5 Monate "Flitterwochen"

Cienfuegos

02.02.15

Zum Glück ging es mir heute Morgen wieder deutlich besser und wir konnten weiterziehen nach Cienfuegos. Es fiel uns sehr leicht, das Casa Particular zu verlassen, denn die "Herrin" war uns durch und durch unsymphatisch. Die ältere Dame hatte ordentlich Personal in ihrem Heim, das sie herumjagen konnte. Bester Angestellter war wahrscheinlich ihr Ehemann, der alles tat, was sie von ihm verlangte. Wenn sie eine Comicfigur wäre, würden in ihren Augen wohl ständig Dollarzeichen aufleuchten. $$$ Das Zimmer war zwar mit Abstand das schönste und grösste, das wir bisher hatten, aber richtig wohl fühlten wir uns aus besagten Gründen eigentlich nicht dort.
Nach Cienfuegos führte eine Strasse durch einige Bergdörfer. Sobald man das Meer erblickt, kommt man der Stadt näher. Ein riesiger Plaza ist das Zentrum der Stadt und rings herum findet man auch die Casa Particulares. Schnell ist eines gefunden und wir machten eine kurze Siesta. Damiano las in seinem Buch und ich machte ein Mittagsschläfchen. Danach zogen wir los, um uns die Stadt Cienfuegos anzusehen. Das war ein toller Nachmittag! Die Strassen sind schön und die Häuser haben pastellfarbene Fasaden. Der Plaza ist wirklich traumhaft und es hat eine friedliche Fussgängerzone. Endlich finde ich was ich suche: Einen kleinen Markt, fast keine Touristen und freundliche Cubaner, die einem nicht am Rockzipfel hängen, damit man etwas kauft. Nun fühlte ich mich frei, konnte die Marktstände in Ruhe betrachten und kaufte auch ein. Der Schmuck hier ist handmade und nur aus Naturalien hergestellt: Muscheln, Kerne usw., zusätzlich ist er auch spottbillig. Klar, dass ich da zugriff!

Apropos Schnäppchen: Damiano hat sich innerhalb von zwei Sekunden entschieden, in einem Coiffeur-Salon die Haare schneiden zu lassen. Das war ein Erlebnis! In dem riesigen Raum stehen etwa zwanzig kaputte Stühle herum, etwa genau soviele Coiffeure und überall liegen Haare am Boden, die Spiegel haben Risse und und und. Nachdem er den Haarschnitt auf 3 CUC runterhandeln konnte ging's los! Auf den Stuhl sitzten, "You like one, two or three?" Keine Ahnung, dachten wir und wählten einfach die goldene Mitte. Als der halbe Schädel gemacht war, merkten wir, dass die Zahl 2 sich auf die Millimeter Schnittlänge bezog. Es ging ruck zuck, noch ein bisschen pinseln, Bartrand abstimmen, fertig! Ein Pläuschchen mit dem Coiffeur selbstverständlich inklusive.
Damiano kam nach 10 Minuten mit raspelkurzem Haar aus dem Salon, sah toll aus und war nur drei Franken ärmer.
Die ganze Atmosphäre in der Stadt ist wirklich toll. Bisher für mich auf den ersten Blick der schönste grössere Ort, den wir besucht haben.
Unser Reiseführer empfahl uns ein Restaurant am Meer "für Paella-Liebhaber". Wir sagen, als "Paella-Liebhaber" sollte man das Restaurant besser meiden. Es war für die Katz, leider. Und dazu auch noch ziemlich teuer. Wir verliessen es schnell wieder, nun sitzen wir im Garten unseres Casa Particulars, trinken einen feinen Kaffee, Damiano bekommt vom Hausherr beim Schach einen auf den Deckel und ich schreibe diese Zeilen.

03.02.15

Heute genossen wir einen ruhigen Tag in Cienfuegos. Unser Gastgeber hat uns gestern nach der Partie Schach ziemlich nachdenklich gestimmt, über Cuba, die Einwohner und das Politische System. Die Regierung hat Cuba fest im Griff. Das ganze Leben ist klar gesteuert, die Cubaner haben keine Möglichkeiten Freiheiten auszuleben. Die fünf Fernsehsender sowie alle Radiosender sind vom Staat gesteuert. Informationen aus dem Ausland zu bekommen ist schwierig, wenn nicht aussichtslos. Er verglich Cuba sogar mit Nordkorea. Für ihn sei die Auflösung des Embargo die Möglichkeit, endlich ein freies Land zu werden. Er hat uns erzählt, dass die meisten Cubaner nun ihre ganzen Hoffnungen auf Obama setzen. Sie sehen nicht mehr ein, nur für das System zu arbeiten und fühlen sich isoliert. Die Motivatoin für ein Studium ist es, naher vielleicht das Land verlassen zu können.

Die Aussage wurde heute untermauert, als wir einen 25 jährigen Velotaxi-Fahrer kennenlernten. Wir liefen heute vom Stadtzentrum dem Meer entlang zum Palazio de Valle. Ein schöner Palast am Meer. Es ist ein eindrückliches Gebäude, von dessen Balkon aus man einen tollen Blick über die Bucht hat. Auf dem Weg wollen dich viele Velotaxis aufgabeln. Damiano traf einen Fahrer mit Italien-Flagge am Velo und machte mit ihm unseren Rückweg für 3 CUC klar.
Auf dem Weg zurück hatten wir viel Zeit uns mit ihm zu unterhalten, er konnte etwas italienisch. Ich fühlte mich irgendwie ganz unbehaglich: Für drei Franken liessen wir uns bei 30 Grad herumchauffieren, er, Jordan, krampfte und schwitzte. Das Gefühl blieb während der ganzen Unterhaltung. An einem guten Tag kann er zirka vier Fahrten pro Tag machen à 3 CUC. Das Monatseinkommen ist schnell berechnet. Seine Verlobte ist Lehrerin, wie ich. Ihr Monatssalär ist 15 CUC (15 Schweizer Franken!!!) Mir wurde wirklich fast schlecht. Das Schlimme ist, dass die Lebensmittel und Kleider hier in Cuba für Cubaner extrem teuer sind. Eine Milch im Laden kostet umgerechnet etwa 1.5 Franken, also etwa schweizer Preise. Ein Essen im Restaurant ist fast ein Monatseinkommen für einen Cubaner.
Uns wurde erst heute wirklich bewusst, wie schwierig das Leben hier ist. Cubaner wirken sehr fröhlich und das sind sie bestimmt auch. Aber mehr weil es in ihrem Naturell liegt. Wenn man ein bisschen bohrt, merkt man, dass sie kein einfaches Leben haben.
Da Jordan uns sehr symphatisch war und wirklich hart arbeitet, um sich sein Brot zu verdienen, haben wir uns entschieden, ihm anstatt 3, 15 CUC zu geben. Erst war er verdattert, dann dankbar und dann fuhr er uns hinterher, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, es anzunehmen. Er lud uns ein, mit ihm am Abend noch eine Runde zu drehen.
Um Punkt (!) 18:30 stand das Taxi bereit vor unserem Casa Particular und wir machten eine schöne Tour dem Meer entlang. So bekamen wir von einem Einheimischen noch ein paar schöne Plätzchen gezeigt, unter anderem den schönen Park hinter dem Palazio, den wir am Nachmittag verpasst hatten.