Cuba und Suedamerika
Bolivien: Fahrt auf dem Rio Tuichi
Mein Guide Juan kam mit Verspaetung, denn seine movilidad fiel wegen Bezinmangels aus und er musste sich auf einem Motorrad nach Hause bringen lassen. Floesse waren endgueltig nicht aufzutreiben in diesem Urwaldweiler, so dass ein Neues gebaut werden musste. Die dafuer benoetigten Schlaeuche von LKW-Reifen waren genauso Mangelware, so dass Juan einen ganzen Tag mit der Suche danach verbrachte, bis er endlich drei mehrfach geflickte Exemplare, alle unterschiedlich gross und dick, aufgetrieben hatte. Am Morgen meines vierten Tages an jenem Ort begann endlich der Flossbau. Innerhalb von vier Stunden war es fertig. Zusammengebaut aus drei LKW-Schlaeuchen und einigen Holzstangen, alles verbunden mit zwei Seilen, ein paar Gummibaendern und unzaehligen Stoffstreifen, die aus alten Fussballtrikots und anderen Kleiderresten stammten. Das Wichtigste kam in eine wasserdichte Tonne (unter anderem ein Antiserum im Falle von Schlangenbissen und fuenf Streifen Bazooka-Kaugummi, um Lecks in den Schlaeuchen abdichten zu koennen) und mein grosser Rucksack wurde in einer Plastikplane verschnuert, die sich als nicht ganz wasserdicht erweisen sollte. Alles wurde saeuberlich auf dem Floss vertaeut und beide Besatzungsmitglieder bekamen ein schweres, grob aus Holz geschnitztes Paddel.
die nummer zehn kontrolliert das spiel oder flossbau
Bevor es endlich losging, setzte sich Juan mit seiner Frau ans Ufer des Tuichi und beide rauchten sechs oder sieben Zigaretten auf Kette und stopften sich eine Unmenge von Kokablaettern in den Mund. Seine Frau war extrem nervoes und haette ich gewusst, was uns erwartet, waere ich auch nervoes gewesen. Doch in Azariamas war der Rio Tuichi breit, ein wenig traege und fuehrte am Ende der Trockenzeit nur wenig Wasser. Waehrend der Fahrt erfuhr ich von Juan interessante Einzelheiten. Einige Touristen waren auf der Strecke untergetaucht und nicht wieder aufgetaucht waehrend andere als verschollen galten. Weiter flussabwaerts wartete ein grosser Canyon mit unzaehligen Stromschnellen, vielen gefaehrlichen Felsen und gewaltigen Wellen auf uns. Ein Wildwasserrevier aller erster Guete mit Stromschnellen einschliesslich Klasse 5 (fuer Raftingexperten). Auf die fuer solche Strecken uebliche Ausruestung wie Helme und Schwimmwesten mussten wir mangels Vorhandensein verzichten. Jeden Morgen und in der Mittagspause wiederholte Juan das Ritual, zu viele Zigaretten auf Kette zu rauchen und sich eine Backe mit Kokablaettern vollzustopfen. Abends campten wir am Flussufer, wo an den sandigen Abschnitten Hunderte von Schmetterlingen umherschwirrten aber auch Tausende Stechmuecken und Millionen von Sandfliegen. Besonders laestig waren kleine Fliegen, die um den Kopf schwirrten und zielsicher im Ohr oder in selbstmoerderischer Absicht in den Augen landeten. Natur pur. Nach Einbruch der Dunkelheit mussten wir unsere Taschenlampen ausknipsen, da wir sonst unversehens in einem Insektenschwarm badeten.
noch ist der rio tuichi zahm
moskitos werk
Waehrend einer Rast entdeckte ich unzaehlige Flosswracks, die das Flussufer saeumten. Juan erklaerte mir, dass die Kapitaene vor der folgenden Stromschnelle Angst gehabt, ihre Floesse zurueckgelassen haetten und zu Fuss weitergegangen waeren. Aber diese Stromschnelle sei nichts im Vergleich zum grossen Canyon. Wir erwischten die Einfahrt nicht richtig, kamen von der Ideallinie ab und es folgte ein Hauptwaschgang mit Schleudern. Wir wurden kraeftig durchgeschuettelt, mehrere gewaltige Wellen ueberschlugen sich ueber unser Floss und ich hatte grosse Muehe, nicht ueber Bord zu gehen.
Am zweiten Tag erreichten wir den grossen Canyon, wo sich der Tuichi in wildem Getoese in eine enge Schlucht stuerzt. Eine Stromschnelle folgt auf die andere. So stuerzten wir uns ins nasse Vergnuegen. Das Team war nun besser aufeinander abgestimmt, so dass wir zumeist die von Juan angepeilte Route durch die Felsen erfolgreich erwischten. Vor besonders gefaehrlichen Stellen steuerten wir das Ufer an und Juan inspizierte die Situation. Zweimal stiegen wir vom Floss, kraxelten ueber die Felsen und liessen das Floss alleine mit einem Seil gesichert weiterfahren. An der letzten gefaehrlichen Stromschnelle erwischte es uns. Gleich am Anfang lief das Floss halbseitig auf einen Felsen auf, kippte und die starke Stroemung liess es ueberschlagen. Die Zwei-Mann-Besatzung ging ueber Bord und fand sich in den reissenden Fluten wieder. Gerade noch rechtzeitig bekam ich meinen Fuss aus der Verkeilung zwischen den Streben und konnte mich an das Ende des Flosses klammern, das fuehrungslos und auf dem Kopf liegend durch die Felsen schoss. Die Gefahr war keineswegs gebannt. Das Floss rauschte frontal in einen Felsen und die reissende Stroemung drueckte mich unter selbiges. Auch aus dieser misslichen Situation befreite ich mich und schliesslich trieben wir (auch Juan hatte das Floss greifen koennen und war auf es geklettert) in etwas ruhigerem Wasser, wo wir das felsige Ufer ansteuerten. Dort hatte wir grosse Muehe, das Floss wieder in seine urspruengliche Lage zu bringen. Ausser dem Verlust von zwei Sonnenhuetten sowie ein paar Abschuerfungen und Prellungen war nichts passiert. Von nun an glitt der Fluss abgesehen von kleineren Stromschnellen, die wir nutzten um Fahrt aufzunehmen, traege dahin und ich hatte viel Zeit die undurchdringliche gruene Wand zu inspizieren, aus der die sonderbarsten Geraeusche und wilde Schreie hervordrangen. Am vierten Tag erreichten wir unser Ziel San José de Uchupiamonas, eine kleine Gemeinde im Madidi-Nationalpark. Waehrend der Fahrt hatten wir niemanden getroffen und wie ich erfuhr, waren wir in diesem Jahr die einzigen gewesen, die diese Strecke bewaeltigt hatten.
heart of darkness
yo no soy marinero...
Aufbruch: | 16.06.2008 |
Dauer: | 9 Monate |
Heimkehr: | 24.03.2009 |
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