ist in Uruguay erlaubt. Meine Route verliere ich unterwegs. Es gibt einen Seitenstreifen, auf dem Räder fahren können. Leider ist der Belag auf dem Seitenstreifen so rauh, dass ich viel langsamer bin und mehr Kraft brauche. Der Straßenbelag ist ganz neu und glatt. Obwohl insgesamt wenig Verkehr ist, bleibe ich auf dem Seitenstreifen. Immer wieder brettern Busse und Lastwagen, viele von ihnen mit Holz beladen, vorbei.
Nach 67 km komme ich an der Stelle an, an der auf der Karte ein Campingplatz ausgewiesen ist. Nichts zu sehen. Etwas ratlos schaue ich mich um, sehe 'Parque Zoo' und erinnere mich, dass auf IOverlander der Platz so bezeichnet wurde. Tatsächlich gibt es dort eine zuständige Frau, die mir erklärt, dass ich mich erst bei der Polizei gegenüber mit meinem Pass registrieren lassen muss und dann zeigt sie mir meinen Zeltplatz. Alles dabei: Sitzgruppe und Asado überdacht Wasser, Strom, Licht in einem kleinen Wald. Nur leider keine Duschen. Der Platz ist auch eher für die Anwohner gedacht, die hier ihre Feste feiern. So bekomme ich gegen 21 Uhr Nachbarn, die bis in die Nacht laut Musik hören und feiern. Mir ist das erstmal egal. Es ist so kalt und ich friere, dass ich froh bin im Zelt unter meiner Decke zu liegen, nachdem ich mir für den nächsten Tag ein Hotel in Colonia del Sacramento gebucht habe. Die Campingplätze sind zwar kostenlos, aber nach zwei Übernachtungen im Zelt, steht mir der Sinn nach Bett und Bad.

Am nächsten Morgen geht es weiter an der Autobahn entlang. Morgens sind es 11 Grad. Der Wind hat etwas nachgelassen. Die Vorstellung 77 km bis Colonia del Sacramento fahren zu müssen bereitet mir Sorge. Ich habe mich am Vortag überanstrengt und zwei schlecht geschlafene Nächte tun das Übrige. Wieder geht es an der Autobahn entlang. Ich würde gerne mal an der Küste langfahren, aber dorthin gibt es nur Stichstraßen. Keine durchgehende Straße die Küste entlang. Da ich das Hotel gebucht habe, habe ich wenig Spielraum. Insgeheim wünsche ich mir, dass sich jemand erbarmt und mich mitnimmt. Und das passiert dann tatsächlich. Nach 30 km hält ein Mann mit einem Pick Up, fragt mich, woher ich komme und erklärt mir, dass ich gerade an einer sehr schönen Stadt vorbei gefahren bin, in der viele Deutsche und Schweizer wohnen. Ich bedauere das und erkläre, dass ich ein Hotel gebucht habe und nach Colonia del Sacramento müsste. Er fragt mich, ob ich mitfahren will. Sehr gerne!
Er zeigt mir die Balnearios am Rio de la Plata, die wirklich sehr schön sind. Er ist Autohändler oder - mechaniker. So genau verstehe ich das nicht. Er fährt sonntags in der Gegend herum und guckt sich Autos an. Von ihm erfahre ich auch, dass die Grenze des Rio de la Plata auf der Höhe von Punta del Este eine politische Grenze ist. Der Rio de la Plata schwemmt so viel Sedimente aus, dass die Fahrrinne für die großen Schiffe ständig ausgebaggert werden muss. Und so haben Argentinien und Uruguay ihr Staatsgebiet vergrößert. Früher konnten sie auf diese Weise die Piraten wirkungsvoller bekämpfen. Es ist ein schöner Tag, ich komme bequem nach Colonia del Sacramento, lerne die Gegend noch etwas kennen und spreche Spanisch.

Landschaften zwischen Montevideo und Colonia del Sacramento

Landschaften zwischen Montevideo und Colonia del Sacramento

Campingplatz in Santa Lucia

Campingplatz in Santa Lucia

Campingplatz im Parque Zoo

Campingplatz im Parque Zoo

Transport im Auto

Transport im Auto

Mein "Retter"

Mein "Retter"

Ein paar schöne Plätze, die ich durch die Fahrt im Auto zu sehen bekomme

Ein paar schöne Plätze, die ich durch die Fahrt im Auto zu sehen bekomme

Colonia del Sacramento

Colonia del Sacramento ist eine hübsche Stadt aus der Kolonialzeit mit touristischem Treiben. Viele Restaurants und kleine Geschäfte und ein langer Strand. Mein kleines Hotel - Posada del Flor- gefällt mir sehr gut. Es hat einen Innenhof mit blühendem Jasmin, in dem man sich aufhalten kann.
Ich brauche einen Ruhetag nach meinen ersten Radtagen und genieße das angenehme Ambiente in der Stadt. Die historische Altstadt mit ein paar kleinen Museen ist schnell besichtigt. Nachmittags ruhe ich mich in dem schönen Innenhof aus.
Eine Gruppe zieht trommelnd durch die Stadt. Schon den zweiten Abend. Nein, es hat nichts mit der Adventszeit zu tun. Die Trommler üben für den Karneval, der hier einen wesentlich höheren Stellenwert hat als Weihnachten.
Abends komme ich mit jungen Erwachsenen aus der Schweiz und Schottland ins Gespräch, die längere Südamerikareisen machen. Sie reisen überwiegend mit dem Flugzeug und können dadurch natürlich viel mehr Länder und Landesteile besuchen als ich.

Innenhof von meinem Hotel

Innenhof von meinem Hotel

Idyllisches Colonia del Sacramento

Idyllisches Colonia del Sacramento

Trommler üben für den Karneval

Trommler üben für den Karneval

Von Colonia del Sacramento nach Carmelo

Zwei weitere Radtage habe ich in Uruguay. Nach den Erfahrungen der ersten drei Tage verkürze ich die Etappen und suche mir eine Route auf Nebenstraßen. Diese sind überwiegend nicht asphaltiert. Mal mehr mal weniger gut zu fahren, aber überwiegend angenehmer als auf der Hauptstraße. Ich kann sorglos vor mich hin fahren, meinen Gedanken nachhängen und die Landschaft an mir vorbeiziehen lassen.
Auf dem Weg nach Carmelo übernachte ich auf einem Campingplatz in Conchillas. Er liegt direkt am Wasser und es gibt sogar ein Restaurant mit Billardtischen und anderen Spielautomaten in dem sonst verschlafen wirkenden Nest. Ich begegne Irene und Gerard zwei älteren Schweizern. Sie haben ein Segelboot in Uruguay und kommen im europäischen Winter nach Uruguay. Ich soll Grüße in Tigre in einem Restaurant ausrichten.

Am nächsten Tag wird die Route einsamer. Eine Schlange zischt ins hohe Gras, als ich mich nähere, ein sich komisch fortbewegendes Tier, das ich als Gürteltier identifiziere, verschwindet in der Böschung. Zum Glück laufen die weg, denke ich. An einer Toreinfahrt bellt ein Hund und kommt hinter mir hergelaufen. Er schnappt, erwischt aber nur die Tasche. Als ich anfange zu reden, rennt er zurück. Das war der einzige Hund von vielen, der so reagiert hat. Die meisten interessieren sich nicht für mich, wackeln beim Bellen freundlich mit dem Schwanz oder laufen aus Spaß mit. Trotzdem werde ich in Argentinien die LKW Hupe montieren, die ich für alle Fälle dabei habe.

In Carmelo möchte ich das Schiff nach Tigre nehmen. Es dauert eine Weile bis ich verstanden habe, dass es donnerstags nur um 4:30 Uhr morgens fährt. Also gibt es noch einen Ruhetag in Carmelo. Man hat den Eindruck, Conchillas und Carmelo putzen sich für die Weihnachtstouristen heraus. Überall wird repariert und gemäht.

Es ist mein letzter Tag in Uruguay. Ich schaue mir das kleine Städtchen an und denke darüber nach, wie ich Uruguay erlebt habe. In allen Städten habe ich Gemeinschaftshäuser, Sportvereine, Sportplätze gesehen. Ich habe den Eindruck,
dass das soziale Leben in Uruguay vielfältig ist und gut funktioniert. Und vor allem hier in Carmelo gibt es viele Sport treibende Menschen. Auf der einzigen europäisch aussehenden Straße, die zum Hafen und Strand führt, joggen Abend für Abend die Läufer hin und her. Es gibt Radler, die hier ihre Runden drehen, es gibt Rennradsportler, die die einzige befahrbare Straße, die Bundesstraße nach Colonia del Sacramento hin- und herfahren. Viele Häuser, fast alles kleine Bungalows sind gepflegt und haben einen netten Garten. Meist gut umzäunt. Oft mit Wachhund. Platz ist hier kein Problem. Es ist genug da. Die für mich sichtbare Infrastruktur Straßen, Energie oder die sanitären Anlagen hat einen hohen Investitionsbedarf. In Carmelo erscheint mir diese eine gute Straße, wahrscheinlich mit dem einzigen Radweg in einem Umkreis von über 100 km absurd. Sie gefällt mir und löst mit dem abendlichen Treiben der Sportler Heimweh bei mir aus.
Jetzt bin ich gespannt auf das Radeln in Argentinien, hat Uruguay doch den Ruf das oder eins der reichsten Länder Südamerikas zu sein.

Zeltplatz in Conchillas

Zeltplatz in Conchillas

Eindrücke aus Carmelo! Es gibt sogar ein Denkmal für einen sehr erfolgreichen Rennradfahrer in den 40er und 50er Jahren, der hier aus der Gegend kommt.

Eindrücke aus Carmelo! Es gibt sogar ein Denkmal für einen sehr erfolgreichen Rennradfahrer in den 40er und 50er Jahren, der hier aus der Gegend kommt.

Alles was ein Uruguayer braucht: Haus, Pferd und Asado 
Überall sieht man Pferde, die wie frei auf den Böschungen grasend aussehen.  Sie sind jedoch angebunden.

Alles was ein Uruguayer braucht: Haus, Pferd und Asado
Überall sieht man Pferde, die wie frei auf den Böschungen grasend aussehen. Sie sind jedoch angebunden.

© Sabine C, 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Verkehrsmittel werden Fahrrad, Schiff, Zug und Bus sein. Es ist ein langgehegter Traum von mir, die Welt zu umrunden und dabei kein Flugzeug zu benutzen.
Details:
Aufbruch: 30.09.2018
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: September 2019
Reiseziele: Deutschland
Frankreich
Spanien
Marokko
Brasilien
Argentinien
Uruguay
Chile
Peru
Ecuador
Mexiko
Japan
Südkorea
Russland / Russische Föderation
Estland
Lettland
Schweden
Polen
Der Autor
 
Sabine C berichtet seit 6 Jahren auf umdiewelt.
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