Cuba und Suedamerika

Reisezeit: Juni 2008 - März 2009  |  von Olli Schäfer

Chile: Schiffahrt von Quellon nach Chacabuco

Es sollte eine epische Schiffsreise werden, von der wir beim Ticketkauf noch nichts ahnen konnten. Die Dame erklaerte uns, die Fahrtzeit betrage 24 Stunden und da ein Bett in einer der Kabinen nicht viel teuerer war als die unsaeglichen Pullmann-Sitze, leisteten wir uns zwei Betten in einer Viererkabine.

Puenktlich waren wir zwei Stunden vor Abfahrt am Buero der Gesellschaft in Quellon, von wo aus Shuttle-Busse die Passagiere zur Faehre brachten. Dort fuhren gerade die Autos sehr langsam und mit grosser Vorsicht einzeln hinunter, so dass sich die Abfahrt deutlich verzoegerte. Beim Einsteigen fiel mein Blick auf die Schweissnaehte im Bauch der Don Baldo. Solch mangelhafte, schlampige und dem Korrossionsschutz Hohn sprechende Naehte habe ich noch nicht gesehen. Vergeblich suchte ich an der Faehre den "made in China" Aufdruck, dafuer fanden sich ueberall Schilder in griechischer Sprache. Scheinbar eine der Faehren, die beim grossen ADAC-Faehrentest mit mangelhaft beurteilt und danach aus dem Verkehr gezogen worden waren.

Bei wolkigem Wetter mit einzelnen Sonnenstrahlenschlupfloechern legte das Schiff mit zwei Stunden Verspaetung ab. Ziemlich schnell war die Don Baldo auf dem offenen Meer, wo sie bei ruhiger See aber maechtiger Duenung gemaechlich hin- und herschaukelte. Zum Schlafen hatte das Schiff leider schon einen der Kanaele erreicht und so wurden wir nicht in den Schlaf gewiegt.

schoenes wetter bei abfahrt

schoenes wetter bei abfahrt

rettungsboot der don baldo wird ausgesetzt

rettungsboot der don baldo wird ausgesetzt

In der Nacht bemerkte ich, dass wir nicht mehr weiterfuhren und obwohl ich lang schlief setzte sich das Schiff nicht mehr in Bewegung. Was war los? Wir hatten kein Fenster in der Kabine und wilde Geruechte waren im Umlauf. Der Kapitaen habe in Ruhe schlafen wollen (so ein Langschlaefer), er habe bei Nacht nichts sehen koennen in dem engen Kanal, das Schiff sei bei Ebbe auf Grund gelaufen, der Wind sei zu stark geworden; das war so alles, was durch den Raum geisterte. Ich wollte gerade rauf aufs Deck gehen, um mir selbst ein Bild von der Lage zu machen, als ich im Gang Wortfetzen aufschnappte, dass die ersten Passagiere evakuiert wuerden.

Auf dem Deck angekommen sah ich eines der Rettungsboote an die nahegelegene Kueste fahren. Kurz darauf kam es zurueck und wurde mit Seilwinden wieder an seinen urspruenglichen Ort hoch ueber dem Deck bugsiert. Von Aktionismus keine Spur. Die Lage war entspannt und eine halbe Stunde spaeter setzte sich die Faehre wieder in Bewegung. Wir waren noch ganz am Anfang der Fahrtstrecke, wie ein Blick auf unsere grosse Chile-Karte zeigte. Der Weg fuehrte entlang verschieden breiter Kanaele, die von unzaehligen der Kueste vorgelagerten Inseln und dem Festland gebildet wurden. Der stuermische Wind fegte die Wolken uebers Meer und die schrof aufragenden Berge, ab und zu regnete es und ganz selten blitzte die Sonne mal auf. Eine Landschaft wie in Mittelerde.

mittelerde oder mittelchile

mittelerde oder mittelchile

zwischenstop

zwischenstop

Die voraussichtliche Ankunftszeit, wurde immer weiter in die Zukunft gelegt: erst Mitternacht, dann vier Uhr frueh und schliesslich sechs Uhr frueh. Wir verbrachten noch eine weitere ausserplanmaessige Nacht an Bord, so dass unsere Essensvorraete zu Neige gingen. Auch am naechsten Morgen hatten wir entgegen aller Prognosen noch nicht unser Ziel erreicht, die Faehre fuhr unverdrossen bei nun noch stuermischerem werdendem Wind weiter. Am spaeten Morgen war endlich der Zielhafen in sicht, aber die Don Baldo ankerte in der Bucht und wir warteten ohne Informationen, wie es weitergeht. In der Ferne peitschte stuermischer Winde an einer zum Pazifik hin offen Stelle die Gischt der Wellen fuenf bis sechs Meter hoch, waehrend sich die Faehre mal so rum und mal anders rum im Kreise drehte. Ich sprach mit einem Matrosen und bekam heraus, dass wegen der stuermischen See und wegen eines in der Einflugschneise ankernden Kreuzfahrtschiffes es nicht moeglich sei, im Hafen anzulegen. Die Hafenbehoerde hatte ausserdem den Hafen fuer kleinere Schiffe gesperrt, die die Passgiere von der Faehre haetten holen koennen.

Gegen Mittag wurden alle Passagiere zu einem kostenlosen Essen in der Bordkantine eingeladen. Aufgrund des Andrangs musste in Etappen gegessen werden. Als wir mit einer Schwarzwaelderin endlich zu Tisch kamen, war das Essen, Nudeln mit Bolognaise-Sauce, schon ausgegangen und wir machten uns ueber die von unseren Voressern zurueckgelassenen Essensreste her. Es spielten sich dramatische Szenen an Board ab. Wir durchwuehlten von anderen zurueckgelassene Muelltueten auf der Suche nach Essbarem. Immerhin fanden wir dabei eine grosse Dose Nescafé, die noch mehr als halbvoll war.

Kurz nach 14 Uhr kam die erloesende Meldung, dass die Passagiere ohne Auto mit einem kleineren Boot von der Faehre geholt werden sollten. So endete nach 46 Stunden diese nie enden wollende Schiffsreise doch noch.

arco iris

arco iris

dunkle wolken nicht nur am horizont

dunkle wolken nicht nur am horizont

© Olli Schäfer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
on the road...
Details:
Aufbruch: 16.06.2008
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: 24.03.2009
Reiseziele: Kuba
Peru
Bolivien
Chile
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Olli Schäfer berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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