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Fazit nach 2 Monaten Rückkehr
Die ersten 2 Wochen
Was soll ich sagen? Die ersten Tage waren schlimm. Und wie jede/r Reisende/r auf dieser Plattform schreibe auch ich, dass meine Seele definitiv noch auf Reisen war und sich nicht so schnell wieder einfügen konnte und wollte. Die vielen Eindrücke, die ständige Abwechslung, immer wieder neue Gesichter, Gerüche, Landschaften, Stimmen - und das jeden Tag. Und vor allem: freundliche offene Menschen, die sofort bereit sind mit dir Bett, Tisch und Lebensgeschichte zu teilen...denn wer weiß schon, wann sich die Wege wieder trennen.
Nicht dass die ÖsterreicherInnen grundsätzlich so unsympathisch wären, aber Weltreisende im speziellen entwickeln sich eben in bestimmte Richtungen. Und nur wer selber mit dem Rucksack weit gereist ist - individuell, ohne Reisegruppe, kann das Fernweh verstehen und die Sehnsucht sich mit Menschen zu unterhalten, die ähnliches erlebt haben.
So fühlten sich die ersten Tage in der kleinen Provinz sehr eng an. So viel Nähe, so viele Regeln, so viel Luxus. So viel "viel".
Ich hatte mich 6 Monate lang an die kleinen Freuden des Lebens gewöhnt, von leckeren Früchten über Tiere in der Natur beobachten, ein Lächeln einer Straßenhändlerin oder eine Toilette mit Klositz. Von meinem Kleiderschrank war ich erstmal so überwältigt, dass ich gleich die Hälfte davon wegen "Nicht-Benötigung" zum Caritas-Shop brachte. Das Klopapier nicht in den Mülleimer zu werfen viel mir nicht so leicht, und Brot wie Milchprodukte und die mürrischen Gesichter auf der Straße waren auch nicht gleich mit meiner Verdauung in Einklang zu bringen.
Wie dem auch sei: Die ersten 2 Wochen verbrachte ich mit Kaffeetrinken und abtanzen (wie hatte ich das vermisst), traf lang Verschollene wieder und fotografierte in meiner Wahlstadt Graz wie eine Touristin alles, was mein Herz erfreute - was schlussendlich zu einem Ankommen und Daheimfühlen führte.
9 Jahre in dieser Stadt, den Elefanten zuvor aber nie gesehn
Die häufigsten Fragen, und Antworten die mir begegneten waren:
- Und, freust dich, dass du wieder da bist?- Anmk. gaaaanz schlechte Frage für Weltreisende, die mit dem Kopf noch ganz wo anders sind....eine Weltreisekollegin von mir reist sogar jetzt nach 2 Monaten noch immer hier in alle Nachbarländer, die kann sich gar nicht beruhigen
- Ist dir gar nix schlimmes passiert? - Auch schlechte Frage, den Weltreisende sind meist durchströmt von einem andauernden Glücksgefühl und wollen eigentlich von ihren tollen Erlebnissen berichten. bad news are good news ist da etwas eine unsensible Interessenstaktik, vor allem wenn man eh noch an akutem Fernweh leidet.
- Wie viel hat das denn gekostet? - Hach, da merkt man, dass man in Westeuropa lebt Es war genauso "teuer" wie geplant und es hat sich auf jeden Fall ausgezahlt und war jeden Cent wert
- Wo hat es dir am besten gefallen? - Ja wenn das so einfach wäre. Mittlerweile habe ich mich auf die Variante Laos, Neuseeland, Bolivien eingeschossen - betrifft Landschaft sowohl als auch die Menschen selbst, in Laos auch das Essen, was man von Neuseeland ja nicht behaupten kann
Mit den Fragen ist es also nicht so einfach, fast ein wenig so wie auf Reisen. Woher kommst du, wohin gehst du, wie lange bist du schon unterwegs....und wieder wäre ein T-Shirt mit dementsprechendem Aufdruck ganz gut.
Fazit nach 2 Monaten:
Man gewöhnt sich. Nicht ganz schnell und nicht ganz leicht aber doch. Leichter ist es mit einer lieben Familie, FreundInnen die eine/n vermisst haben und einer Arbeit, die gerne wieder aufgenommen wird und vor der nicht die Flucht angetreten wurde. So arbeite ich auch schon wieder 1,5 Monate und ich finde es gar nicht schlimm. Ich hab ein neues Projekt, ich bin umgezogen und habe eine tolle Wohnung und auch sonst hat sich einiges verändert. So kann also nicht die Rede sein von "zurückkehren in den Alltag" und "Einleben", denn eigentlich hatte ich alles so wie es jetzt ist ja noch nie.
Und das Fernweh...hmm, in meinem Kopf brodelt es ständig an neuen Ideen. Meine Lebensplanung für die nächsten 5 Jahre wurde mindestens schon 3mal innerhalb weniger Wochen komplett umgeschmissen und natürlich gibt es da auch Reiseziele, die sich immer wiedermal breiter machen in den Gedanken. Und dann gibts da ja auch noch haufenweise Freunde aus aller Welt, die immer wieder mal schreiben und deren weitere Reisen auch begeistert verfolgt werden.
Meine Variante des günstigen Kopfreisens:
- mich mit CouchsurferInnen treffen. So habe ich Freundschaft mit einer Chilenin geschlossen, die noch bis November in meiner Stadt lebt und treffe mich hin und wieder zum Spanisch quatschen und tanzen mit ihr. Und auf einer Dienstreise übernachte ich ebenfalls mal bei einer Couchsurferin, anstatt im Hotel.
- Filme auf Englisch sehen und überhaupt Englisch sprechen. So vieles im Fernsehen kommt mir extrem synchronisiert vor, sodass ich es kaum aushalte anzuschauen - besser zum Original greifen. Und höre ich jemanden im Bus hinter mir auf Englisch sprechen, fühle ich mich ohnehin gleich viel "daheimer". Noch immer denke ich zeitweise Englisch und mache in dieser Sprache Tagebucheintragungen.
- Menschen ansprechen. Vielen ist es gar nicht bewußt, wie teils verschlossen und ungastfreundlich unsere Kultur ist - wenn nicht die Erfahrung des Vergleichs gemacht wurde. So unterhalte ich mich neuerdings auch mit sämtlichen wildfremden Menschen an der Bushaltestelle und überhaupt sehe ich keinen Grund jemanden nicht mit etwas Offenheit ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Meine Neugier und Wissbegier wurde durchs Reisen wieder neu entfacht, und obwohl ich eigentlich bis zum Hals in Arbeit stecke, reizt mich das eine oder andere Zusatzstudium und mir fallen Tausend Dinge ein, die ich noch machen könnte. Wann, wenn nicht jetzt?
Meine Fotos habe ich im Übrigen noch immer nicht sortiert. Bis über die erste Woche habe ichs noch nicht geschafft, aber es ist einfach irre viel. Und dann wird mir erst bewusst beim Durchsschauen, was ich alles erlebt habe. Und ich kann es gar nicht fassen. Welch unglaubliches Glück. Und dann der Gedanke, dass in 3 Monaten Oktober ist, und dann ist es ein Jahr her, dass ich nach Bangkok geflogen bin....unfassbar, das war doch alles erst....gestern.
Was habe ich gelernt, mitgenommen, festgehalten?
- Noch mehr Geduld, noch mehr Gelassenheit, noch mehr Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten
- Wer Vertrauen und Neugier entgegenbringt, wird Offenheit, Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft ernten
- Ich kann mit sehr wenig auskommen und weiß allen Luxus den ich besitze zu schätzen
- Bewusstes Nichtstun ohne schlechtes Gewissen und einfach mal Abschalten können und entspannen, nicht immer nur auf Highspeed
- die Augen öffnen und die Menschen wirklich sehen und spüren, und schmecken und lauschen, einfach wirklich mal bewusst wahrnehmen
- jedes Wetter so nehmen wie es ist und sich nicht darüber beschweren, dass es ein halbes Grad zu kalt oder zu warm ist
- und sicher vieles mehr, aber dazu beim nächsten Fazit
Was ich vermisse?
Ich vermisse die Ursprünglichkeit der Menschen und die wilde freie Natur mit allen giftigen und ungiftigen Tieren und die Möglichkeit sie einfach so zu beobachten und tagelang nur barfuß zu gehen, nutze aber jede Gelegenheit um Wege auch wirklich zu gehen und nicht motorisiert zurückzulegen. Einen mp3-Player im Ohr brauche ich hier wie da nicht, denn ich will nicht abschalten von der Umwelt, sondern sie in mich aufsaugen.
Aufbruch: | 14.10.2009 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 18.04.2010 |
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