Reise um die Welt
Irkutsk
Russisch lernen in Irkutsk
In Irkutsk mache ich einen zweiwöchigen Russischkurs. Das Russischlernen möchte ich durch den Aufenthalt in einer Gastfamilie unterstützen. Ich kann eine Sprache nur lernen indem ich spreche, nach eigenen Formulierungen suche und immer wieder die Wörter benutze, die mir nicht im Kopf bleiben wollen. Auswendig lernen aus dem Lehrbuch ist nicht meine Stärke. Am Sonntag, den 9.6. fahre ich zu meiner Gastfamilie. Sie wohnen in der Nähe der Angara und ich fahre die Promenade am Flussufer entlang. Hier herrscht
bei schönem Wetter sonntägliches Treiben. Familien gehen spazieren, es gibt Inlineskater, Radfahrer, fliegende Händler, singende Jugendgruppen.... schöne Atmosphäre. Da mit dem Rad komme ich nur schwer durch.
Meine Gastfamilie wohnt in einem einem modernen Hochhaus, ganz oben. Die Wohnung ist riesig und ganz modern eingerichtet. Sie wohnen erst ein Jahr hier. Der Familienvater ist Professor und hat ein Institut. Die Frau ist Ärztin, aber arbeitet nicht. Sie haben drei erwachsene Kinder. Eine Tochter studiert in Florida, der Sohn hat ein Hotel in Peterburg. Unterhaltung geht nur auf russisch. Aber es gibt ja den Google Translator.
Die Aussicht aus meinem Zimmer ist umwerfend. Ich habe einen traumhaften Blick über die Angara. Allerdings ist die Zimmereinrichtung nur knapp von Abstellraum entfernt. In der Ecke steht ein großer leerer Karton und vier Stühle sind gestapelt. Es gibt Fernseher und Schlafsofa, aber weder Schrank noch Tisch. Mein Fahrrad kann in der Garage stehen. Das ist gut. Abends wundere ich mich, dass der Vater sich verabschiedet, um in der Datsche zu schlafen.
Der Weg zur Schule führt an der Angara entlang zur Schule. Den kann ich richtig genießen. Ich habe eine Woche Einzelunterricht gebucht. Vier Stunden am Tag. Das ist sehr anstrengend, aber auch sehr effektiv. Das Lerntempo richtet sich nach meinen Möglichkeiten und nach meinem Kenntnisstand. Und da in der zweiten Woche, keine Gruppe für mein Sprachniveau zustande kommt, wird der Einzelunterricht fortgesetzt. Nach den beiden Wochen kann ich nun kleinere Anliegen auf russisch klären, auch wenn mir noch viel zu oft der Google Translator unter die Nase gehalten wird. Für schwierige Anliegen sinnvoll, aber ich bleibe so weit ich kann dabei, mich auf Russisch zu verständigen.
Der Leiter der Sprachschule kommt aus der Schweiz. Mit ihm kann ich deutsch sprechen. Er lebt seit ca. 15 Jahren mit Unterbrechungen in Irkutsk. Er bestätigt, dass sich Russland in den letzten 5- 10 Jahren ernorm verändert hat. Erst seitdem es ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum gibt, machen Familien Ausflüge in die Parks, gibt es diese entspannte Atmosphäre. Vorher hätte man immer Angst haben müssen, von Betrunkenen angepöbelt oder angegriffen zu werden. Er beklagt den Widerspruch vieler Russen zwischen Nationalstolz und Identifikation mit dem Staat. Sie würden sich sehr schwer tun, Regeln einzuhalten, Abgaben oder Steuern zu bezahlen, hätten jedoch große Erwartungen an den Staat.
Im Laufe der Woche wundere ich mich, dass ich die meiste Zeit alleine in der Wohnung bin. Ich hatte mich entschieden, Halbpension zu nehmen, um regelmäßig die Möglichkeit zu haben, zu sprechen. Aber die Familie ist in der Datsche. Und essen gibt es nicht, gemeinsames Essen schon gar nicht. Donnerstag ist Marina - die Familienmutter- da, muss aber sofort wieder weg. Sie denkt gerade noch daran, mir zu sagen, dass das Wasser abgeschaltet wird. Für wie lange, kann sie mir nicht sagen. Schon seit Tagen habe ich mich gefragt, was die Information im Treppenhaus wohl bedeutet und gehofft, dass nicht das Wasser abgeschaltet wird. Jetzt sitze ich ohne Wasser in der Wohnung, während die Familie in der Datsche ist und Wasser hat. Ich entschließe mich, mir eine andere Unterkunft zu suchen. Der Leiter der Sprachschule sagt, im Juni wäre das normal in Irkutsk. Anfang des Monats hätte es zwei Wochen kein warmes Wasser in der Innenstadt gegeben. Aber bei mir im Haus gibt es gar kein Wasser, auch kein kaltes.
Als ich Marina - auf russisch- erkläre, warum ich mir eine andere Unterkunft suche, bestätigt sie meine Vermutung. Sie wollten an Studenten vermieten, weil sie im Sommer immer auf der Datsche sind.
Die Suche nach einer anderen Unterkunft gerät zum Abenteuer. Damit hatte ich nicht gerechnet. Bis jetzt hat immer alles geklappt. Ich buche ein Appartement in einem modernen Hochaus in der Stadt. Zur Schlüsselübergabe stehe ich alleine vor der Tür und warte. Unten im Hochaus ist ein Hostel. Nach einer halben Stunde gehe ich ins Hostel und frage mal nach. Der Besitzer erklärt mir, dass es mehrmals im Monat Situationen wie diese gibt, dass die Organisation, die die Wohnungen vermietet, schlecht ist und dass die Leute dann im Hostel bleiben. Aha!!
Er hat schon in verschiedenen Städten Europas gelebt und auf meine Frage nach seiner Lieblingsstadt, sagt er Prag. Prag wäre nicht so streng wie Deutschland, aber auch nicht so ungeregelt wie Russland. In Deutschland werden ihm, Regeln und Gesetze übertrieben eingehalten. In Russland wäre alles einfacher. Da wird nicht immer gleich die Polizei geholt. Da regeln die Menschen die Probleme untereinander. Interessant!
Ich möchte nicht in dem Hostel bleiben und suche ein anderes Appartement. Inzwischen ist es schon nach 6 Uhr abends. An der Adresse des anderen Appartements - die Gegend und das Haus sind schon deutlich schlechter, warte ich über eine halbe Stunde auf die Betreiberinnen. Immerhin telefonieren wir zwischendurch schon mal. Als die beiden kommen, erklären sie mir, dass es ein Problem mit dem Appartement gibt, aber sie hätten ein anderes. Ich fahre zu der angegebenen Adresse. Die Lage ist gut, nahe der Angara. Aber das Haus ist noch schlechter. Bevor ich meine Taschen hochschleppe, schaue ich mir die Wohnung an. Es riecht übel. Unten im Hausflur liegt Unrat. Ich nehme es nicht und sehe zu, dass ich wegkomme. Jetzt ist es nach 8 Uhr. Es wird dämmrig. Das Projekt Appartement begrabe ich und buche erstmal für zwei Nächte in einem professionell wirkenden Hotel- Business Hotel. Es ist nicht weit entfernt und hier gibt es keine Probleme. Das Zimmer ist sauber und hat alles, was ich brauche. Unten im Haus ist ein Restaurant mit Terasse. Hier könnte ich es aushalten.
Leider muss ich mir sonntags nochmal ein anderes Zimmer suchen, weil das Business-Hotel ausgebucht ist.
War ich die erste Woche mit dem Fahrrad unterwegs, so kann ich nun viel zu Fuß machen und erkunde auch die öffentlichen Verkehrsmittel. Das beliebteste Verkehrsmittel ist die Marschrutschka, ein Kleinbus. Es gibt unübersichtlich viele Linien, aber keine Fahrpläne. Fast minütlich kommen unterschiedliche Kleinbusse an den Haltestellen an. Der Preis für eine Fahrt beträgt ca. 25 Cent. Aber auch das geht ins Geld nach mehreren Fehlversuchen. Gewohnt, mit Google Maps imer richtige Auskünfte über Routen und Abfahrtszeiten zu erhalten, scheitere ich in Irkutsk. Auf die Auskünfte in Google Maps kann man sich nicht verlassen. Meine Lehrerin empfiehlt mir die App 2Gis. Damit geht es besser.
Bald bin ich in allen Museen gewesen. Im Stadtmuseum beobachte ich eine Einbürgerungsszeremonie. Die Mitarbeiterin des Museums macht mich darauf aufmerksam. Ca. 20 Personen sitzen im Vortragssaal des Museums. Zwei Männer in Uniform leiten die Veranstaltung. Ein neuer chinesischer Mitbürger liest in schlechtem Russisch einen Text vor. Die einzubürgernden Menschen scheinen unterschiedlicher Herkunft zu sein. Sie sehen teil asiatisch, teils europäisch aus. Auch ein islamisches Kopftuch sehe ich.
Meine Lehrerin sagt, dass es viele Migranten gibt, vor allen Dingen aus China. In der Irkutsker Stadtzeitung sehe ich einen Bericht über eine Demonstration "Wir brauchen keine Parks und Plätze, wir brauchen Arbeit " . Die Zuwanderer wären mit billigen Löhnen eine Konkurrenz zu den heimischen Arbeitskräften. Und das Geld, das von der Zentrale kommt, würde nur zu einem kleinen Teil investiert. Ein großer Teil würde auf der Bank landen. Lokale Korruption, sagt sie.
Alexander der Dritte schaut nach Osten, in die Richtung in die er die Osterweiterung Mitte des 19.Jahrhunderts vorangetrieben hat.
Die Kostüme der verschiedenen Völker, die Sibirien bewohnt haben, bevor die Russen es kolonialisiert haben. Sie haben teilweise Ähnlichkeit mit denen der indianischen Bevölkerung in Nordamerika. Auch die Sprachen würden teilweise Ähnlichkeiten aufweisen, erzählt mir meine Lehrerin
Der Babr, ein Fabeltier, das Tiger, Leopard und Bär vereint. Er wacht über das 130. Viertel. Hier wurden alte Holzhäuser rekonstruiert. Es ist mit Bars und Restaurants ein Magnet für Touristen und junge Leute, die ausgehen möchten
Wanderer oder Tourist?- den erstaunten Blick findet man bei beiden. Bei den einem richtet er sicher auf die überwältigende Natur am Baikalsee, bei den anderen auf das sich sprunghaft entwickelnde Russland
Aufbruch: | 30.09.2018 |
Dauer: | 12 Monate |
Heimkehr: | September 2019 |
Frankreich
Spanien
Marokko
Brasilien
Argentinien
Uruguay
Chile
Peru
Ecuador
Mexiko
Japan
Südkorea
Russland / Russische Föderation
Estland
Lettland
Schweden
Polen