Quer durch die Anden in 180 Tagen
Bolivien: Potosí
6. - 9. April:
Potosí ist die hoechstgelegene Stadt der Welt und beruehmt fuer sein Silber. Schon die Busfahrt von Uyuni nach Potosí war abenteuerlich. Gemeinsam mit ca. 30 anderen Leuten wurden wir in einen Bus gequetscht, das ganze Gepaeck auf das Dach des Buses geschnallt, und los gings. Los gings gleich zweimal, weil der Busfahrer anscheinend irgendwas vergessen hat, nach gut 20 Minuten wieder umgedreht und nochmal zum Laden des Busbetreibers zurueckgefahren ist. Danach liefs aber reibungslos, und die Landschaft in diesem Teil Boliviens ist wirklich so schoen wie ueberall beschrieben ist. Bergauf, bergab verlauft der Weg, vorbei an kleinen Ansammlungen von Haeusern und auch durch zwei, drei groessere Doerfer, aber im wesentlichen ists einsames Altiplano. Man fuehlt sich fast ein wenig wie im Wilden Westen, mit all den Schluchten, Fluessen, Steppengraesern und Riesenkakteen. Butch Cassidy und Sundance Kid haben hier in der Naehe uebrigens einmal einen Zug eines Bergwerksbetreibers mit Lohngeldern ueberfallen. Und ich hab mir immer gedacht, diese Revolverhelden gabs nur in Nordamerika!
Bei der Ankunft in Potosí dominiert der Cerro Rico voellig das Stadtbild. Maechtig trohnt er ueber der Stadt, ein wenig bedrohlich, aber doch auch ein wenig wie ein Beschuetzer. Im Bus haben wir Nicky, eine Belgierin, getroffen, und gemeinsam gingen wir auf Hostelsuche. Fuendig wurden wir im Koala Den, einer netten Bleibe mit Kueche und, was fuer Potosí nicht selbstverstaendlich ist, beheizten Zimmern. Der einzige Nachteil von diesem Hostel war, dass extrem viele Englaender und Australier hier waren, und wer die schon einmal in Gruppen reisend erlebt hat, der weiss, was wir hier durchgemacht haben. Durchzechte Naechte, schlechte Witze, und zerbrochene Bierflaschen vor der Zimmertuer.
Der Cerro Rico ueber Potosí
Die Daecher der Stadt
Dafuer war Potosí selbst einfach ein Hammer. Die Stadt ist ueberschaubar gross und hat einige sehr schoene alte Kolonialbauten im Stadtzentrum. Was sofort auffaellt, wenn man aus Chile kommt, ist, dass es hier sehr viel lebhafter auf den Strassen ist. Viele kleine Staende, wo man von der Unterhose ueber Kuchen bis zum Handy alles kaufen kann, viel Verkehr, und noch mehr Leute auf der Strasse. Wenn man sich darauf einlaesst, ist es aber ein unbeschreibliches Erlebnis, sich in diesen Strassen treiben zu lassen. Es ist hier irgendwie alles ein wenig urspruenglicher als in Chile und Argentinien, was aber gar kein Nachteil ist. Man sieht eigentlich nur indigene Bevoelkerung und jede zweite Frau transportiert Kinder oder irgendwelche andere Sachen in einem Tragetuch am Ruecken.
Zum ersten Mal sahen wir die traditionelle Kleidung des Andenhochlandes. Faltenrock, Hut, Sandalen und geflochtene Zoepfe, auch wenn man die hier nicht so gut sieht.
Fruehstueck am Markt, die leckere Fluessigkeit im Glas nennt man Api und ist ein Maisgetraenk das fast so schmeckt wie heisses Apfelmus
Die Hauptattraktion von Potosí sind aber eindeutig die Minen. Schon die Spanier haben in diesem Berg schuerfen lassen. Die Leute hier sagen, dass man mit all dem Silber, das die Spanier hier herausgeholt haben, eine Bruecke zwischen Potosí und Spanien haette bauen koennen. Die Minen waren frueher verstaatlicht, als sie aber nicht mehr genug Gewinn abwarfen, wurden sie geschlossen. Sehr viele Leute in Potosí standen dadurch vor dem Problem der Arbeitslosigkeit, welshalb sie die sogenannten Kooperativen gegruendet, den Berg von der Regierung gepachtet, und einfach auf eigene Faust weitergearbeitet haben. Und einige dieser Minen kann man als Tourist besuchen. Wir haben zusammen mit Nicky eine Tour bei Greengo Tours gebucht, was echt ein Gluecksgriff war. Wir koennen diese Agentur und Julio, ein ehemaliger Minenarbeiter dem die Agentur gehoert, nur waermstens weiterempfehlen.
Der Besuch in der Mine war jedenfalls sehr bedrueckend. Zuerst bekommt man Hosen, Jacken, Helm und Gummistiefel verpasst, und faehrt damit dann auf den Markt der Mineros. Man kann dort einige Geschenke fuer die Minenarbeiter einkaufen, wie Dynamit, Zigaretten, Koka, oder Getraenke.
Regale am Markt der Mineros
Leckeres Dynamit!
Auch zu essen gibt es dort...
... und natuerlich Koka!
Alle Minenarbeiter kauen Koka, bevor sie in den Stollen gehen, um sich ein wenig Linderung von den Strapazen zu verschaffen.
Wenn man damit dann vor dem Eingang der Mine steht, bekommt man das erste Mal ein etwas flaues Gefuehl im Bauch. Nicht, weil man es vielleicht mit der Angst zu tun bekommt, sondern weil die meisten Arbeiter blutjung sind, vielleicht 15 Jahre alt, keine vernuenftige Ausruestung haben, und stundenlang in den altertuemlichen Stollen arbeiten muessen. Mit den einfachsten Mitteln wie alten Grubenhunten auf Schienen und ohne Belueftungssystem holen sie Brocken von Gestein aus dem Berg und hoffen, ein wenig Metallerz dabei zu haben. Es wird uebrigens fast kein Silber mehr abgebaut, sondern andere Metalle wie Zinn und Zink.
vor der Mine
Der Stolleneingang. Die Rohre sind Luftdruckrohre fuer die Bohrer - nicht fuer Frischluft!
Am Anfang war uns noch nach Lachen zumute ...
Gleich nach den ersten 10 Minuten hat ein schweizer Paerchen das Handtuch geworfen, und ist wieder aus dem Stollen raus. Danach wurde es aber erst so richtig heftig. Julio hat uns zu einem Schacht gebracht, wo Sprengloecher gebohrt wurden. Wir standen nur am oberen Ende ca. 15 Meter ueber den Arbeitern, aber wir haben trotzdem wegen des ganzen Staubes fast keine Luft mehr bekommen. Wie muss es dann erst unten direkt bei den Arbeitern sein, einfach unvorstellbar! Sicherheitsvorkehrungen sind auch Mangelware, und immer wieder sterben Bergleute.
So wird das Gestein raustransportiert
Kokaverteilung
Rechts unser Guide Julio, und links einer der Arbeiter
Um sich vor Unfaellen zu schuetzen, wir "El Tio" verehrt, der Teufel, dem der Berg und das Erz gehoert. Mit hochprozentigem (96%) Alkohol und Zigaretten wird er milde gestimmt.
El Tio
Der Verdienst ist fuer bolivianische Verhaeltnisse nicht schlecht, aber was die jungen Leute ihrer Gesundheit antun, ist einfach Wahnsinn. Viele der Bergleute sterben schon mit Anfang dreissig an der Staublunge. Die meisten wissen auch um die Schaedlichkeit, aber es gibt einfach keine Alternative, um in dieser Gegend Geld fuer die Familie verdienen zu koennen.
Egal wie unzufrieden dass man mit seinem eigenen Job ist, nach einem Besuch in den Minen von Potosi weiss man wieder wie gluecklich dass man sich schaetzen kann!!!
Am letzten Tag waren wir noch in der "Casa Real de la Moneda". Das war frueher eine Muenzpraegerei und es wurden Silbermuenzen fuer die ganze Welt hergestellt. Witzigerweise stellt Bolivien mittlerweile ueberhaupt kein Geld mehr selbst her, die Scheine kommen aus Kanada und die Muenzen aus Frankreich (oder umgekehrt, das weiss ich nicht mehr so genau). Die Bilder, die dort ausgestellt waren, waren fuer uns nicht so interessant, grossteils seltsame sakrale Malerei, aber die Muenz- und Silbersammlung und die alten Praegemaschinen waren toll. Mathias liess es sich bei dieser Gelegenheit natuerlich nicht entgehen, mit einem alten Praegestempel seine eigene Silbermuenze zu praegen.
Mathias mit seiner frisch gepraegten Muenze
Potosí war eine sehr interessante und beeindruckende Stadt. Viele haben vorher gesagt, dass man nur einen Tag hier zu sein braucht, um die Minen zu sehen, aber Potosí ist auch rund um die Minen eine tolle Stadt, und wir sind gern laenger als einen Tag geblieben - haette auch noch laenger sein koennen.
Aufbruch: | 06.01.2008 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 05.07.2008 |
Chile
Bolivien
Peru
Ecuador